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Wirtschaft: „Die Kunden wollen Made in Germany“

Waschmaschinen-Fabrikant Markus Miele über die Vorteile Deutschlands, den Preiskampf der Branche und die Vorteile eines Familienunternehmens

Herr Miele, sind Sie ein Fall für McKinsey?

Ich denke nicht – wieso?

Weil Sie trotz Globalisierung und Kostendruck fast nur in Deutschland fertigen. Das ist ungewöhnlich heutzutage.

Hier zu produzieren rechnet sich, und es gehört zu unserem Markenbild. Die Kunden verlangen von uns Geräte mit dem Label „Made in Germany“.

Außerdem stellen Sie 60 Prozent ihrer Bauteile selbst her, statt sie einzukaufen.

Wir glauben, dass wir einige Dinge besser selbst erledigen. An viele Komponenten haben wir hohe oder ungewöhnliche Anforderungen, die kann kaum ein Zulieferer erfüllen. Oder der Einkauf wäre so teuer, dass wir dadurch kein Geld sparen würden. Das gilt etwa für die Gewichte, die eine Waschmaschine stabilisieren, die wir in unserer eigenen Gießerei hier in Gütersloh herstellen. Oder für die Elektronikchips, die wir selbst produzieren.

Verschont Sie der schärfere Wettbewerb?

Keineswegs. Eine Waschmaschine bekommen Sie heute schon für 199 Euro, das ist ein Drittel weniger als vor fünf Jahren. Und es kommen immer neue Wettbewerber auf den Markt, aus der Türkei oder aus Asien. Gegen die muss man sich beweisen. Als mein Urgroßvater 1899 mit seiner ersten Buttermaschine auf den Markt kam, gab es allein in dieser Region 30 Wettbewerber. Er hat sich trotzdem behauptet, weil sein Gerät besser war. Dem versuchen wir mit unserer Premiumstrategie nachzueifern.

Warum zahlen Käufer mehrere hundert Euro Aufpreis für eine Miele-Maschine?

Miele steht für Qualität und moderne Technik – das wissen die Leute. In den vergangenen drei Jahren haben unsere Produkte bei Tests europaweit 60-mal den ersten Platz belegt. 92 Prozent unserer Kunden sind mit ihrem Gerät so zufrieden, dass sie wieder ein Miele-Gerät kaufen. Unsere Maschinen sind für eine Lebensdauer von 20 Jahren ausgelegt. Viele Konkurrenzprodukte gehen schon nach zwölf Jahren kaputt. Wer einmal Miele kauft, kauft immer wieder. Nicht nur in Deutschland, wir sind weltweit in 37 Ländern präsent, von Amerika bis Australien. Überall mit den gleichen Produkten und Preisen.

AEG schließt das Werk Nürnberg, Bosch-Siemens stellt den Standort Berlin in Frage. Was macht die Konkurrenz falsch?

Der Markt für „Weiße Ware“, für Haushaltsgeräte also, ist hart umkämpft. Massenhersteller stehen dabei unter einem stärkeren Kostendruck als wir. Die Frage ist aber, wie lange es noch funktioniert, die Arbeitskosten und damit die Preise zu drücken. Da ist irgendwann Schluss.

Sie mussten auch Stellen abbauen.

Ja, im Zuge einer Umstrukturierung werden wir uns bis Ende 2007 von etwa 800 Mitarbeitern trennen. Allerdings versuchen wir, dies ohne Kündigungen zu schaffen. Was uns hilft, sind die wieder steigenden Stückzahlen. Wir haben ein sehr erfreuliches Geschäftsjahr mit einem zweistelligen Umsatzwachstum hinter uns. Das bedeutet natürlich wieder einen höheren Personalbedarf.

Warum verlagern Sie nicht in Billigländer?

Weil wir dort nicht in dem Maße qualifizierte Mitarbeiter finden, wie wir sie brauchen. Schrauben eindrehen können auch Asiaten. Wir brauchen aber Ingenieure, Maschinenführer, Fachleute für die Qualitätssicherung, die sehr genau hinsehen. Die sind für uns enorm wichtig – aber man findet sie nicht an jeder Ecke. Ein Werk wie das in Gütersloh mit 5000 Mitarbeitern lässt sich nicht einfach verpflanzen. Zudem stehen alle unsere Fabriken in einem engen Umkreis – wenn wir Beratungsbedarf haben, können die Leute schnell zusammenkommen.

Aber in China und Tschechien lassen Sie auch fertigen. Ist das eine Gefahr für die Marke?

