zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Die heimlichen Giftmischer von New York Eine kleine Kanzlei hilft Firmen gegen eine feindliche Übernahme

Hell erleuchtet waren die Büros der New Yorker Kanzlei Watchell, Lipton, Rosen & Katz am späten Montagabend. In einem Konferenzraum im 33.

Hell erleuchtet waren die Büros der New Yorker Kanzlei Watchell, Lipton, Rosen & Katz am späten Montagabend. In einem Konferenzraum im 33. Stock eines Hochhauses in Midtown Manhattan brütet der Aufsichtsrat des Mobilfunkers AT&T Wireless über den Kaufgeboten von Cingular und Vodafone. Ein Stockwerk höher diskutiert das Aufsichtsgremium von Walt Disney per Videokonferenz mit den Anwälten, ob und wie das feindliche Übernahme-Angebot des Kabelkonzerns Comcast abgewehrt werden kann. Und in einem dritten Büro der Kanzlei arbeiten Anwälte an der 46-Milliarden-Euro-Offerte des französischen Pharmakonzerns Sanofi-Synthélabo für Aventis.

Watchell, Lipton, Rosen & Katz ist einer der Spezialisten für Fusionen und Übernahmen. Der Rat der Anwälte um den 72-jährigen Martin Lipton ist in allen drei großen aktuellen Fusionsprojekten gefragt. Dabei ist die 1965 gegründete Firma relativ klein: Weniger als 200 Anwälte arbeiten für sie. Nicht mal zehn Stockwerke belegt Watchell Lipton in dem Hochhaus in Manhattan, ihrem einzigen Standort. Zum Vergleich: Der Konkurrent Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom beschäftigt 1800 Juristen, und das weltweit. Nach Umsatz belegt Watchell Lipton der Fachzeitschrift „American Lawyer“ zufolge nur Rang 51 der US-Kanzleien. Doch der Gewinn je Partner lässt die großen Rivalen vor Neid erblassen. Mit 2,9 Millionen Dollar liegt Watchell Lipton an der Spitze.

Martin Lipton ist in der Branche als Erfinder der „Poison Pill“, der Giftpille, berühmt. Das inzwischen 22 Jahre alte Instrument macht eine feindliche Übernahme für den Angreifer so teuer, dass sie sich nicht mehr lohnt. Dazu gibt es eine ziemlich wirksame Methode: So kann etwa die Zahl der umlaufenden Aktien verdoppelt werden.

Unumstritten ist Lipton allerdings nicht: So hat er den Ex-Chef der New Yorker Börse Richard Grasso beraten, der wegen Bezügen in dreistelliger Millionenhöhe gehen musste. Lipton saß im Board der Börse – ein ethischer Konflikt für einen Anwalt, sagen Kritiker.

Um Liptons Kunden Disney ist es in den vergangenen Tagen ruhiger geworden. Der Kurs des Angreifers Comcast ist gesunken, und damit auch der Barwert des Kaufangebotes. Doch der Konzern ist gegen feindliche Übernahmen schlecht gewappnet. Die Aufsichtsgremien sind nicht mehr überwiegend mit Getreuen Eisners besetzt. Zwei Drittel der Mitglieder sind heute von Disney unabhängig, es wird jährlich neu gewählt und den Vorsitz führt nicht mehr Eisner selbst, sondern Ex-Senator George Mitchell.

Das erklärt auch die Reaktion auf den Angriff von Comcast: Zwar lehnte das Board ab, ließ aber die Tür für eine höhere Offerte offen. Eisner lässt sich zwar nun vom Giftpillen-Experten Lipton beraten, aber für jede Abwehrmaßnahme bräuchte er die Zustimmung des Boards. Und jede Aktion, die als Schutz des Managements zum Nachteil der Aktionäre ausgelegt werden könnte, wird fast automatisch eine Klage nach sich ziehen.

Ob Lipton Eisner viel helfen kann oder nicht – für ihn und seine Kanzlei dürfte sich der Auftrag auf alle Fälle lohnen. Diese Woche durften die Anwälte jedenfalls erst einmal den Verkauf von AT&T Wireless an Cingular feiern: „Es gab Veuve Cliquot für alle“, sagte ein Jurist.HB/WSJ

Jens Eckhardt[Robin Sidel], Dennis K. Berman

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false