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Wirtschaft: "Die Leute wissen nicht mehr, wohin die Bahn fährt"

BERLIN (chi).Bahnchef Johannes Ludewig kommt nun auch aus den eigenen Reihen zunehmend unter Druck.

BERLIN (chi).Bahnchef Johannes Ludewig kommt nun auch aus den eigenen Reihen zunehmend unter Druck.Unmittelbar vor den Verhandlungen über die Fortsetzung des Beschäftigungsbündnisses bei der Bahn am kommenden Mittwoch warf der Vorsitzende der Gewerkschaft der Eisenbahner (GdED), Rudi Schäfer, dem Vorstand Mangel an Visionen, unklare Zielvorgaben, Fehler in der Personalplanung und interne Kommunikationsprobleme vor."Die Leute wissen nicht mehr, wohin die Bahn fährt.Die Reform tritt auf der Stelle", sagte Schäfer in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel.Der Gewerkschaftschef, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Bahn ist, betonte zwar, daß er sich an der Diskussion über eine Abberufung von Johannes Ludewig "nicht beteiligen" wolle.Zugleich aber machte er deutlich, daß der Vorstand insgesamt "sein Verhalten ändern muß".Auch in Bonn seien die Partner nun andere."Die Wahl ist gelaufen", sagte Schäfer.

Um das Verhältnis zwischen der mächtigsten Eisenbahnergewerkschaft und dem Bahnvorstand stand es in jüngster Zeit nicht zum besten.Die GdED warf der Unternehmensleitung vor, die Verhandlungen über eine Fortsetzung des Ende dieses Jahres auslaufenden Beschäftigungsbündnisses mit immer neuen Forderungen zu blockieren.Das 1996 vereinbarte Bündnis sieht den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen vor, im Gegenzug hatten die Gewerkschaften einem Jahresarbeitszeitmodell zugestimmt.Statt auf diesem Grundkonsens aufzubauen, hätte der Vorstand aber nun versucht, "Teile des Tarifvertrages auszuhebeln", kritisiert Schäfer.Dazu zählten die Arbeitszeit- als auch die Zulagenregelung, die einst als leistungsbezogenes Modell gelobt worden war.Als Affront aber empfand er, daß der Bahnvorstand Ende September einseitig ankündigte, über den regulären Stellenabbau hinaus weiteren 3500 Beschäftigten eine Abfindungsregelung anbieten zu wollen.Das Management hat allerdings dementiert, daß es dabei um einen zusätzlichen Stellenabbau gehen soll.

Für die Verhandlungen am Mittwoch zeigt sich der Gewerkschaftschef nicht kompromißbereit.Er fordert eine Verlängerung des Bündnisses mit dem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2002 und den Abbau der Überstunden."Gegenleistungen wird es nicht geben", stellt er klar.Gleichwohl ist er "zuversichtlich, daß es eine Einigung geben wird".Der Vorstand, argumentiert Schäfer, sei auf ein Bündnis angewiesen.Die Engpässe seien offensichtlich.Viele Lokführer und Fahrdienstleiter hätten schon jetzt ihr Arbeitszeitsoll für das Jahr erfüllt.Ohne deren Bereitschaft, Überstunden zu leisten, könnte die Bahn den Fahrbetrieb nicht aufrechterhalten."Da brauchen wir keine Streikdrohung", sagte Schäfer.Der geltende Tarifvertrag biete ausreichend Raum für Flexibilisierungen.Dazu sei man auch bereit, "wir sind ja keine Selbstmörder".

Vielmehr wirft er dem Vorstand vor, Personalplanungen auf "Wunschzahlen" aufzubauen.Vor allem im Westen der Republik sei in zentralen Bereichen das Ende der Fahnenstange erreicht.Im Osten hingegen würden durch die nötigen Modernisierungen noch viele Stellen wegfallen, "dafür brauchen wir das Bündnis", so Schäfer.Den Vorwurf, die Produktivität der Bahn sei zu gering, läßt er nicht gelten.Hier seien deutliche Fortschritte erzielt worden, einseitige Vorwürfe an die Beschäftigten, sie setzten sich nicht genug ein, seien verfehlt."Da muß sich der Vorstand schon selbst an der Nase fassen".

Die Bahn, fordert Schäfer, müsse endlich wieder "offensiv in den Wettbewerb einsteigen".Es sei nicht hinzunehmen, daß etwa Sonderzüge zu Fußballspielen nicht gefahren werden, weil Personal fehle, oder die Kooperation mit der Lufthansa wegen der Probleme der Reisegepäckbeförderung nicht voran komme."So kann ein Unternehmen nicht geführt werden".Bei der Bahn, sagt der Gewerkschaftschef, "muß wieder mehr Schwung rein".

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