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Wirtschaft: Die "goldenen" Zeiten sind endgültig vorbei

FRANKFURT (MAIN) . Die Talfahrt ist zwar ein wenig ins Stocken geraten, aber für die Experten steht fest: Gold hat seinen Glanz verloren, einen nachhaltigen Aufschwung wird das Edelmetall nicht mehr erleben, mehr als 300 Dollar je Feinunze sind nicht wieder zu erwarten.

FRANKFURT (MAIN) . Die Talfahrt ist zwar ein wenig ins Stocken geraten, aber für die Experten steht fest: Gold hat seinen Glanz verloren, einen nachhaltigen Aufschwung wird das Edelmetall nicht mehr erleben, mehr als 300 Dollar je Feinunze sind nicht wieder zu erwarten. Derzeit werden nicht einmal 260 Dollar gezahlt. Angesichts der steigenden Attraktivität von Wertpapieren und der Tatsache, daß es keine oder über die Goldanleihe nur sehr niedrige Zinsen abwirft, sinkt auch das Interesse von Zentralbanken, ihre Reserven weiter in Form von Gold zu halten.

Das britische Schatzamt hatte den jüngsten Preissturz des Edelmetalls ausgelöst: Die Briten wollen ihre Goldreserven in den nächsten Jahren von 715 auf 300 Tonnen reduzieren. Die einzigen, die Goldverkäufe derzeit mit Wohlwollen betrachten können, sind die 41 ärmsten Entwicklungsländer. Das Geld für die geplante Entschuldung durch die Industrieländer soll unter anderem durch den Gold-Verkauf aus den Beständen des Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgebracht werden.

Ansonsten herrscht Ernüchterung, die Händler am Goldmarkt sind verunsichert, auch wenn Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer Anfang Mai betonte, Gold bleibe ein wichtiger Bestandteil der Zentralbankreserven. Der Markt schenkt solchen Beteuerungen keinen Glauben mehr. Innerhalb weniger Tage gab der Goldpreis Ende Mai um rund 20 Dollar je Feinunze (eine Feinunze sind 31,1035 Gramm) auf unter 270 Dollar nach. So billig war Gold seit 20 Jahren nicht mehr. In der vergangenen Woche war die Feinunze dann nicht einmal mehr 260 Dollar wert.

Bernhard Gräf, Rohstoff-Experte bei der Deutsche Bank, hält die Entwicklung für übertrieben. Schließlich entsprechen die von den Briten geplanten Gold-Verkäufe nur etwa 3,5 Prozent der Menge Gold, die jedes Jahr weltweit angeboten wird. 1998 waren das 3650 Tonnen. Gräf verweist auch darauf, daß in den vergangenen Jahren schon viel mehr Gold verkauft worden sei: Die holländische Notenbank etwa stieß seit 1994 rund 525 Tonnen ab, die belgische Zentralbank sogar über 700 Tonnen.

Aber der Schritt der Briten ist trotzdem ein Einschnitt. Denn erstmals kündigte die Zentralbank eines G 7-Landes einen umfangreichen Goldverkauf an. Es ist ein unverblümter Hinweis darauf, daß die Zentralbank ihre Reserven künftig gewinnbringender anlegen wird. Und da dürfte Gold eine nicht mehr so wesentliche Rolle spielen wie bisher. Die Briten wollen 40 Prozent der Erlöse aus den Goldverkäufen in Dollar und Euro, den Rest in Yen anlegen. Auch die Schweiz hat angekündigt, daß sie sich in den nächsten zehn Jahren von der Hälfte ihres Goldes - etwa 1300 Tonnen - trennen will. Das bringt andere Zentralbanken in Zugzwang. Auch die Bundesbank muß sich nach Ansicht von Beobachtern Gedanken darüber machen, wie sie den ihr - von den Bundesbürgern - anvertrauten (Gold-) Reichtum professioneller verwaltet.

Berücksichtigt man die Pläne des IWF, so könnten nach Angaben von Gräf in den kommenden zehn Jahren etwa 2000 Tonnen der offiziellen Goldreserven verkauft werden. Was den Druck auf den Goldpreis auf Dauer aufrechterhalten würde. Ein Goldpreis vom mehr als 300 Dollar je Feinunze ist nach Ansicht von Gräf nicht mehr drin.

Warum sollten Notenbanken in Zukunft ihre Reserven überhaupt noch in Gold halten? Sie könnten dadurch, sagt Gräf, die Risiken bei der Verwahrung ihrer Reserven verteilen, Gold unterliege keinem Wertverlust durch Inflation, es habe in der Öffentlichkeit immer noch einen guten Ruf, und über die Goldanleihe bringe das Edelmetall immerhin noch eine Rendite von zwei Prozent. Mehr allerdings spricht nicht für Gold: Die "goldenen" Zeiten scheinen vorbei zu sein.

Die größten Goldreserven halten immer noch die USA mit 8138 Tonnen. Das ist über die Hälfte aller Reserven. Die Bundesbank verfügt mit 3469 Tonnen über den zweitgrößten Goldschatz vor dem IWF mit 3217 Tonnen. Die Europäische Zentralbank bringt es auf 747 Tonnen. Am meisten benötigt wird das Edelmetall von Schmuckherstellern. Von ihnen wurden 1998 knapp 3150 Tonnen nachgefragt. In der Industrie, vor allem in der Elektronik wurden rund 550 Tonnen benötigt. Größter Goldproduzent ist mit einem Weltmarktanteil von 24 Prozent Südafrika, gefolgt von den USA (14 Prozent) und Australien (12 Prozent).

Die 41 ärmsten Entwicklungsländer können sich nach Ansicht von Rohstoff-Experte Gräf nur bedingt über den IWF-Gold-Verkauf zur Linderung ihrer Schuldenlast freuen. "Das könnte sich als Bumerang erweisen". Denn einige dieser Länder erzielen einen Großteil ihrer Exporterlöse durch den Verkauf von Gold. Und der Preis dafür würde durch die IWF-Gold-Pläne weiter gedrückt.

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