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Wirtschaft: Die letzte Vorstellung des Cleverle

Lothar Späth gibt die Führung der Jenoptik nach zwölf Jahren ab – seine Nachfolger planen schon die Neuausrichtung des Konzerns

Berlin (msh). Lothar Späth zeigte mit dem Zeigefinger auf die Uhr. Man solle zum nächsten Punkt der Tagesordnung kommen, statt seine Zeit mit minutenlangem Klatschen zu verschwenden, wollte Späth mit dieser Geste andeuten. Doch insgeheim wird der scheidende Chef der Jenoptik AG die Ovationen der rund 700 Aktionäre auf der Hauptversammlung in Erfurt genossen haben. Nach zwölf Jahren an der Spitze des ostdeutschen Technologiekonzerns übergab der 65Jährige die Führung des Unternehmens am Mittwoch an Alexander von Witzleben.

„Es war das Risikoreichste, aber auch das Spannendste, was ich in meinem Leben gemacht habe“, sagte Späth in seiner Abschiedsrede. Im Juni 1991, nur wenige Monate nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident von Baden-Württemberg, wurde der CDU-Politiker Späth Geschäftsführer der Jenoptik GmbH. Seine politische Karriere musste der Schwabe wegen der „Traumschiffaffäre“ nach mehr als 20 Jahren aufgeben. Späth wurde vorgeworfen, auf Kosten befreundeter Konzernchefs Reisen unternommen zu haben. Späth selbst wies die Vorwürfe immer zurück und sah sich als Zielscheibe einer politischen Kampagne.

In Jena fand Späth einen Konzern vor, der nach dem Mauerfall kaum noch über marktfähige Produkte verfügte. Mikroskope und Ferngläser mussten nach Rechtsstreitigkeiten an die westdeutschen Zeisswerke abgegeben werden. Bei Jenoptik verblieben die Optoelektronik und die Systemtechnik, riesige Liegenschaften und rund 30 000 Mitarbeiter.

Späth saniert knallhart, feuert innerhalb kurzer Zeit 20 000 Beschäftigte und lässt alles niederreißen, was nicht mehr in die neue Zeit passt. Heute sagt Späth: „Das Unternehmen ist auch auf dem Rücken vieler Langzeitarbeitsloser, vor allem der älteren Jahrgänge, entstanden.“ Alles andere wäre „unehrlich, aber es gab keinen menschlicheren Weg“.

Die Basis für den Neuaufbau bilden in den Jahren nach der Wende die Verkäufe von Immobilien. Zusätzlich wird das Unternehmen von der Treuhand und dem Land Thüringen mit einer kräftigen Finanzspritze von 3,6 Milliarden D-Mark ausgestattet. Nach dem Kauf des Anlagenbauers „Meissner und Wurst“ und der Zander AG kristallisiert sich die neue Struktur des Unternehmens heraus. Neben der Reinraumtechnik für die Chipindustrie baut Späth aus dem Optik-Know-How der Jenaer den Geschäftsbereich Optoelektronik auf. Die Telekommunikation wird mit dem Kauf der Berliner Krones AG das dritte Standbein des Konzerns. 1997 macht Jenoptik 2,6 Milliarden D-Mark Umsatz. 1998 geht die Jenoptik AG als erstes ostdeutsches Technologieunternehmen an die Börse und erlöst rund 100 Millionen Euro.

Doch es gelingt nicht alles so, wie Späth sich das vorstellt. Nach nur drei Jahren muss das „Cleverle“, so sein Spitzname aus Politiker-Zeiten, die Krones AG wieder verkaufen. Der Telekommunikationsmarkt entwickelt sich nicht so stark wie erhofft und mit der Krise der Halbleiterindustrie kommt auch die Reinraumtechnik in Schwierigkeiten.

Späth hätte den Aktionären gerne ein neues Rekordergebnis präsentiert, sagt er bei seiner letzten Vorstellung eines Geschäftsberichts. Jenoptik habe die Umsatz- und Ertragserwartungen im vergangenen Jahr nicht erfüllt. Mit dem Führungswechsel ist auch eine Neuausrichtung geplant. Der Schwerpunkt des Unternehmens werde künftig auf der Entwicklung und Produktion optischer Geräte liegen. Die Umsetzung dieses Plans wird Späth als Chef des Aufsichtsrates überwachen.

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