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Wirtschaft: Die komplizierte Romanze der Liz Mohn

Oder: Wie Liebe und Geduld Elisabeth Beckmann an die Spitze des größten deutschen Medienkonzerns führten

Elisabeth Beckmann lernte ihren Chef auf einem Betriebsfest im Jahr 1958 kennen. Sie war damals 17 Jahre alt und arbeitete erst seit sechs Wochen als Sekretärin bei der Bertelsmann AG. Er, Reinhard Mohn, war 37 Jahre alt und schneidiger Boss des Buchverlages seiner Familie.

Mohn, verheiratet und Vater von drei Kindern, forderte den Teenager zu einem Walzer auf, wie es in Liz Mohns Autobiografie „Liebe öffnet Herzen“ aus dem Jahr 2001 steht. Die beiden waren die letzten bei dem Spiel „Reise nach Jerusalem“. Mohn gewann. In jener Nacht kam Elisabeth Beckmann erst um fünf Uhr morgens zu ihren Eltern nachhause. „Von dem Tag an“, schrieb sie später, „war nichts mehr wie vorher“.

Auch für Bertelsmann war es ein schicksalhafter Tag. Das Paar heiratete nach einer komplizierten und unkonventionellen Liebesaffäre viele Jahre später. Heute hat die 62-jährige Elisabeth Mohn in dem fünftgrößten Medienkonzern der Welt viel Macht. Sie sitzt im Aufsichtsrat des Unternehmens und in einem vierköpfigen Beirat, der die Topmanager aussucht. Außerdem leitet sie die Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG), welche die Aktienmehrheit kontrolliert.

Ihr Aufstieg an die Konzernspitze wurmt einige Bertelsmann-Manager. Sie bezweifeln, dass sie genügend Erfahrung hat. Eine ihrer umstrittensten Handlungen war, zwei ihrer drei Kinder auf einflussreiche Positionen im Konzern zu verhelfen.

Zu dem Bertelsmann-Imperium gehören unter anderem die RTL Group, das Musiklabel BMG, der Verlag Gruner+Jahr und der US-Buchverlag Random House. Der 82-jährige Mohn hat den Konzern in der Hand, weil er rechtlich gesehen die Mehrheit der Unternehmensaktien kontrolliert. Doch immer mehr hat sich Liz Mohn in die konzerninternen Machtkämpfe eingemischt. Einer davon erreichte im vergangenen Monat mit dem Rücktritt des Aufsichtsratschefs Gerd Schulte-Hillen seinen Höhepunkt. Schulte-Hillen, der sich mit Managern aus dem Mohn-Lager über eine geplante Fusion im Musikgeschäft überworfen hatte, sagte dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, er befürchte, dass Bertelsmann zu einer matriarchalisch-dynastisch organisierten Familienfirma verkommen könnte. Reinhard Mohn wollte sich dazu nicht äußern. Und auch Liz Mohn reagierte auf eine Interview-Anfrage des „Wall Street Journal“ nicht.

In der Nacht, als sie ihren künftigen Mann kennen lernte, trug Liz Mohn ein ärmelloses weißes Wollkleid, das ihre Mutter genäht hatte. So steht es zumindest in ihrer Biografie. Das Buch enthält auch ein Schwarz-Weiß-Foto, das Reinhard Mohn auf jener Betriebsfeier zeigt. Er sitzt da ohne Schuhe, eine Champagner-Flasche neben sich und streckt einen Arm nach der strahlenden Elisabeth aus.

In ihrer Biografie beschreibt Mohn die Geburt ihrer drei Kinder Brigitte, Christoph und Andreas und die Herausforderungen einer jungen Mutter. Nicht erwähnt wird Liz Mohns sehr unkonventionelle Beziehung zum Bertelsmann-Chef. Kurz nach der Firmenfeier wurde sie Mohns Geliebte, wie ihr jüngster Sohn Andreas (35) und andere, mit dem Geschehen vertraute Personen berichten. Als Elisabeth Beckmann 1963 schwanger wurde, heiratete sie einen anderen Mann namens Joachim Scholz. Dieser arbeitete als Kinderbuch-Herausgeber gleichfalls für Bertelsmann. „In der ordentlichen Gütersloher Mittelschicht hatte man keine unehelichen Kinder“, sagt Andreas Mohn, ein Künstler und Autor. Daher habe seine Mutter Joachim Scholz geheiratet.

