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Wirtschaft: Die Immobilienhaie sterben aus

Die Branche sucht händeringend Akademiker. Gefragt sind insbesondere Projektentwickler und Führungsnachwuchs.

Christian Kadels Job ist das Makeln – auch wenn der Diplom-Kaufmann das nicht gerne hört. Schließlich sind die meisten seiner Kommilitonen von der bekannten European Business School in Oestrich-Winkel Unternehmensberater oder Investmentbanker geworden. Doch Kadels Geschäfte beim Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle unterscheiden sich kaum von denen im Investment-Banking: Gerade hat der Abteilungsleiter des Büroinvestment-Bereichs einen Anteil am Trianon-Hochhaus in Frankfurt, direkt neben den Türmen der Deutschen Bank, verkauft. 200 Millionen Euro war der Abschluss wert, Morgan Stanley und der Fonds P2Value seine Auftraggeber.

Für die Karriere im Immobiliensektor hat sich Kadel bewusst entschieden. „Die Gebäude erinnern mich immer daran, woran ich mal gearbeitet habe“, sagt Kadel, „als Aktienhändler wäre das nicht so."

Wer sein Wirtschafts- oder Jurastudium mit guten Noten abgeschlossen hatte, hatte eine Laufbahn in einer Kanzlei, Investmentbank oder im Staatsdienst vor sich. Heute sucht auch die Immobilienwirtschaft solche Akademiker, das US-amerikanische Immobilienunternehmen Jones Lang LaSalle zum Beispiel. Rund 70 Prozent seiner 700 Mitarbeiter in Deutschland haben einen Hochschulabschluss. Rund 100 neue Mitarbeiter will das Unternehmen 2013 einstellen.

Wer Immobilien makeln oder Kunden bei der Veräußerung von Liegenschaften beraten will, muss Spezialist sein – denn er verkauft Objekte mit komplizierter Finanzierung und komplexem Vertragswerk. Solche Makler erhalten ein in der Branche vergleichsweise hohes Fixgehalt: Schon Einsteiger ohne Spezialisierung liegen bei 3000 Euro, plus einen variablen Anteil vom Umsatz.

Die deutsche Immobilienwirtschaft insgesamt ist kleinteilig, aber bedeutend: Mit mehr als 700 000 Unternehmen und rund 3,8 Millionen Beschäftigten ist sie einer der größten Wirtschaftszweige. Zwar rechnet die Branche mit wenig Wachstum in den kommenden Jahren, doch die Anforderungen an die Beschäftigten haben sich gewandelt. Deshalb herrscht Bewegung am Arbeitsmarkt.

Ein neuer Typus Mitarbeiter ist gefragt: Immobilienhaie und Verwaltertypen weichen serviceorientierten Spezialisten. „Die Branche wird professioneller“, sagt Rackham Schröder, Geschäftsführer des Maklerunternehmens Engel & Völkers. Viele seiner 300 Makler haben einen Hochschulabschluss: „Makler brauchen ein anderes Verständnis“, sagt Schröder, „das ist kein Geschäft mehr, das man nebenbei auf dem Tennisplatz betreibt.“

„Das Zeitalter der Standardimmobilie ist vorbei“, betont auch Volker Eichener, Rektor des Europäischen Bildungszentrums der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ). Neue Gesetze zum Energiesparen, aber auch technische Anforderungen, wie die Steuerung der Hausanlagen über das Internet, verändern die Berufsbilder. Um die steigende Nachfrage nach gut ausgebildeten Immobilienfachleuten zu stillen, hat das EBZ reagiert: Ein neuer Master-Studiengang für Projektentwickler an der hauseigenen Fachhochschule startet im November. Die Studenten erwerben Know-how von der Grundstücksentwicklung bis zur Gebäudeübergabe.

Bislang war es Architekten, Ingenieuren oder Kaufleuten hierzulande kaum möglich, das Planen, Umsetzen und Vermarkten von Gebäudeprojekten in einem Spezialstudium zu erlernen. Doch die Projektentwicklung ist ein wachsendes Geschäft. Bei Renommierobjekten wie „MaxCologne“ in Köln oder dem „Operncarrée“ in Berlin, waren Projektentwickler am Werk. Und auch für die Immobiliensparte des Hochtief-Konzerns sind sie die gefragtesten Mitarbeiter. „Wir suchen Spezialisten mit Berufserfahrung“, sagt Personalleiterin Martina Steffen. Rund 50 neue Stellen hat sie 2013 zu besetzen.

Auf eine deutlich größere Lücke bei Fach- und Führungskräften steuern Wohnungsgesellschaften zu. „41 Prozent ihrer Mitarbeiter sind 56 Jahre und älter“, sagt Hans-Michael Brey, Vorstand der BBA Akademie der Immobilienwirtschaft. „Es wird sportlich, in den kommenden sieben Jahren qualifizierten Nachwuchs zu finden.“ Die Lösung könnten neben Uni-Absolventen auch Quereinsteiger sein - Ex-Banker und Mitarbeiter der Bauwirtschaft ebenso wie Mütter, die den Wiedereinstieg suchen.

„Die Vermittlung von Führungswissen wie in anderen Industrien kommt bislang zu kurz“, sagt Wolfgang Schäfers, Vizepräsident des Zentralen Immobilien Ausschusses. Um auch diesen Mangel zu beheben, bietet die Universität Regensburg nun erstmals den Studiengang „Executive MBA Real Estate“ an. HB

Petra Schäfer

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