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Wirtschaft: Die getarnten Müller

Tagsüber geht Volker Schwörer in Stuttgarts Straßen auf Streife, dann jagt er Verkehrssünder und Verbrecher. Nach Dienstschluß streift der Polizeibeamte durch Discounter- und Supermärkte, auf der Suche nach Hinweisen auf die Hersteller von Aldis und Edekas Eigenmarken.

Tagsüber geht Volker Schwörer in Stuttgarts Straßen auf Streife, dann jagt er Verkehrssünder und Verbrecher. Nach Dienstschluß streift der Polizeibeamte durch Discounter- und Supermärkte, auf der Suche nach Hinweisen auf die Hersteller von Aldis und Edekas Eigenmarken.

Mit kriminologischem Gespür hat Schwörer herausgefunden, dass die Firma Zott den Milceso Mozzarella für Aldi und die Firma Bauer den Joghurt für die Edeka-Handelsmarke Mibell produziert. Denn die Herstellerunternehmen haben auf den Produkten Spuren hinterlassen, Spuren die sie eindeutig als "Täter" überführen. "Auf der Verpackug von allen Milch-, Fleisch- und Fischwaren ist eine Veterinärkontrollnummer abgedruckt, die den Herkunftsbetrieb identifiziert", erklärt Hobby-Warendetektiv Schwörer seine Beweismethode. Und diese Nummer ist immer gleich, egal unter welchen Namen das Produkt ins Regal wandert.

Das Ergebnis von Volker Schwörers privaten Ermittlungen haben deutsche Konsumenten bereits geahnt: 72 Prozent der Verbraucher sind laut einer Studie der Handelsorganisation Markant davon überzeugt, dass Handelsmarken von namhaften Markenartiklern hergestellt werden. Und 70 Prozent sehen sogar zwischen Handels- und Industriemarken keinen Unterschied. Doch Vorsicht Verbraucher! Nur weil ein Eigenmarken-Produkt aus den Fertigungsanlagen eines großen Markenherstellers kommt, muss noch lange nicht das Gleiche drin sein.

Denn zwischen Handelsmarken und Originalprodukten liegen die Unterschiede nicht nur in der Gestaltung der Verpackung, sondern auch in der Qualität des Inhalts. Zwar sprechen die prominenten Markenhersteller ihren Discountprodukten den guten Geschmack nicht ab. Doch betonen alle Unternehmen, dass ihre Erzeugnisse für Handelsmarken nicht an ihre Originale heranreichen. Denn sie werden separat abgefüllt, oft sogar an einem anderen Standort oder über eine Tochtergesellschaft produziert und vertrieben.

So richtet die Firma Zott ihre Produktion für Handelsmarken ganz nach den Preis- und Produktvorgaben der Discounter aus. Schließlich ist Aldi der Kunde und wir der Dienstleister, heißt es beim Zott-Werk in Mertingen, das Aldi mit Milchprodukten beliefert. Die Mertinger sprechen nicht gerne über das Thema "Handelsmarken", schon gar nicht in der Presse. Doch zumindest über ihren Joghurt verraten sie, dass die Vorgaben der Discounter zu Geschmacksrichtung, Fettgehalt und Endpreis ein anderes Produkt ergeben, als die hauseigenen Produkte wie beispielsweise der Zott-Klassiker "Starfrucht". Bei der Billigproduktion von Mozarrella hat das Unternehmen allerdings bei der Auswahl von Inhaltsstoffen, Aromen und Fettgehalt weniger Spielraum. Denn hier schreibt das Markenschutzgesetz genau vor, wie der Käse hergestellt werden muss.

Eine klare Stellung in Sachen Handelsmarken beziehen der Lebensmittelhersteller Freiberger und das Schokoladenhaus Stollwerck, das kürzlich wegen der Salmonellen in der Aldi-Schokolade ins Gerede gekommen war. Produktionsleiter Egon Gredig erklärt, dass die Grundstoffe für alle Schokoladenmarken gleich sind, wie es auch in der Lebensmittelverordnung festgelegt ist. Egal ob nun für Discounter oder die eigenen Label "Sprengel" und "Sarotti" produziert werde. "Das heißt aber nicht, dass sich die Schokolade aus unserem Haus nur in der Verpackung unterscheidet", sagt Gredig. Die einzelnen Discounterproduktionen würden separat angesetzt und einzeln abgearbeitet.