Sehnsucht nach Gütersloh

Für eine Weile zogen Scholz und die spätere Frau Mohn nach Stuttgart. Aber sie habe Reinhard Mohn vermisst. Nach kurzer Zeit sei die junge Familie zurückgekehrt. Liz Mohn habe ihren Geliebten oft am Nachmittag besucht und vor seinem Büro gewartet, bis er mit der Arbeit fertig war, sagen frühere Bertelsmann-Manager.

Nach ihrer Tochter Brigitte bekamen Mohn und seine künftige Frau zwei weitere Söhne: Christoph (1965) und Andreas (1968). Den Kindern wurde gesagt, Scholz sei ihr Vater, obwohl er im Keller geschlafen habe, sagt Andreas. Erst mit zwölf Jahren habe er herausgefunden, wer sein wirklicher Vater sei. Die Ehe der Scholz’ endete 15 Jahre später mit einer Scheidung. 1982, als auch Mohns Ehe zerbrach, heirateten Reinhard und Elisabeth. Die Kinder hießen von nun an Mohn. Ihr Vater lebte allerdings nie mit seiner Familie zusammen. Er bevorzugte die Ruhe seines Bauernhofes bei Gütersloh.

In den folgenden Jahren übernahm Liz Mohn die Rolle der pflichtbewussten Unternehmergattin, die sich für wohltätige Zwecke engagiert. In „Liebe öffnet Herzen“ beschreibt sie, wie frustriert sie Ende der 70er Jahre war, weil sie nicht voll an Mohns Arbeitsleben teilnahm: „Ich wollte zeigen, dass ich in der Welt meines Ehemannes bestehen konnte.“

Zwanzig Jahre später erhielt sie endlich eine wichtige Position in der Konzernzentrale. 1999 berief ihr Ehemann sie in die Verwaltungsgesellschaft Bertelsmann, die 75 Prozent der Stimmrechte für die Bertelsmann-Stiftung und die Familie Mohn ausübt. Bald darauf, im Mai 2000, trat plötzlich der Aufsichtsratschef Mark Wössner zurück. Wössner, der 32 Jahre bei Bertelsmann war, gab Meinungsunterschiede mit Mohn als Grund an. Bertelsmann-Manager führen seinen Rücktritt auch auf den Aufstieg von Liz Mohn zurück. Diese habe beklagt, dass Wössner sie beim Tod ihres Mannes daran hindern könne, den Konzern mitzuführen. 2001, nach Wössners Ausscheiden, wurde Liz Mohn Mitglied des Aufsichtsrates.

Mit Wössner verließ ein wichtiger Mann den Konzern. Er hatte dazu beigetragen, Bertelsmann von einem auf Deutschland konzentrierten Buchverlag zu einem globalen Medienkonzern zu machen.

Liz Mohn spielte auch eine Rolle beim Rauswurf des Bertelsmann-Vorstandschefs Thomas Middelhoff, heißt es bei mehreren Managern und Aufsichtsrat-Mitgliedern. Middelhoffs Platz übernahm ein Vertrauter von Liz Mohn, Gunter Thielen. In diesem Jahr war Aufsichtsratschef Schulte-Hillen an der Reihe, der die geplante Fusion der Musiksparte BMG mit Sony anzweifelte. Am 17.November forderte Liz Mohn als Sprecherin für die Familie Mohn seinen Rücktritt.

Derweil ist der Einfluss der Mohns gewachsen. Seit Ende 2000 sitzen neben Reinhard und Liz auch ihre Kinder Christoph und Brigitte im Gesellschaftergremium der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG). Außerdem wurde die BVG-Satzung so verändert, dass der Familieneinfluss steigt. Sie soll künftig mindestens drei der acht Gesellschafter stellen – und verfügt damit bei wichtigen Entscheidungen über eine Sperrminorität.

Matthew Karnitschnig

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