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Verhandelt über TTIP: EU-Kommissar Karel De Gucht.

© dpa

Wirtschaft: Die Freunde des Freihandels

Die Gegner eines TTIP-Abkommens mit den USA kontrollieren die Debatte. Nun wollen die Befürworter mit einer neuen Strategie dagegenhalten.

Seit Beginn der Gespräche über das Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) hat sich die Stimmung stetig verschlechtert. Als sich die Unterhändler der EU und der USA im Juli 2013 zur ersten Runde trafen, beherrschte der NSA-Abhörskandal die Schlagzeilen. In der Atmosphäre wachsenden Misstrauens gegen die USA hielten sich die Befürworter des Abkommens zurück und warteten auf bessere Zeiten. Das betrachten Wirtschaftswissenschaftler, Industrievertreter und Politiker inzwischen als einen Fehler, wie jetzt beim 13. „Economic Summit“ in München deutlich wurde.

Dort beklagte man, dass eine bunte Koalition aus prinzipiellen Globalisierungsgegnern und Kritikern von Einzelaspekten die öffentliche Debatte dominiere mit ihrer Skepsis wegen Chlorhühnchen, einer angeblich drohenden Absenkung der Standards bei Lebensmitteln und Arzneien, genverändertem Saatgut sowie überstrenger Investitionsschutzklauseln.

Heute beginnt die fünfte Verhandlungsrunde

Vor Beginn der fünften TTIP-Verhandlungsrunde an diesem Montag widmeten das Ifo-Institut und die BMW-Stiftung ihre alljährliche Konferenz den Vor- und Nachteilen des geplanten Abkommens. „Vielen Bürgern bereitet die Globalisierung Angst“, sagte EU-Kommissar de Gucht, der die Gespräche mit den USA führt. Die Kritik sei vehementer als bei früheren Freihandelsgesprächen. Nach seinem Eindruck werde die Bedeutung der Gegner und ihrer Argumente überschätzt. „TTIP kann man nicht so einfach killen.“ Dafür sei der Nutzen für Deutschland und für Europa zu groß. Die „Schlacht“ um die öffentliche Meinung müsse aber geführt werden. Viele Bedenken seien irrational. So werde in den USA bei der Geflügelschlachtung Chlor zur Desinfizierung benutzt. Gesundheitsrisiken seien nicht bekannt. In Europa benutze man die Methode nicht für Geflügel, aber für Salat. Dennoch nutzten Gegner „Chlorhühnchen“ als Beleg für eine angeblich drohende Absenkung von Standards durch TTIP.

Es sei „ein Rätsel“, warum ausgerechnet Deutsche den Freihandel skeptisch betrachten, sagte Hans-Werner Sinn, Chef des Ifo-Instituts. Der prinzipielle Nutzen sei bewiesen, ohne internationalen Handel wäre das deutsche Pro-Kopf-Einkommen nur halb so hoch. Gabriel Felbermayr, Ökonomie-Professor in München, erwartet von TTIP ein zusätzliches Wachstum in Europa von 3,9 Prozent; das bedeute im Schnitt 1005 Euro mehr Einkommen pro Kopf im Jahr. Seine Modellrechnung beruht auf den Effekten früherer Freihandelsabkommen.

Auf Anregung des neuen Vorsitzenden der BMW-Stiftung, Michael Schäfer, der zuvor Botschafter in China war, wurde auch ein bislang wenig beachteter Aspekt diskutiert: Welche Auswirkungen haben „regionale Megadeals“ wie das Transpazifische Abkommen TPP der USA mit ausgewählten asiatischen Staaten und das Transatlantische TTIP der EU mit den USA auf globale Freihandelsrunden wie „Bali“ und „Doha“ sowie auf den Handel mit denen, die draußen bleiben – voran Schwellenländer wie Brasilien, Russland, Indien und China?

In der Welt gibt es zahlreiche regionale Wirtschaftsabkommen

Die Welthandelsrunden hätten „keine messbaren Ergebnisse“ geliefert. Auch deshalb komme es zu so vielen regionalen Abkommen, berichtete Joseph Francois vom World Trade Institute in Bern. China konzentriere sich ebenfalls auf regionale Kooperation, sagte Xin Chen, Europaspezialist der Akademie für Sozialwissenschaften in Peking. Es sei aber „gefährlich, falls TPP oder TTIP dem gezielten Ausschluss Chinas dienen sollten“. TTIP werde mitunter als „Wirtschafts-Nato“ bezeichnet, das klinge nach Kaltem Krieg, sagte Xin.

China und die anderen BRIC-Staaten zu den TTIP-Verhandlungen einzuladen, sei nicht sinnvoll, war der Konsens in München. Der Wirtschaftsaustausch sei zu unterschiedlich. Wichtig sei aber, dass regionale Abkommen offen blieben für den späteren Beitritt anderer. Deutschland und die EU sollten zudem Gespräche mit China und anderen aufnehmen, um den Freihandel voranzubringen und sich vor unerwünschten Nebeneffekten von TTIP zu schützen.

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