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Wirtschaft: Die Krise im Reich der Mitte

Vielleicht trifft der Vergleich des unbekannten Analysten zu: Für ihn versucht die Regierung Chinas derzeit mit zu vielen Bällen zu jonglieren."Aber", mahnte der Finanzbeobachter in der Financial Times, "die Regierung wird nicht notwendigerweise Erfolg haben, wenn sie versucht, alle Bälle in der Luft zu halten.

Vielleicht trifft der Vergleich des unbekannten Analysten zu: Für ihn versucht die Regierung Chinas derzeit mit zu vielen Bällen zu jonglieren."Aber", mahnte der Finanzbeobachter in der Financial Times, "die Regierung wird nicht notwendigerweise Erfolg haben, wenn sie versucht, alle Bälle in der Luft zu halten." Derzeit kämpfen die Pekinger Kommunisten an vielen Fronten.

Da ist nicht nur die verheerende Flutkatastrophe am Jangste, die mindestens 2000 Menschen bislang das Leben kostete und weite Teile des Landes verwüstete.Die Wirtschaft wächst langsamer, dem Renmimbi (RMB), der chinesischen Währung, droht die Abwertung, die Arbeitslosigkeit steigt, die Ausländer investieren weniger, und die Banken sitzen auf wackligen Krediten der Staatsfirmen.Am Donnerstag kam eine weitere Negativ-Nachricht dazu.Diesmal aus Hongkong, eigentlich das ökonomische Kraftwerk, das China voranbringen soll.

Doch dem Kraftwerk fehlt der Strom.Der Hang-Seng-Index der Hongkonger Börse lag bei 7254,36 Punkten - dem tiefsten Stand seit dreieinhalb Jahren.Auch sonst dümpelt die ehemalige Boomtown Asiens in seichten Gewässern.Das Wirtschaftswachstum schrumpfte 1998 erstmals seit 15 Jahren, die Arbeitslosigkeit liegt mit 4,5 Prozent doppelt so hoch wie Anfang 1997, und die Läden schließen.Die Fluglinie Cathay Pacific verzeichnete erstmals in ihrer Geschichte Millionenverluste, die größte Bank der Region, die Hongkong-Shanghai-Bank teilte mit, daß der Gewinn um 41 Prozent schrumpfen wird.Kein Wunder, daß der Hongkong-Dollar immer stärker unter Druck gerät und viele Analysten glauben, daß die Bindung an den US-Dollar bald aufgehoben wird.

Kaum besser sieht die Lage im Reich der Mitte aus.An der Shanghaier Börse, wo sich Ausländer mit sogenannten B-Aktien eindecken können, sind die Werte seit Anfang des Jahres um 40 Prozent gefallen.Einzelne chinesische Marken-Unternehmen werden teils nur zu einem Fünftel des ausgegegeben Preises gehandelt."Wir warten hier nur noch auf die Beerdigung.Das Krematorium steht schon bereit", sagte Analyst Bruce Richardson von der dortigen ABN Amro Bank der Financial Times.Dazu sinken Handel und Auslandsinvestitionen.Mit Japan ist beispielsweise der bilaterale Austausch im ersten Halbjahr um knapp acht Prozent geschrumpft - zum ersten Mal seit acht Jahren.Der Grund: der schwache Yen.Er macht Tokios Güter billiger und Chinas Produkte teurer.Noch schlechter entwickelt sich der Handel mit Südkorea, wo Chinas Ausfuhren in diesem Jahr um fast ein Drittel sanken.Auch die Investitionen sinken, Japans Konzerne brachten in diesem Jahr etwa acht Prozent weniger ins Reich der Mitte, Südkoreas Unternehemn sogar um fast 40 Prozent weniger.Die Ausländer fürchten besonders, daß die Reformen des Ministerpräsidenten Zhu Rongji, der seit März amtiert, stecken bleiben.Dabei ist China dringend auf die Ausländer angewiesen.Anders sind die optimistischen Wachstumsraten kaum zu erzielen.Die Staatsunternehmen sind marode und bauen stark Personal ab, allein in diesem Jahr 3,5 Millionen Menschen.Auffangen soll sie die Privatwirtschaft.Nur so glauben die Kommunisten, die anvisierte Wachstumsrate von acht Prozent in diesem Jahr zu erreichen.Das Ergebnis wird vermutlich viel geringer ausfallen, Anzeichen dafür gibt es.Früher verzeichneten die Ökonomen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Wachstum und Energieverbrauch.Pro Prozentpunkt des Bruttoinlandsprodukts (BIP) stieg der Energieverbrauch in China um einen halben Prozentpunkt.In den ersten vier Monaten wurde aber nur ein Prozent mehr Strom verbracht, doch das BIP stieg offiziell um sieben Prozent.

In den kommenden Monaten könnte sich die Lage weiter verschlechtern - nicht nur wegen der Flutkatastrophe.Vielleicht müssen die Chinesen ihre Währung abwerten, um ihre Wettbewerbsposition zu verbessern.Peking ist zwar gegen Währungsattacken internationaler Spekulanten besser gewappnet als Thailand oder Malaysia.Der Währungsaustausch ist auf den Erwerb für Güter und Dienstleistungen begrenzt.Ob China einen weiteren Fall des Yen aushalten kann, ist fraglich.Umgekehrt würde Abwertung die Einfuhren verteuern, auf die Chinas Unternehmen angewiesen sind und außerdem die Krise in der Region verschärfen.

ANDREAS HOFFMANN

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