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Wirtschaft: Die Illusion von der Einheits-Waschmaschine

Der amerikanische Marktführer Whirlpool hat sich in Europa verkalkuliert / Die Konkurrenz war stärker als erwartetVON GREG STEINMETZ UND CARL QUINTANILLADie Whirlpool Corp.stieg vor neun Jahren im großen Stil ins europäische Geschäft ein.

Der amerikanische Marktführer Whirlpool hat sich in Europa verkalkuliert / Die Konkurrenz war stärker als erwartetVON GREG STEINMETZ UND CARL QUINTANILLADie Whirlpool Corp.stieg vor neun Jahren im großen Stil ins europäische Geschäft ein.Sie glaubte, daß der europäische Markt für Weiße Ware, damals mit einem Volumen von 20 Mrd.Dollar und einer Vielzahl von wenig profitablen Unternehmen, amerikanischer werden würde.Die Branche hätte keine andere Wahl, glaubte Whirlpool, als sich zu konsolidieren, so daß nur eine Handvoll Unternehmen übrigbleiben würde.Und Amerikas größter Hersteller von Haushaltsgeräten wollte eines dieser Unternehmen sein. Entgegen den Erwartungen änderte sich der Markt nicht.Nur der Wettbewerb wurde härter.Die beiden größten Wettbewerber von Whirlpool, die schwedische Elektrolux und die deutsche Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH, erhöhten ihre Produktivität und Effizienz im gleichen Tempo wie Whirlpool.Auch die kleineren Unternehmen ließen sich nicht abhängen. Das Ergebnis war für Whirlpool enttäuschend.Statt - wie erwartet - einen Marktanteil von 20 Prozent zu erreichen, sind es heute 12 Prozent.Die Profite bleiben ebenfalls hinter den Erwartungen zurück.In den USA liegt beispielsweise der Gewinn der Firma Benton Harbor aus Michigan bei zehn Dollar je 100 Dollar Umsatz.In Europa sind es gerade mal 2,30 Dollar bei gleichem Umsatz.Jetzt kämpft sich Whirlpool durch seine zweite Umstrukturierung in Europa.Die Ziele sind zwar dieselben geblieben, doch jetzt räumt Whirlpool ein, daß es viel länger dauern wird, sie zu erreichen."In Europa erleben wir gerade das fünfte Jahr einer zehn Jahre andauernden Restrukturierungsphase", sagt Jeff Fettig, der das Europa-Geschäft von der Zentrale im italienischen Comerio aus führt.Er gesteht ein, daß sein Unternehmen "den Wettbewerb unterschätzt hat". Was sich bei den Herstellern von Haushaltsgeräten tut, ist bei allen Industriezweigen in Europa zu beobachten.Den Europäern ist klar geworden, daß sie nicht zusehen können, wie sich ausländische Unternehmen auf ihrem Gebiet breitmachen.Sie haben sich auf den globalen Wettbewerb vorbereitet, indem sie Arbeitskräfte entließen, ihren Kerngeschäftsbereich stärkten und sich mehr auf die Profite konzentrierten.Die neue Konzentration auf Wettbewerbsfähigkeit verändert alles - von den Stahlkonzernen über die Werkzeugmaschinenbauer bis hin zu den Autoherstellern.Michael Endres, Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bank, ist erstaunt, wie schnell die Industrie von einer regionalen Orientierung auf eine globale umgeschwenkt ist."Das ist wie die Wiederbelebung des sogenannten amerikanischen Rust-Belts (Rostgürtels) in den 80er Jahren", sagt er. Im Jahr 1987, als Whirlpool erstmals überlegte, nach Europa zu expandieren, schien das die Lösung für die Probleme im eigenen Markt zu sein.Weil große Einzelhandelsketten wie WalMart und Sears, Roebuck & Co.Rabatte verlangten, wurde das US-Geschäft von Whirlpool immer weniger profitabel.Europa schien eine gute Lösung, weil der Markt aus amerikanischer Perspektive reif für eine Konsolidierung war.Als Whirlpool seine Geschäfte nach Europa brachte, war der Markt noch sehr regionalisiert, weil die Kunden unterschiedliche Wünsche hatten.Die Schweden wollten beschichtete Waschmaschinen, die in der salzigen Luft keinen Rost ansetzten.Die Briten waschen ihre Kleidung öfter als die Italiener, sie wollen deshalb leisere Waschmaschinen.Und bei Herden waren die unterschiedlichen Anforderungen sogar noch größer.Durch die Vielzahl der Vorlieben bedingt gab es auch eine Vielzahl von Firmen. Aber Herr Whitwam, ein charismatischer Manager, der sich aus dem Vertrieb hochgearbeitet hatte, glaubte, daß die regionalen Unterschiede überbewertet seien.Er glaubte, daß sich der Markt auf den sogenannten "Welt-Wascher" zubewegte, eine Waschmaschine, die überall in der Welt verkauft werden könne.Der engere Zusammenschluß Europas, ein erklärtes Ziel der Politiker, würde das Überleben für kleinere Unternehmen erschweren, dachte er.Er erwartete, daß die Unternehmen, die innovative Produkte entwickeln und die Kosten reduzieren, sich das Geschäft unter den Nagel reißen würden - und damit eine Menge Geld scheffeln würden. Whitwam sah seine Chance 1989, als Deutschland wiedervereinigt wurde.Whirlpool kaufte die Mehrheit des angeschlagenen Haushaltsgeräte-Geschäfts von NV Philips, dem niederländischen Elektronik-Riesen.Zwei Jahre später käufte Whirlpool den