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Wirtschaft: Die Klinkenputzer vom Arbeitsamt sind unterwegs

Seit ein paar Tagen ist das Jobaktiv-Gesetz von Walter Riester in Kraft. Doch in Berlin, einer der deutschen Großstädte mit hoher Arbeitslosigkeit, wird das Gesetz, das den Arbeitsämtern viel größere Freiräume beim Vermitteln und Finanzieren von Fördermaßnahmen gibt, kaum schnell Wirkung bekommen.

Seit ein paar Tagen ist das Jobaktiv-Gesetz von Walter Riester in Kraft. Doch in Berlin, einer der deutschen Großstädte mit hoher Arbeitslosigkeit, wird das Gesetz, das den Arbeitsämtern viel größere Freiräume beim Vermitteln und Finanzieren von Fördermaßnahmen gibt, kaum schnell Wirkung bekommen. Der Grund: Die Stadt hat sich nicht um ihren Teil der Finanzierung gekümmert. Deshalb erwartet Christian Gärtner, Leiter der Abteilung Arbeitsvermittlung und -beratung im Arbeitsamt Berlin Nord, nicht, dass das Jobaktiv-Gesetz den Berliner Arbeitslosen schnell hilft.

Seit Jahresanfang stehen bundesweit 3000 zusätzliche Arbeitsvermittler zur Verfügung, die sich - nach den Vorgaben des neuen Job-Aqtiv-Gesetzes - ausschließlich mit dem Finden freier Stellen in Unternehmen und der Vorbereitung potenzieller Bewerber beschäftigen. Die Klinkenputzer vom "Projektteam 2002" sitzen nicht wie ihre Kollegen im Amt, sondern sind nach Postleitzahlen-Bereichen sortiert vor Ort unterwegs. Das Ziel der Offensive: Die Bewerberprofile sollen persönlicher und aussagekräftiger werden, damit Arbeitssuchende nicht nur schneller, sondern auch passendere neue Stellen finden.

Doch wegen der Kündigungswelle zum Quartalsende und dem damit verbundenen Andrang auf die Arbeitsämter sei ein direktes Zusammenarbeiten mit und Betreuen von Bewerbern, wie es das neue Gesetz ermöglicht, illusorisch, sagen die Berliner Arbeitsamtler. Zudem bremse der nicht verabschiedete Berliner Landeshaushalt 2002 neue Möglichkeiten von Förderungsmaßnahmen. So sind wegen der fehlenden Kofinanzierung derzeit nicht nur neue AB-Maßnahmen auf Eis gelegt, sondern andere Fördermaßnahmen "außer Kraft" gesetzt.

Arbeitsvermittler Gärtner glaubt deshalb, dass das Gesetz in Berlin erst mit Verspätung wirkt. Auch, weil die Arbeitsämter auf praktische Grenzen stoßen. Zum Beispiel bei der im Gesetz eröffneten Möglichkeit, jetzt auch Infrastrukturmaßnahmen finanziell zu fördern. In der Praxis sieht das Modell eine Erhöhung der Investitionssumme um bis zu einem Viertel vor, wenn ein Unternehmen oder eine Kommune sich verpflichtet, für den zusätzlichen Auftrag neue Stellen zu schaffen. Das stößt auf erheblichen Widerstand der Arbeitgeber und auf Vorbehalte der Gewerkschaften.

Aber nicht nur äußere Probleme erschweren die Arbeit, auch der Umgang mit den Bewerbern ist manchmal kompliziert und langwierig. Um Arbeitslose speziell auf ein Stellenangebot vorbereiten zu können, führen die Männer und Frauen vom Arbeitsamt seit Anfang dieses Jahres mit ihnen eine Stärken- und Schwächenanalyse durch. So kann besser erkannt werden, in welchem Bereich sich eine Qualifizierung auszahlt.

Ein Schlüsselerlebnis gab es für Gärtner im vergangenen Jahr, als er 500 arbeitslose IT-Spezialisten im Zuge der Green-Card-Einführung auf deren Markttauglichkeit prüfte. "Das waren Leute, von denen wir als Arbeitsvermittler behaupteten, sie seien fit." Aber nur 15 von 500 hätten sich tatsächlich als tauglich erwiesen. 110 Millionen Mark stehen dem Arbeitsamt Nord für Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung. "Eine Summe, bei der jeder, der eine Qualifizierung wünscht, auch eine bekommt", sagt Gärtner. Darüber hinaus stehen monatlich 250 Arbeitslosen Coaching-Maßnahmen vor Bewerbungsgesprächen zur Verfügung.

Voraussetzung ist jedoch die Motivation des Arbeitssuchenden. Um das vertraglich zu regeln, wird neben ein Eingliederungsvertrag abgeschlossen. Darin sind die Schritte hin zu einem Job - Aufgaben und Pflichten beiderseits - geregelt. "Hält sich der Arbeitnehmer nicht an die Bedingungen, drohen leistungsrechtliche Konsequenzen", erklärt Gärtner. In der Praxis heißt das: Sperrung des Arbeitslosengeldes.

Dagegen müssen die Empfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe künftig nicht mehr damit rechnen, dass ihnen das Geld gesperrt wird, weil sie anderen Tätigkeiten nachgehen: In Absprache mit ihrem Arbeitsvermittler dürfen sie 15 Stunden und mehr pro Woche für ein Ehrenamt aufwenden.

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