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Wirtschaft: Die Kraftprobe

Übernahmekandidat kündigt Abwehrmaßnahmen an / Kleinaktionäre raten zum Verkauf der Aktie

Berlin - Der Berliner Schering-Konzern lehnt Verhandlungen mit dem Angreifer Merck ab und richtet sich auf einen Abwehrkampf gegen den Darmstädter Konkurrenten ein. Schering-Vorstandschef Hubertus Erlen, der am Dienstag Unterstützung vom Aufsichtsrat bekommen hatte, betonte, sein Unternehmen sei „als Pharmaspezialist in dynamisch wachsenden Märkten sehr gut aufgestellt“. Er sehe nicht, welche Synergien ein Zusammenschluss bringen könnte. „Da sind enorm viele Fragen offen“, sagte Erlen. Merck will dagegen auf jeden Fall an seinen Plänen festhalten. „Wir streben einen Beherrschungsvertrag an“, sagte Vorstandschef Michael Römer. „Dafür brauchen wir mindestens 65 Prozent der Aktien.“ Der Konzern hofft aber, mit Schering doch noch ins Gespräch zu kommen.

Merck hatte am Montag ein Übernahmeangebot für den Berliner Pharmakonzern vorgelegt. Die Darmstädter wollen 77 Euro pro Schering-Aktie zahlen. Das würde auf einen Preis von knapp 15 Milliarden Euro hinauslaufen. Am Montag war das Schering-Papier um mehr als 26 Prozent auf ein neues Rekordhoch von über 84 Euro gestiegen, am Dienstag gab der Kurs nur leicht nach. Schering ist das einzige Dax-Unternehmen mit Sitz in Berlin.

Auf Fragen nach der Verteidigungsstrategie Scherings zur Abwehr der geplanten feindlichen Übernahme sagte Erlen: „Das Beste, was wir tun können, ist das zu tun, was wir bisher getan haben: Also zu wachsen, den Ertrag zu steigern und unsere Produkt-Pipeline abzuarbeiten.“ In den kommenden Wochen bleibe „ausreichend Zeit, darüber intensiv mit unseren Aktionären zu reden“, sagte er. „Es wird gelten, unsere Aktionäre zu überzeugen, dass unser Geschäftswert so attraktiv ist, das er das von Merck abgegebene Angebot von 77 Euro je Aktie übertrifft.“ Größter Einzelaktionär Scherings ist die Allianz mit einem Anteil von zehn Prozent, der Rest ist in Streubesitz und in der Hand institutioneller Anleger.

Der Senat sieht keine Möglichkeit, einzugreifen. „Wir sind keine Verhandlungspartner und können auch keine Bedingungen stellen“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit nach einem Gespräch mit Merck-Vertretern. Der CDU-Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl, Friedbert Pflüger, forderte Merck dagegen auf, von der Übernahme abzusehen. „Die Argumente, die Sie anführen, überzeugen hier nicht“, schreibt Pflüger. „Sie finden hier keine freundliche Stimmung dafür, die letztlich notwendig für den Erfolg eines Unternehmens ist.“

Der Schering-Betriebsrat rechnet damit, dass im Fall einer Übernahme ein Teil der 6000 Stellen in Berlin abgebaut wird. „Man kann sich sehr genau vorstellen, dass eine Übernahme Konsequenzen für die Beschäftigten haben wird“, sagte Betriebsratschef Norbert Deutschmann. Er unterstützt den Kurs von Konzernchef Erlen. „Wir wollen dafür kämpfen, dass Schering unabhängig bleibt“, sagte er. „Darum müssen wir die Aktionäre überzeugen, dass sie bei der Stange bleiben.“

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) empfahl Schering-Aktionären unterdessen, angesichts des hohen Kurses ihre Aktien an der Börse zu verkaufen. Das Angebot von Merck, 77 Euro je Schering-Aktie zahlen zu wollen, hielt SdK-Vertreter Michael Kunert für angemessen. Die Aktie habe bis Ende Februar unter 60 Euro notiert. Gemessen daran sei der von Merck gebotene Aufschlag „interessant“. „Das Schering-Management hat die Zeichen der Zeit verschlafen und war in der Vergangenheit zu passiv“, sagte Kunert. So unabhängig wie heute werde Schering nicht bleiben – auch, wenn die Übernahme durch Merck scheitere.

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