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Wirtschaft: Die Grünen verlangen ein einfacheres Steuersystem

Finanzexpertin Scheel sieht große Chance für simplere Regeln und niedrigere Tarife – lehnt aber die Ideen der Opposition ab

Berlin (asi). Nach der Union denken nun auch die Grünen über eine große Steuerreform nach. „Die Komplexität des deutschen Steuerrechts ist nicht mehr tragfähig“, sagte die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel, am Dienstag in Berlin. Im nächsten Jahr müsse deshalb über eine „radikale Steuervereinfachung“ gesprochen werden.

Im Gegensatz zu den Reformkonzepten der Union (Kirchhof, Merz und CSU) setzen die Grünen allerdings nicht in erster Linie auf eine Senkung der Steuersätze. „Wir brauchen keine Spirale der Gier nach dem niedrigsten Spitzensteuersatz.“ Wie hoch dieser sei, sei letztlich nicht entscheidend, sagte Scheel. „Viel interessanter ist, ab welchem Einkommen der höchste Tarif gezahlt werden muss.“ Die Grünen setzen deshalb darauf, das steuerfreie Existenzminimum zu erhöhen, und zwar „in Richtung 8000 Euro“, die Tarifsteigerungen für mittlere Einkommen zu senken, die Wirkungen der so genannten kalten Progression abzuschaffen und das Einkommen zu senken, ab dem der Spitzensteuersatz gezahlt werden muss. Anders als Kirchhof und der UnionsFraktionsvize Friedrich Merz will Scheel keinen Umstieg vom linearen Tarif zum Stufentarif. Dies führe letztlich zu großen Ungerechtigkeiten, vor allem bei mittleren Einkommen, sagte die Grünen-Politikerin. Sie lege Wert auf ein „faires System, bei dem die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erhalten bleibt“. Das Kirchhofsche Drei-Stufen-Modell führe indes zu einer „überproportionalen Entlastung großer Einkommen“.

Zur Finanzierung einer solchen Reform wollen die Grünen sämtliche steuerlichen Subventionstatbestände abschaffen. Genau wie die Union argumentiert Scheel, dass eine Vereinfachung des deutschen Steuersystems nur gelingen könne, wenn sämtliche Ausnahmen, wie Zulagen oder Pauschalen, verschwinden. Ausdrücklich schloss Scheel darin auch die steuerfreien Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge ein. „Die gehören auf den Tisch der Tarifpartner und nicht ins Steuerrecht.“

Die Chancen, eine über die Eichelsche Reform des Jahres 2000 hinausgehende Steuerreform politisch durchsetzen zu können, bezeichnete Scheel als „so hoch wie noch nie“. Vor einem „Wettbewerb um die besten Konzepte“ verlangte die Grünen-Politikerin allerdings von der Union, der vorgezogenen Steuerreform der Koalition und dem Subventionsabbau im Haushaltsbegleitgesetz zuzustimmen. Dies sei „der erste Schritt, dann sehen wir weiter“.

Außerdem forderte Scheel „mehr Ehrlichkeit“ von allen Interessenten an einer großen Reform des Steuersystems. „Die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen müssen finanzierbar sein“, sagte sie. Deshalb müsse jeder, der ein Konzept zur Steuervereinfachung vorlege, auch Auskunft darüber geben, wie es finanziert werden soll. Dem Konzept von Paul Kirchhof warf Scheel vor, es werde für einen Übergangszeitraum von acht bis zehn Jahren „so viel Geld kosten, dass wir eine Senkung der Neuverschuldung vergessen können und auch über eine Mehrwertsteuererhöhung diskutieren müssen“.

Im aktuellen Streit zwischen Koalition und Opposition über das Vorziehen der letzten Stufe der Steuerreform stellte Scheel klar, dass sie es für „klüger“ halte, bei der Entlastung aller Einkommensgruppen zu bleiben. Ein Kompromissvorschlag der Länder Hamburg und Bremen, die Steuerreform nur teilweise vorzuziehen, werde jedoch, sollte er Mehrheiten im Bundesrat und letztlich im Vermittlungsausschuss finden, von den Grünen nicht blockiert, versicherte sie.

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