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Wirtschaft: Die geplünderte Schatzkammer Afrikas

Konzerne aus dem Westen haben sich im Kongo Konzessionen gesichert / Miserable Infrastruktur

Kapstadt - Lange sind auf dem Flug von Lubumbashi nach Westen nur grüne Hügel und mäandrierende Flussläufe zu sehen. Doch dann klafft da unten plötzlich diese riesige offene Wunde: braungraue Erde, auf Halde geschüttet und platt gewalzt. Bei genauerem Hinschauen glitzern die abgeschabten Wände kupferrot und malachitgrün. Diese Erze liegen hier in Kolwezi, im Süden des Kongo, fast direkt an der Oberfläche.

Als die belgischen Kolonialherren einst den Rohstoffreichtum ihrer Kolonie entdeckten, konnten sie ihr Glück kaum fassen. Insgesamt birgt der Kongo, der zum Zeitpunkt seiner Unabhängigkeit einen höheren Industrialisierungsgrad als Brasilien aufwies, rund 40 Prozent der weltweiten Kobaltvorräte und große Mengen anderer strategischer Metalle wie Kupfer, Zink, Coltan, Wolfram und Kadmium. Daneben besitzt der Kongo die weltweit größten Vorkommen an Industriediamanten. Doch an seinen 60 Millionen Menschen ist der Reichtum in den letzten fünf Jahrzehnten fast spurlos vorbeigegangen.

Die Plünderung der Rohstoffvorkommen und der Verfall der Gruben ist umso bedrückender als noch vor 15 Jahren aus dem Minengelände von Kolwezi jedes Jahr mehr als 400 000 Tonnen Kupfer von höchstem Reinheitsgrad geschürft wurden. 2004 wurden im gesamten Kongo nach offizieller Statistik indes nur noch 21 000 Tonnen Kupfer gefördert.

Der Produktionseinbruch liegt zum einen daran, dass es in dem Land von der Größe Westeuropas zurzeit kaum noch eine wirklich befahrbare Straße oder Eisenbahnlinie gibt. Die Machthaber haben die Infrastruktur total verfallen lassen. Dadurch wird bereits der Abtransport des Kupfers zu einem logistischen Albtraum. Die Bahnlinie nach Sambia ist baufällig und viele Straßen den schweren Lastern nicht gewachsen.

Auch sind Geschäfte in dem von Korruption gelähmten Land zudem meist nur dann zu machen, wenn man alteingesessene und mit den Lokalfürsten eng vernetzte Partner hat. „Ohne Kontakte läuft hier gar nichts“ sagt ein seit langem im Kongo tätiger Unternehmer, der verständlicherweise anonym bleiben will.

Symptomatisch dafür ist auch, dass der längst abgeschlossene Bericht eines parlamentarischen Ausschusses über die illegale Konzessionsvergabe nicht veröffentlicht wurde. Immerhin ist bekannt, dass der US-Bergbauriese Phelps Dodge im August letzten Jahres die Rechte zum Abbau der größten bislang unerschlossenen Kupferreserven in Katanga erworben hat. Ihr Wert wird auf fast 90 Milliarden Dollar geschätzt. Für die Konzession sollen offiziell aber gerade einmal 15 Milliarden Dollar bezahlt worden sein. Beobachter gehen davon aus, dass die Familie um Staatschef Joseph Kabila an diesem Geschäft gut mitverdient hat. Kenner in Kinshasa munkeln, der junge Präsident habe im Verlauf seiner fünfjährigen Amtszeit bereits ein Privatvermögen von einer Milliarde Dollar angehäuft.

Zu Zeiten des Diktators Mobutu Sese Seko wurden Kupfer und Kobalt noch fast ausschließlich von der staatlichen Minengesellschaft Gecamines abgebaut. Das hoffnungslos aufgeblähte Unternehmen hatte damals 33 000 Beschäftigte. Heute ist der Unternehmenssitz in Lubumbashi heruntergekommen – und das Rohmaterial wird zur Veredelung aus dem Land geschafft, zumeist ohne dass es in offiziellen Statistiken auftaucht. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, überbietet sich die kongolesische Regierung derweil mit immer neuen Investitionsanreizen: Exporterleichterungen, eine radikale Reform des Steuerwesens sowie eine zentrale Anlaufstelle für alle Investoren. Gleichwohl werden die guten Absichten spätestens dann zur Makulatur, wenn man bedenkt, dass im Kongo noch immer kaum ein Beamter bezahlt wird – und viele deshalb auf Schmiergelder angewiesen sind. Auch die Rechtssicherheit ist so gut wie unbekannt, weil selbst Richter gar nicht oder nur sporadisch bezahlt werden und nach weiteren Einkunftsquellen suchen.

Immerhin sind die im Osten und Süden stationierten Uno-Truppen inzwischen beauftragt worden, die Gruben, Bergwerke und Konzessionen nach dem Abzug der Kriegsparteien unter die Kontrolle legal operierender Firmen zu stellen. Mehrere Bergbaufirmen, vor allem aus Kanada, Australien und Südafrika, haben sich inzwischen potenzielle Lagerstätten von Kupfer, Kobalt und Gold gesichert. Insgesamt steuerte der Bergbausektor im letzten Jahr mehr als 15 Prozent zum Sozialprodukt bei.

Darüber hinaus produziert die kongolesische Wirtschaft indes noch immer so gut wie nichts. Der Export spielt, abgesehen von etwas Tropenholz und Strom, fast keine Rolle. 2004 standen Importen aus Deutschland im Wert von 66 Millionen Euro kongolesische Exporte nach Deutschland im Wert von knapp zehn Millionen Euro gegenüber. Allerdings wächst das Interesse. Der in Hamburg ansässige Afrikaverein unternahm im April eine Unternehmerreise in den Kongo – die größte in den letzten 30 Jahren. Daran beteiligt waren Straßenbauer, Bankiers, Rechtsanwälte und Ingenieure. „Das Land ist im Aufbau und viele Nischen sind noch unbesetzt“ schwärmt Wolfgang Knörle, Leiter der Wirtschaftsdelegation. Das trifft sicher zu. Doch ebenso groß sind die Risiken - und von viel Aufbauarbeit ist auch nach drei Jahre Übergang noch nicht viel zu sehen.

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