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Wirtschaft: Die Geduldsprobe

Drei Finanzminister sind sauer auf den unpünktlichen Verdi-Chef Bsirske

Berlin - Ist das Flugzeug schuld gewesen? Oder war die Uhr von Frank Bsirske kaputt? Wir werden die Wahrheit wohl nie erfahren. Dabei könnten jene Vorkommnisse im Hause der KfW Bankengruppe in Frankfurt am Main in die deutsche Tarifgeschichte eingehen. Eigentlich war am vergangenen Freitag ein ganz normales Treffen geplant. Verdi-Chef Frank Bsirske wollte mit seinen Gewerkschaftskollegen Kurt Martin und Christian Zahn die Finanzminister Hartmut Möllring (Niedersachsen), Ralf Stegner (Schleswig-Holstein) und Horst Metz (Sachsen) zu Tarifverhandlungen treffen. Doch als Bsirske und seine Leute kamen, waren die Minister weg. „So was habe ich in 23 Jahren Tarifverhandlungen noch nicht erlebt“, schimpft Martin. „Ich lasse mir das nicht bieten“, erbost sich auch Möllring. Was war da los?

Es ist der 8. April, 16.30 Uhr. Fünf Wochen zuvor haben Verdi und die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) diesen Termin abgemacht, um über einen neuen Tarifvertrag für die rund 900000 Arbeiter und Angestellten der Bundesländer zu reden. Bereits um 15 Uhr treffen sich Möllring, der gegenwärtig die TdL führt, und seine Stellvertreter Stegner und Metz zum Vorgespräch. Pünktlich um halb fünf warten sie im ersten Stock des KfW-Gebäudes auf Bsirske und Kollegen. Kurt Martin ist schon im Haus. Er kommt vorbei und informiert die Arbeitgeber, dass Bsirskes Maschine später landet als geplant, die Verhandlungen könnten erst um 17.15 Uhr beginnen. Diese Angabe zieht die andere Seite später in Zweifel. „Wir haben uns erkundigt: Das Flugzeug hatte keine Verspätung“, sagt Ulrich Rieger, Geschäftsführer der TdL.

Rieger hat an diesem frühen Abend in Frankfurt eine Schlüsselrolle. Er muss seinen Chef, den stets auf Pünktlichkeit achtenden niedersächsischen Finanzminister Möllring, der nun schon seit einer Stunde auf Bsirske und Co. wartet, besänftigen. Und er muss den Verdi-Leuten klar machen, dass die Geduld der Arbeitgeber endlich ist. Bsirske ist inzwischen eingetroffen, doch jetzt sitzt die Verdi- Delegation im 4. Stock zu internen Beratungen beisammen. Möllring schickt Rieger in den 4. Stock, damit dieser die Gewerkschafter warnt: „Wir warten nicht mehr lange.“ Nach Riegers Erinnerung vergeht etwa eine halbe Stunde, bis die Verdi-Leute ihre Beratungen beenden und sich gemeinsam mit ihm in den ersten Stock bewegen, um die Verhandlungen aufzunehmen. Doch da sind die Minister weg. „Wir alle drei haben entschieden abzureisen“, sagt Möllring. Es ist kurz nach 18 Uhr. Bsirske ruft Möllring an, beschwert sich. Rieger ist genauso perplex wie die Gewerkschafter, bekommt jetzt aber deren Ärger ab. Es wird geschrien. Später spricht Möllring von einem „unmöglichen Benehmen“ und Martin ärgert sich: „So geht man nicht miteinander um.“ Die Arbeitgeber sind sich sicher: Die haben uns warten lassen; wenn Innenminister Schily dabei gewesen wäre, hätten die das nie gewagt. Die Gewerkschaft kontert: Die waren über unsere Beratungen im Bilde und hätten uns vor der Abreise informieren müssen; am Ende haben die Minister ihren Geschäftsführer Rieger im Regen stehen lassen.

Und nun? Am Donnerstag geht es weiter, diesmal in Berlin, diesmal schon um 16 Uhr. In Berlin hat Verdi-Chef Bsirske, dem Kollegen einen besonderen Umgang mit der Zeit bescheinigen, sein Büro. Mit dem Flugzeug dürfte es also keine Probleme geben. Und mit den Arbeitgebern auch nicht. Möllring: „Wir werden pünktlich sein.“

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