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Wirtschaft: Die Industriegewerkschaft entdeckt die Boom-Branche Computer - und zeigt sich dafür kompromissbereit

Die IG Metall steht vor eine Gratwanderung: Wo immer möglich, will sie die Tarifbindung erhalten - aber dort, wo es nicht mehr geht, Flexibilität zeigen. Besonders in der Boom-Branche IT, der Informationstechnologie, stellt das die Gewerkschaft vor große Herausforderungen, wie aus einem internen Thesenpapier hervorgeht.

Von Matthias Meisner

Die IG Metall steht vor eine Gratwanderung: Wo immer möglich, will sie die Tarifbindung erhalten - aber dort, wo es nicht mehr geht, Flexibilität zeigen. Besonders in der Boom-Branche IT, der Informationstechnologie, stellt das die Gewerkschaft vor große Herausforderungen, wie aus einem internen Thesenpapier hervorgeht. Kernsatz der vom stellvertretenden IG-Metall-Vorsitzenden Jürgen Peters verfassten Vorschläge, die dem Tagesspiegel vorliegen: Die Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit zeigten, dass es "keine realistische Perspektive ist, in bisher nicht tarifgebundenen IT-Unternehmen die Flächenbestimmungen der Metall- und Elektroindustrie in Zukunft vollständig realisieren zu wollen".

Peters ist bemüht, den Eindruck zu vermeiden, er strebe eine Abkehr vom Flächentarif an - das würde ihn intern von vornherein scheitern lassen. In bedeutenden Unternehmen wie Bull oder Compaq habe Tarifsicherheit hergestellt werden können, erinnert er - und dort müsse der Flächentarif Maßstab bleiben. Für bisher nicht tarifgebundene Unternehmen sei eine solche Lösung aber "nicht einfach wiederholbar", fügt der Gewerkschafter andeutungsvoll hinzu - hier müsse "in zunehmenden Maße" auf die besonderen Bedingungen der Branche reagiert werden. Künftig könnten laut Peters auch in der Frage der Arbeitszeit- und Entgeltstrukturen Sonderregelungen mit passenden Bestimmungen der Flächentariverträge "kombiniert werden". Auch kann sich der Metall-Gewerkschafter vorstellen, dass für die Branche eine "sektorspezifische Fläche" aufgebaut wird, um "eine weitere Zersplitterung der tarifpolitischen Landschaft im IT-Bereich zu vermeiden".

An diesem Dienstag befasst sich der IG-Metall-Vorstand mit den Peters-Vorschlägen. Die Basis der Gewerkschaft für großen Einfluß in der Branche ist schlecht. Laut Peters sind von den rund 433 000 Beschäftigten in der Informationstechnologie-Industrie nur etwa 16 Prozent in tarifgebundenen Unternehmen. "Selbst wenn wir wollten, ist unsere Durchsetzungskraft in der Regel bei Organisationsgraden von häufig zehn bis 20 Prozent nicht stark genug", fügt der Gewerkschaftsführer hinzu. Widersprüche zeigen sich nach den Worten von Peters auch an anderer Stelle: Oft werde über Tarif bezahlt, es gebe leistungsbezogene Zuschläge - zugleich aber das "Phänomen, dass eine Lücke zwischen vereinbarten und faktischen Arbeitszeiten klafft". Gerade in Punkten, die in IT-Unternehmen eine große Rolle spielen, seien die Flächentarifverträge deshalb reformbedürftig. Neu geregelt werden müssten unter anderem die Regelungen zur Qualifizierung, zu Team- und Projektarbeit, zur Arbeitszeitgestaltung und Leistungsvereinbarungen.

Dass die Mega-Gewerkschaft Metall bisher zu träge auf die Herausforderungen reagiert hat, räumt Peters unumwunden ein. Insider verstehen seine Vorschläge deshalb auch als indirekte Kritik am umstrittenen Gewerkschaftschef Klaus Zwickel, dessen Ablösung einige Funktionäre gerade betreiben wollen. Peters formuliert einstweilen in seinem Papier, dass die Gewerkschaft für die Arbeiternehmer der Computerbranche attraktiver werden müsse. Dazu will er "Diskussionen und Kampagnen öffentlichkeitswirksam organisieren, die an den direkten Problemen und Interessenlagen der Beschäftigten ansetzen".Die IG Metall im Internet

www.igmetall.de

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