Freiberger, die Herstellerfirma der Pizza "Alberto", beliefert nach eigenen Angaben auch die Marken von Aldi und Lidl und ist europaweit in den Tiefkühlregalen von Discountern vertreten. Dabei werden laut Unternehmenssprecher Helmut Morent die eigenen Markenpizzen am Hauptstandort Berlin gefertigt, die Discountmarken hingegen in zwei süddeutschen Werken produziert. Mehr als 400 verschiedene Pizzasorten hat Freiberger im Angebot. Dabei mache das Discountgeschäft mit 70 Prozent den Löwenanteil der Produktion aus, sagt Morent. Allerdings unterscheiden sich die Discount-Produkte von der Alberto-Pizza in Größe, Geschmack, Gewicht und auch in der Portionierung sowie Qualität der Salamistücke.

Dass No-Name-Pizzen von Discountern trotz Variation der Zutaten nicht unbedingt schlechter sind als das Original, fanden die Verbraucherschützer von Stiftung Warentest heraus. Sie beurteilten sowohl die Freiberger Markenpizza "Alberto" als auch die Freiberger Aldi-Pizza "Baroni" mit gut.

Auch Branchenexperten sind sich einig, dass heutzutage zwischen Handels- und Industriemarken geschmacklich und qualitativ nur noch marginale Unterschiede bestehen - zumal oft der gleiche Hersteller dahinter steckt. Allerdings ist der Eifer der Markenartikler bei der Produktion für Handelsmarken nicht immer so groß gewesen. "Dass ein Unternehmen wie Müller für diesen Sektor produziert, war vor zwanzig Jahren noch undenkbar", sagt Markenexperte Volker Dölle. Er mischt seit 1977 im Handelsmarkengeschäft mit und hat die Rewe-Marken "Ja!" und "Die Weissen" erschaffen. Damals musste Dölle sich die Hersteller noch im Ausland suchen, da kein deutsches Markenunternehmen bereit war, für den niedrig-und mittelpreisigen Sektor zu produzieren. Doch nun stagniere der Umsatz der Premium-Marken, sagt Dölle. "Daher müssen die namhaften Produzenten jetzt ihre Überkapazitäten abbauen."

Und so sind die Handelsmarken aus den Einkaufsregalen nicht mehr wegzudenken. Allein der Lebensmittelhandel setzt in diesem Bereich jährlich 8,2 Milliarden Euro um. Bei Frischeprodukten liegt der Marktanteil von Handelsmarken mittlerweile bei über 40 Prozent - Tendenz steigend. "Das Geschäft mit Handelsmarken ist derzeit ein stark wachsendes Marktsegment", bestätigt Peter Barrenstein von McKinsey. Barrenstein berät Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie und weiß, dass Markenartikler, die Discounter und Supermärkte beliefern, viel Geld verdienen. "Die Produktionskosten sind gering und Vertriebs- und Marketingaktivitäten nicht erforderlich", erklärt Barrenstein.

Doch trotz der steigenden Anzahl von Markenherstellern bei Niedrigpreislabeln schweigen viele Unternehmen über diese Art von "Nebenverdienst". Zugeknöpft gibt sich die Molkerei Alois Müller GmbH & Co. in Fischach-Aretsried. Obwohl Müller als Handelsmarkenproduzent in den meisten Discounterketten vertreten ist, gibt die Presseabteilung trotz mehrmaliger Anfrage keine Auskunft über Fremdproduktionen. Dabei ist Müller mit den Veterinärkontrollnummern D-SN 016 (produziert bei der Sachsenmilch AG in Dresden Leppersdorf) und D-BY 718 (Müllerwerk Aretsried) beim Discounter Penny Markt der Milchreis-König in den Kühlregalen. Denn bei Penny gibt es zwei Milchreis-Marken im Angebot: Die von Müller produzierte Handelsmarke "Elite" und das Original aus dem Hause Müller. Wohl doch alles Müller - oder was?

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