Rest, die Ausgaben dafür kletterten auf 1,1 Mrd.Dollar.In den ersten Jahren lief das Geschäft gut.Die Gewinne stiegen jedes Jahr.Die Einheit reduzierte die Kosten, indem sie die Liste der Zulieferer abspeckte und handelsübliche Teile verwendete.Whirlpool überredete sogar die Mitarbeiter, für weniger Geld mehr zu arbeiten. Whitwam versuchte auch, die Unternehmenskultur zu verändern.Mit den Managern vor Ort stritt er über seine Ansicht, daß das, was in den USA funktionierte, auch in Europa klappt.Wenn Europäer ihn in den Staaten besuchten, zeigte er ihnen den Prototypen seines "Welt-Waschers".1994 beschrieb Whitwam den Fortschritt in Europa noch begeistert in einem Interview mit der Harvard Business Review. Ein Jahr später entließ das Unternehmen 2000 Mitarbeiter im Zuge einer konzernweiten Umstrukturierung.Die offiziellen Vertreter des Unternehmens blieben zuversichtlich.Auf einer Messe in Köln sagten sie voraus, daß Whirlpool seinen Marktanteil bei den Haushaltsgeräten in Europa verdoppeln und im Jahr 2000 die 20 Prozent erreichen würde. Die Wettbewerber waren höchst überrascht.Denn sie hatten ebenfalls ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöht.Allerdings war Bosch-Siemens mit anderen Dingen beschäftigt, als Whirlpool nach Europa kam.Wie viele deutsche Firmen in den frühen 90er Jahren wurde Bosch-Siemens von Ostdeutschland abgelenkt.Aber 1994 war das Unternehmen Marktführer im Osten und überlegte sich, wie es weitergehen sollte. Herbert Woerner, Bosch-Siemens-Chef, gefiel nicht, was er sah.Das Unternehmen machte den Großteil seines Umsatzes in Deutschland, einem gesättigtem Markt mit magerem Wachstumspotential.Er startete eine Offensive, um das Wachstum in Übersee anzuregen und begann mit einer Produktivitätskampagne im Inlandsgeschäft.Er eröffnete eine neue Fabrik in Deutschland, entgegen dem üblichen Gerede, der Standort hätte zu hohe Lohnkosten.Die Fabrik in Nauen in der Nähe von Berlin ist heute eine der produktivsten des Unternehmens.Bosch-Siemens startete zudem eine völlig neue Produktreihe.Keine Waschmaschine, kein Trockner, keine Spülmaschine und kein Herd, die noch vor drei Jahren verkauft wurde, werden heute noch hergestellt.Um die Position in Übersee zu stärken, begab sich das Unternehmen auf einen regelrechten Einkaufsbummel und investierte unter anderem in Peru, China, der Türkei und Spanien.So stieg der Umsatzanteil im Ausland innerhalb der vergangenen fünf Jahre von einem auf zwei Drittel. Der zähe europäische Wettbewerb war zuviel für die Maytag Corporation aus Iowa.Der drittgrößte europäische Haushaltsgeräte-Hersteller gab 1995 auf.Er verkaufte seinen Hoover-Geschäftsbereich in Europa mit einem Verlust von 130 Mill.Dollar."Europa ist einfach kein attraktiver Ort, wo man mal eben die etablierten Spieler vom Feld scheuchen kann", sagt Maytag-Chef Leonard Hadley.Whirlpool blieb zwar vor Ort, aber die Stärke der sogenannten etablierten Spieler trugen dazu bei, daß das Unternehmen einige schlechte Jahre hatte.Im gleichen Jahr, als Maytag sich vom europäischen Markt zurückzog, fiel Whirlpools Gewinn in Europa um mehr als 50 Prozent auf 92 Mill.Dollar.Ein Grund dafür: die Verunsicherung der Konsumenten.Vor allem die Deutschen sorgten sich mehr um ihre Jobs, als sich über den Kauf von Waschmaschinen oder Kühlschränken Gedanken zu machen. Noch sieht es im Geschäft mit der Weißen Ware für Whirlpool nicht viel besser aus, als vor neun Jahren.Die Zuversicht der Kunden ist zwar wieder gewachsen, der Wettbewerb bleibt aber hart.Im vergangenen August kündigte der neue Präsident der Elektrolux, Michael Treschow, eine weitere umfangreiche Restrukturierung an.Er erklärte, daß 25 Fabriken weltweit - die meisten allerdings in Europa - geschlossen werden sollten.12 000 Arbeitsplätze würden in den nächsten fünf Jahren gestrichen werden.Bosch-Siemens hat vor kurzem verkündet, daß seine Gewinne im Jahr 1997 stark gestiegen sind.Das Unternehmen plant, seine Geschäfte in Europa auszuweiten, eine neue Fabrik in Rußland zu bauen und die Produktion in einer bereits bestehenden Fabrik in Polen auszubauen. Inzwischen versucht Whirlpool, seine Position zu verbessern.In der Herd-Fabrik in Casinetta in Italien, befestigen die Arbeiter die Knöpfe an der Oberseite der Geräte, während eine Leuchttafel anzeigt, wie weit sie hinter oder vor dem geplanten Produktionsziel liegen.An diesem Tag sind sie um neun Einheiten zurück, haben aber eine ganze Stunde Zeit, das wettzumachen.Whitwam ist überzeugt, daß Whirlpool es ebenfalls packen wird."Wir haben es zu dem Zeitpunkt geglaubt, als wir den Geschäftsbereich von Philips kauften, und wir glauben es immer noch." Übersetzt und gekürzt von Sigrun Schubert (IWF, Whirlpool) und Joachim Hofer (Telekommunikation).

GREG STEINMETZ, CARL QUINTANILLA

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