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Wirtschaft: Die Industriestaaten sind vorbereitet

Öl wird immer teurer, weil die Weltmärkte vor einem neuen Golfkrieg zittern. Dabei war das Angebot selten größer als heute

Von Bernd Hops

Ein Krieg der USA gegen den Irak wird immer wahrscheinlicher – jedenfalls, wenn man die Nervosität an den Ölmärkten als Maßstab nimmt. Seit Mitte der Woche zogen die Preise in Rotterdam stark an. Eine Tonne Super-Benzin kostete am Dienstag noch 262 US-Dollar. Am Freitag überwand der Preis die Marke von 290 US-Dollar – eine Steigerung von mehr als zehn Prozent innerhalb weniger Tage auf ein Elf-Monats-Hoch. „Das ist ein erstaunlicher Sprung. So etwas haben wir seit Monaten nicht erlebt“, sagt Barbara Meyer-Bukow vom Mineralölwirtschaftsverband (MWV).

Die Notierung für Rohöl blieb zunächst stabil, zog am Freitag aber ebenfalls an. Für ein Barrel Nordsee-Öl der Sorte Brent wurden in London mehr als 28,50 Dollar verlangt, der höchste Preis seit fast einem Jahr. Aufgeschreckt wurden die Händler durch Berichte, amerikanische und britische Flugzeuge hätten im Westen des Iraks den größten Angriff seit vier Jahren auf Luftabwehrstellungen geflogen. Laut des britischen „Daily Telegraph“ sollen 100 Maschinen an der Attacke der Alliierten auf Truppen Saddam Husseins beteiligt gewesen sein.

Das könnte sich auch bald deutlicher in den Benzinpreisen an Deutschlands Zapfsäulen niederschlagen. Zum Wochenende bewegte sich der Preis für einen Liter Normalbenzin nach Angaben von BP-Aral im Durchschnitt bei rund 1,05 Euro. Zu Wochenbeginn hatte er noch bei mehr als 1,06 Euro gelegen. „Wir müssen schauen, wie sich die Einkaufspreise in Rotterdam weiter entwickeln“, sagt Aral-Sprecher Detlef Brandenburg. Der Konzern plane aktuell keine Preiserhöhung, alles weitere hänge von der Situation Anfang kommender Woche ab.

Angst vor Anschlägen auf Tanker

Der Preisanstieg an den internationalen Ölbörsen ist vor allem psychologisch bedingt – ein womöglich knapperes Angebot ist nicht Schuld. Der Weltwirtschaft stehe genug Öl zur Verfügung, sagte Alvaro Calderón, der Generalsekretär der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec), beim Welt-Erdöl- Kongress in Rio de Janeiro diese Woche. Und die schwache Weltwirtschaft sowie die Daten zum Wirtschaftswachstum in den USA deuten nicht darauf hin, dass die Nachfrage schon bald wieder stark anziehen werde. Allerdings sagte Calderón auch: „Die Welt muss sich Sorgen über das machen, was im Irak passiert.“ Durch einen Militärschlag werde womöglich nicht nur der Preis, sondern auch das Ölangebot insgesamt beeinflusst. Er könne nicht garantieren, dass die Opec Angebotsausfälle ausgleicht.

Gefahr bestehe allerdings nur, wenn der Nahe Osten insgesamt durch einen Angriff auf den Irak destabilisiert würde, sagt Valerie Marcel vom Royal Institute of International Affairs (RIIA) in London. „Das ist aber sehr unwahrscheinlich.“ Falle nur die irakische Ölförderung aus, sei die Lücke sehr leicht zu füllen. Der Irak exportiere weniger als zwei Millionen Barrel Rohöl am Tag. Allein Saudi-Arabien produziere täglich etwa acht Millionen Barrel – und habe darüber hinaus Förderreserven von 3,5 Millionen Barrel. In Rio de Janeiro hatte Saudi-Arabien auch zusammen mit Nigeria angekündigt, im Konfliktfall die Produktion ausweiten zu wollen. Eine Unsicherheit bestehe jedoch weiterhin, sagt Marcel. Denn im Falle eines Angriffs könnten Anschläge auf Ölförderanlagen und auf wichtige Transportwege die Folge sein, die die Versorgung der Weltmärkte einschränken könnten.

Dabei sind die Industriestaaten schon seit langem auf eine Unterbrechung der Öllieferungen relativ gut vorbereitet. Nach den jüngsten Statistiken der Internationalen Energie-Agentur in Paris reichen die Vorräte der wichtigsten Industriestaaten für 82 Tage. In Europa sind es 88 Tage, in Nordamerika 76 Tage. Daran hat sich in den vergangenen Jahren nicht viel geändert. Zwar hatten die USA im Frühjahr 2001 und 2002 verstärkt Öl und Treibstoffe in Europa gekauft. Das aber floss nicht in die Reserven, die im Juli sogar etwas niedriger waren als zum gleichen Zeitpunkt im Jahr zuvor. Hinzu kommt, dass die USA weniger Öl importieren. Im Juli waren es nach Angaben des American Petroleum Institute, hinter dem die US-Ölfirmen stehen, im Schnitt 11,5 Millionen Barrel pro Tag. Im Jahr 2001 waren es noch 11,75 Millionen.

Geheime Vorräte wollen Experten allerdings nicht ausschließen. „Es wird nicht mit offenen Karten gespielt“, sagt Thomas Bakosch vom Branchendienst Oil Market Report. Valerie Marcel vom RIIA hält es trotzdem für unwahrscheinlich, dass die USA bestehende Vorräte verschweigen. Im Gegenteil: „Sie müssten sogar daran interessiert sein, sie möglichst groß darzustellen. Das würde die Drohung gegen Saddam Hussein noch verstärken.“ Wer gut vorbereitet ist, kann seine Drohungen auch wahr machen.

An hohe Ölpreise werden sich die Verbraucher in der nächsten Zeit trotzdem gewöhnen müssen, sollte die Irak-Krise weiter schwelen. Im Frühjahr schätzte die Opec, die Kriegsgefahr führe zu einem Aufschlag von etwa drei Dollar auf den eigentlichen Ölpreis. Mittlerweile könne man von drei bis fünf Dollar ausgehen, schätzt man beim Oil Market Report. „Bei Kriegsausbruch dürfte der Preis um weitere fünf Dollar steigen“, sagt RIIA-Expertin Marcel. Hoffnung macht ein Vergleich mit der Entwicklung während des Golfkriegs der USA und ihrer Verbündeten gegen Saddam Hussein im Jahr 1991. Damals bröckelte der stark gestiegene Ölpreis auch sehr schnell wieder, als sich der militärische Erfolg einstellte. Damals musste die Welt allerdings auch noch keine Anschläge der Anhänger Osama bin Ladens befürchten.

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