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Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat sich als einziger im EZB-Rat offen gegen weitere Anleihekäufe gestemmt. Seiner Meinung nach geht die Notenbank zu weit, gefährdet mittelfristig stabile Preise, mildert den Reformdruck auf die Krisenstaaten.

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Die Macht der Notenbanken: Die Geldmacher

EZB-Chef Mario Draghi will erneut Anleihen von Krisenstaaten aufkaufen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann kritisiert, das gefährde die Preisstabilität.

Ihre endgültige Höhe haben die beiden Türme inzwischen erreicht. Zwei Kilometer vom Frankfurter Bankenviertel entfernt thronen sie auf dem Gelände der früheren Großmarkthalle. Der 500 Millionen Euro teure Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) symbolisiert bereits zwei Jahre vor dem Einzug von Präsident Mario Draghi und rund 1600 Notenbankern: Wir sind eine Macht, die sehr genau hinschaut, was in der Euro-Zone passiert, und die eingreift, wenn es nötig erscheint.

Ein Fels in der Brandung ist die Notenbank längst, auch wenn sie derzeit noch im Eurotower am Willy- Brandt-Platz im Bankenzentrum residiert. Mit der Finanzkrise 2008 und der Euro-Schuldenkrise ist sie ins Zentrum des Krisenmanagements gerückt. Aus einem einfachen Grund: Die EZB herrscht über das Geld in der Euro-Zone. Sie kann frisches Geld schöpfen, theoretisch in unbegrenzter Höhe. Sie allein kann die Notenpresse in Gang setzen, mal schneller, mal langsamer. Oder sie stoppen. Dem Vertrag von Maastricht zufolge steuert sie diesen Prozess in völliger Unabhängigkeit – unter einer strengen Maßgabe: Nach Artikel 105 des Vertrags ist es vorrangiges Ziel der EZB, die Preisstabilität zu gewährleisten. Stabiles Geld ist ihr oberstes Gebot. Sie selbst hat sich das Ziel gesetzt, dass die Inflationsrate bei knapp unter, aber nicht über zwei Prozent liegen soll.

EZB-Präsident Mario Draghi.
EZB-Präsident Mario Draghi.

© AFP

Um ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone zu verhindern, hat die Notenbank bereits über zwei Sonderkredite eine Billion Euro in den Markt gepumpt, weitere 211 Milliarden Euro über den Kauf von Staatsanleihen der Krisenländer. Den Leitzins haben Draghi und Co. auf das Rekordtief von 0,75 Prozent gesenkt. Derzeit soll die EZB bereits an einem neuen Ankaufsprogramm für Anleihen arbeiten, um die Zinslast der Krisenstaaten weiter zu drücken. Details soll es bei der nächsten EZB-Sitzung am Donnerstag in Frankfurt am Main geben.

EZB-Präsident Mario Draghi sieht diese Schritte durch den Maastricht-Vertrag gedeckt. „Die EZB wird immer im Rahmen ihres Mandats handeln“, versichert der Italiener. Die Notenbank trage Verantwortung, gegen „Angst und Irrationalität“ an den Kapitalmärkten vorzugehen, weil dies die Wirkung der Geldpolitik und die Preisstabilität gefährde.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.

© dapd

Ganz anders sieht das Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der sich als einziger im EZB-Rat offen gegen weitere Anleihekäufe stemmt. Seiner Meinung nach geht die Notenbank zu weit, gefährdet mittelfristig stabile Preise, mildert den Reformdruck auf die Krisenstaaten. Solche Geldspritzen, warnt er, könnten „süchtig machen wie eine Droge“. Mit seiner kritischen Haltung scheint Weidmann isoliert dazustehen. Sogar EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, Duzfreund Weidmanns, wirbt für ein neues, milliardenschweres Programm zum Kauf von Staatsanleihen.

Die Notenbank mag unverschuldet in die jetzige Lage gedrängt worden sein und ist, wie Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert sagt, „Gefangener der Situation“. Aber es steht mehr auf dem Spiel. „Das EZB-Direktorium scheint nur noch aus politisch Getriebenen zu bestehen“, umschreibt Eugen Keller vom Bankhaus Metzler die Lage. Die Notenbank, heißt es, laufe Gefahr, ihr Mandat zu verletzen, und gefährde ihre Glaubwürdigkeit. Mit dem Anleihekauf betreibe sie verkappte Staatsfinanzierung. Was der EZB laut Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verboten ist.

Ihre Rolle hat sich in der Krise deutlich verändert, sie hat jetzt eine besondere Macht. Ex-Bundesbank-Chef Axel Weber, die ehemaligen EZB-Chefökonomen Otmar Issing und Jürgen Stark, beide von der Bundesbank zur EZB gekommen, sind aus Frust abgetreten. Auch Weidmann soll bereits über einen Rücktritt nachgedacht, sich aber letztlich auf Drängen der Bundesregierung dagegen entschieden haben, heißt es.

Intern tobt ein Machtkampf.

Tatsächlich mutiert die Notenbank mehr und mehr zum „lender of last resort“, also zum Kreditgeber letzter Instanz und damit zum Rettungsanker für Regierungen, die versagt haben. Die EZB kann im Gegensatz zur Politik schnell handeln. Intern tobt ein Machtkampf, auch zwischen dem deutschen Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen und Bundesbank-Chef Weidmann. Schließlich zieht die indirekte Staatsfinanzierung durch die EZB hohe Haftungsrisiken nach sich, vor allem für Deutschland. Von den Parlamenten ist dies nicht abgesegnet. „Das ist undemokratisch“, sagt Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim.

Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik in Freiburg und einer der fünf Wirtschaftsweisen, sieht durch die Anleihekäufe, die er für „problematisch und gefährlich“ hält, freilich nur einen begrenzten Machtzuwachs für die Notenbank. Denn sie selbst könne keine Auflagen durchsetzen. „Sie kann den Anleihekauf nicht mit Bedingungen verknüpfen.“ Das gehe nur indirekt, etwa über den Rettungsschirm ESM. Trotzdem giere die EZB wie jede andere Behörde nach mehr Einfluss. Das gilt nach Ansicht von Feld für die europäische Bankenaufsicht, die die Notenbank komplett an sich ziehen will. Bis hin zum Recht, marode Banken zu schließen, wie EZB-Direktor Asmussen betont. Dann aber, meint Feld, drohten schwere Zielkonflikte zwischen der Geldpolitik und der wirtschaftlichen und finanziellen Stabilität einerseits und der Schließung etwa einer Großbank in einem Euro-Staat mit möglicherweise gravierenden Folgen für den Finanzmarkt andererseits.

Alles deutet derzeit darauf hin, dass die Aufsicht tatsächlich bei der EZB landet, zumal sich die aktuelle Aufsichtsbehörde EBA mit ihren fragwürdigen Bankenstresstests nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Die EZB jedenfalls baut vor, nicht nur durch die neue Zentrale im Frankfurter Osten. Gerade hat das EZB-Direktorium weitere 40 neue Stellen bewilligt. Obwohl Feld trotz der Krise noch keine Überforderung der Notenbanker im Eurotower erkennt.

Es bleibt auch so noch Spielraum, mehr Macht und Einfluss in der Notenbank zu bündeln. Es sei denn, die Regierungen kommen mit der Konsolidierung der Staatsfinanzen und den auch von der EZB geforderten Reformen zügiger voran als bislang.

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