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Wirtschaft: Die geheime Lust am Putzen

Die Industrie macht das Saubermachen immer bequemer – doch der Mensch an sich will kräftig scheuern

Der putzende Mensch braucht die Dramatik des Putzens, das Gefühl, kräftig zu scheuern und zu bohnern – in der Gewissheit, dass alles wieder dreckig wird. Das sagt zumindest Helmut Berghaus vom Institut für morphologische Marktforschung. In stundenlangen Gesprächen hat er die Putzpsychologie von 150 Personen untersucht. „Jeder wünscht sich ab und zu fleißige Heinzelmännchen, die die ganze Arbeit machen“, erklärt er. „Aber im Grunde will man doch selbst Hand anlegen.“ Der Sieg über den Schmutz muss mit eigener Kraft errungen werden, sonst macht der Frühjahrsputz nicht glücklich. Außerdem wühlt der Mensch an sich gerne im Dreck: „Kinder haben Spaß am Schmutz. Das wird uns zwar aberzogen, aber es lebt in uns weiter“, sagt Berghaus. „Wir haben eine geheime Lust, den Kontakt mit Schmutz und Schmiere zu suchen.“

Muskelkraft reicht nicht

Bei aller Leidenschaft: Die eigenen Hände und bloße Muskelkraft reichen in der Regel nicht aus, um den Dreck in der Wohnung in den Griff zu bekommen. Die Deutschen geben im Jahr knapp 2,8 Milliarden Euro für Reinigungsmittel aus, allein 55 Millionen Euro für Glas- und 222 Millionen für WC- Reiniger. Diese Ausgaben sind laut Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel seit 1999 kaum gestiegen: Im Jahr 2003 haben die Verbraucher gerade mal ein Prozent mehr für Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel ausgegeben als 1999. Allerdings haben sich die Produkte verändert: „Vor ein paar Jahren war alles antibakteriell, heute ist das definitiv kein Trend mehr“, sagt Marion Neumann vom Hersteller Henkel.

Aktuell auf dem Markt ist heute alles, was Hausfrau oder -mann sofort wieder los wird: Wischlappen zum Wegwerfen oder Einweg-Aufnehmer sind inzwischen Standard in den Supermärkten. Sie ersparen das lästige Auswaschen von Lappen und Mopp, alle Putzüberreste verschwinden sofort in der Mülltonne. Damit lösen sie das größte psychologische Problem beim Putzen: die Reste, sagt Marktforscher Berghaus. Das Wegwerf- Sortiment passe gut in eine Zeit, in der alles besonders schnell gehen soll. Einweg-Produkte machen inzwischen laut Hersteller Vileda knapp 40 Prozent des Marktes für Bodenreinigung aus. Menschen kämpfen also weiter in vorderster Front gegen Staub und Flecken, nur der Weg zum Sieg wird kürzer.

Die Zeit von „Wisch und Weg“ ist auch die Zeit so genannter Easy&Clean-Klos und selbstreinigender Backöfen. Sie sind aus einer Keramik gefertigt, die Schmutz abweist. Sie ist heute nichts Besonderes mehr in den Sortimenten der Badausstatter. Die Firma Villeroy & Boch ist 1999 als erste mit derartigen Oberflächen auf den Markt gekommen, heute verkauft das Unternehmen etwa 90 Prozent seiner Keramikware mit „ceramicplus“ – für 50 Euro Aufpreis pro Stück. Helmut Schmitt, Geschäftsführer des Instituts für neue Materialien, bescheinigt den Nutzen dieser Oberflächen: Der Putzaufwand sei „dramatisch niedriger, vielleicht 30 Prozent im Vergleich zu vorher“. Er prophezeit, dass zu den Duschen, Waschbecken und Toiletten, die sich jetzt schon still und ständig gegen den Schmutz wehren, bald ähnliche Fliesen kommen werden. „Diese Marktentwicklung wird auch auf die Wände übergehen“, sagt Schmitt. Dann werden die Fliesen den Dreck nicht nur abstoßen, sondern sich selbst desinfizieren. Klingt fast, als müssten Putzfrauen um ihre Jobs fürchten.

Der „RoboCleaner“ von Kärcher ist eine ähnliche Bedrohung für die Zunft der Reinigungskräfte: Er staubsaugt alleine – ohne Mensch – und zwar 15 Quadratmeter Teppich pro Stunde. Während sein Besitzer schon die Wanne schrubbt oder im Büro sitzt, sucht sich der rundliche Roboter per Infrarot den Weg über die Teppichflusen – vorbei an Stuhlbeinen und Pantoffeln. Kärcher lässt sich die elektronische Haushaltshilfe allerdings nicht zu billig bezahlen: Der „RoboCleaner“ kostet knapp 1500 Euro. Der „Trilobite“ von Elektrolux funktioniert ähnlich, sein Preis liegt bei etwa 1100 Euro. Allerdings hat „Trilobite“ in einem Test vom TÜV Rheinland auf dickeren Teppichen etwas geschwächelt. Die Konkurrenz aus Amerika ist mit Geräten zu Kampfpreisen in den deutschen Markt eingestiegen: Der „Roomba Robotic FloorVac“ ist für knapp 300 Euro auf dem Markt. Auch dieser Staubsauger kurvt selbstständig umher, und das genauso schnell wie seine deutschen Kollegen.

Ein bisschen Schmutz bleibt

Unter den drei Geräten ist der „RoboCleaner“ das einzige, das erkennen kann, wie dreckig der Boden ist. Je nachdem bearbeitet er den Teppich intensiver oder kürzer. Alle Haus-Roboter hatten im TÜV-Test Probleme, Dreck aus den Ecken zu putzen. So bleibt am Ende doch noch ein kleines Jagdrevier für den Menschen: Ein bisschen Schmutz, das noch mit bloßen Händen bezwungen werden muss und glücklich macht.

Ragna Sieckmann

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