Die Werke laufen gut. Ihre Bedeutung ist aber gering: In Gütersloh stellen wir im Jahr etwa eine Million Geräte zur Wäschepflege her, in Tschechien sind es nicht einmal 100 000. Und die wichtigsten Komponenten werden in Deutschland hergestellt, Elektromotoren etwa kommen aus unserem Werk Euskirchen. Die Produktion hier zu Lande ist für uns wirtschaftlicher als alle Alternativen. Nur um der Tradition willen in Westfalen zu bleiben könnten wir uns nicht leisten.

Heißt das, dass mögliche Erweiterungen auf jeden Fall hier stattfinden werden?

Wir stehen zu unseren Werken in Deutschland und investieren dort pro Jahr 120 Millionen Euro. Ich will aber nicht ausschließen, dass wir uns eines Tages für ein Werk im Ausland entscheiden – schon wegen der hohen Transportkosten. Dabei kommt jeder Kontinent in Frage. Wenn es in Amerika weiterhin solche Wachstumsraten gibt, könnte es sich schon bald rechnen, dort zu investieren. Die Frage ist immer, wie hoch ist die Fertigungstiefe, was macht man selber.

Haben Sie mal erwogen, das BSH-Waschmaschinenwerk in Spandau zu kaufen?

Es ist uns bisher nicht angeboten worden. Unsere Kapazitäten reichen vorerst, wir könnten auch hier leicht erweitern. Das ist einfacher, als einen ganzen Standort samt Verwaltung zu übernehmen.

Politiker verlangen, dass Manager Patrioten sind und hier zu Lande investieren. Können Sie damit etwas anfangen?

Wir sind der Region stark verbunden, seit mehr als hundert Jahren. Aber kein noch so glühender Patriot kann auf Dauer Verluste hinnehmen. Wir können nicht eine Waschmaschine um zehn oder zwanzig Euro verteuern, nur weil wir unser Land so sehr lieben. Die Klagen über den Standort Deutschland halte ich aber für überzogen. Auch als Industriebetrieb kann man hier profitabel arbeiten. Es kommt nur auf die richtige Strategie an, die Innovationen, das Gespür für Kundenbedürfnisse. Darüber denken offenbar nicht alle Manager genügend nach.

Miele ist trotz der Größe ein Familienbetrieb geblieben. Ist das noch zeitgemäß?

Der große Vorteil ist auch ein großer Nachteil. Wenn Einigkeit herrscht zwischen den Eigentümerfamilien Miele und Zinkann, dann kann man eine Menge erreichen. Wir haben kurze Entscheidungswege, denken nicht in Drei-Monats-Zeiträumen, sondern langfristig. Wenn es aber Streit gibt in Familienfirmen, kann schnell das Geschäft Schaden nehmen, dafür gibt es eine Reihe von Beispielen.

95 von 100 Haushalten haben eine Waschmaschine. Können Sie überhaupt noch wachsen?

Solche Geräte werden meist nur ersetzt, wenn sie kaputt gehen. Aber in vielen Küchen ist noch Platz für weitere innovative Einbaugeräte wie Dampfgarer oder Kaffee-Vollautomaten. Auch bei Reinigungsmaschinen für Gewerbekunden können wir noch wachsen. Weltweit haben wir große Ausbauchancen, in vielen Ländern gibt es Miele noch gar nicht – obwohl wir bereits 70 Prozent des Umsatzes im Ausland machen. Im Moment schauen wir uns intensiv Südamerika an. Brasilien ist eines der interessantesten Länder. Auch Asien ist natürlich ein großes Thema.

Wann kommt die dritte Umsatzmilliarde?

Das sollte 2008 oder 2009 möglich sein. Die Jahre des Leidens in der Hausgeräte-Branche sind zum Glück vorbei.

Bremst die Mehrwertsteuererhöhung das Geschäft?

Die Leute kaufen schon jetzt mehr Waschmaschinen. Im Moment würde ich sagen, wir bekommen am Jahresende noch mal einen Schub und Anfang 2007 einen Einbruch – unter dem Strich verändert sich also nichts. Ich halte die Aufregung aber für übertrieben – der Aufschlag auf die Preise ist schließlich selbst bei Hausgeräten überschaubar.

Angeblich rufen bei Ihnen ständig Banker oder Investoren an und wollen Sie zu einem Verkauf oder Börsengang überreden.

Ja, es gibt Anfragen. Bisher sind die Gesellschafter aber zufrieden mit den Ergebnissen, die wir abliefern, und wollen gar nicht verkaufen.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

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