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Wirtschaft: Die Nachbarn im Osten mausern sich - Nach Polen und Ungarn gelingt auch Tschechien die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

Das Vertrauen der Investoren in die drei neuen NATO-Mitgliedsländer aus Mittelosteuropa zahlte sich im vergangenen Jahr aus. Der Sog der Russlandkrise vom Herbst 1998 wurde in Ungarn, Polen und der Tschechischen Republik bald überwunden, die Börsenindizes erholten sich zum Teil kräftig.

Das Vertrauen der Investoren in die drei neuen NATO-Mitgliedsländer aus Mittelosteuropa zahlte sich im vergangenen Jahr aus. Der Sog der Russlandkrise vom Herbst 1998 wurde in Ungarn, Polen und der Tschechischen Republik bald überwunden, die Börsenindizes erholten sich zum Teil kräftig. Während die Börse in Warschau Ende des letzten Jahres gemessen am Vorjahr einen Zuwachs von über 43 Prozent meldete, schloss man in Prag das Jahr 1999 mit einem durchschnittlichen Aktienplus von 24 Prozent und in Budapest mit immerhin 13 Prozent ab. Und seit Jahresanfang setzte sich der Trend fort.

Für die Jahre 2000 und 2001 erwartet man in Budapest einen Zuwachs des Bruttoinlandprodukts um vier Prozent. Noch mehr Dynamik wird jedoch die polnische Wirtschaft an den Tag legen: laut Expertenmeinung wird sie in den nächsten zwei Jahren um 4,5 Prozent bis fünf Prozent wachsen. Von solchen Entwicklungen kann man in Prag derzeit nur träumen: nur 1,5 beziehungsweise 2,2 Prozent Wachstum werden für die nächsten zwei Jahre von dem tschechischen Finanzministerium vorausgesagt.

Da Brüssel aber für die EU-Mitgliedsländer eine Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts von demnächst drei Prozent erwartet, wird sich die Schere zwischen EU und dem Beitrittskandiat Tschechien weiter öffnen. Allerdings erwirtschaftet das Land im Vergleich zur EU umgerechnet auf Einwohnerzahl und Kaufkraft immer noch ein höheres Bruttoinlandprodukt (etwa 63 Prozent) als ihre Nachbarn in Ungarn (54 Prozent) oder Polen (43 Prozent).

Doch während die beiden anderen in den letzten zehn Jahren ihren Rückstand gegenüber der EU zügig verringern konnten, wuchs der Abstand von Tschechien um fünf Prozent. Andererseits zeigt die relativ gute Ausgangslage Böhmens und Mährens, dass die dortige Wirtschaft ihr Wachstumspotenzial bei weitem noch nicht ausschöpfte. Dies könnte sich bald ändern. Denn eine Reihe von Zusatzvereinbarungen zwischen der sozialdemokratischen Minderheitsregierung und den Bürgerlichen Demokraten (ODS) des Parlamentsvorsitzenden Vaclav Klaus soll künftig für mehr Stabilität sorgen und den Reformstau endlich auflösen.

Als die stärkste Oppositionspartei hält die ODS bereits seit den letzten Wahlen im Jahre 1998 die Sozialdemokraten mit einem schriftlichen "Oppositionsvertrag" stillschweigend an der Macht, hat sie aber gleichzeitig auch fest im Griff. Um die Verabschiedung ihres stark defizitären Haushaltsentwurfs zu sichern, mussten sich die Sozialdemokraten unter anderem schriftlich dazu verpflichten, die Strukturreformen mit Nachdruck voranzubringen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen sie die Strom- und Mietpreisbindung abschaffen und die Privatisierung der restlichen Staatsbetriebe verstärkt vorantreiben.

Da vielen Industriefabriken ausreichendes Kapital fehlt, wird gemeinhin mit einer Pleite-Welle und einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf zehn bis zwölf Prozent gerechnet. Ähnlich wie ihre postkommunistischen Genossen in Polen oder Ungarn, die seinerzeit in ihren Ländern ebenfalls die von den Mitte-Rechts-Regierungen in die Wege geleitete Transformation haben vorantreiben müssen, werden auch die tschechischen Sozialdemokraten für die unpopulären Entwicklungen spätestens in den nächsten Parlamentswahlen 2002 wohl ihre Regierungsmacht einbüßen.

Dabei könnten die Sozialdemokraten langfristig der tschechischen Wirtschaft durchaus zu einer stabileren Grundlage verhelfen. So hat sich die sozialdemokratische Minderheitsregierung darauf verständigt, sich demnächst im Parlament auf die rasche Verabschiedung der EU-Normen zu konzentrieren. Damit soll der Integrationsprozess angekurbelt werden. Durch das Einführen von zahlreichen Steuererleichterungen und weiteren Anreizen wurde inzwischen auch in Tschechien ein günstiges Investitionsklima geschaffen. Die ausländischen Interessenten revanchieren sich bereits seit vergangenem Jahr mit einer außergewöhnlich hohen Investitionsflut, die von knapp 82 Milliarden Kronen im Jahre 1998 auf 140 Milliarden Kronen stieg und in diesem Jahr um weitere 100 Milliarden übertroffen werden soll.

In dieser Bilanz überwiegen die Akquisitionen im Bankwesen sowie die Investitionen "auf der grünen Wiese", nicht selten jedoch in Filialen großer Handelsketten. 1999 ging die Handelsbank CSOB an die belgische KBC-Gruppe über. Anfang Februar wurde von der Regierung der Verkauf der Tschechischen Sparkasse (CS) an die österreichische Erste Bank gebilligt. Für 52 Prozent staatlicher Aktien wollen die Österreicher 19 Milliarden Kronen zahlen. Das ist 30 Prozent mehr als die CS-Aktien vorher an der Prager Börse wert waren. Allerdings entledigte sich die Tschechische Sparkasse in den letzten zwei Jahren mit Hilfe des Staates von schlechten Krediten für etwa 40 Milliarden Kronen. Für weitere rund 25 Milliarden Altlasten in der Sparkasse will der Staat in den nächsten Jahren noch bürgen. Mit weitaus höheren Beträgen muss ebenfalls die letzte noch zur Privatisierung anstehende tschechische Bank "Komercni banka" saniert werden. Da die Entscheidung der Regierung darüber unmittelbar bevorsteht, wird der Wert der Aktien in die Höhe getrieben.

Auch in Polen und Ungarn gehören die Banktitel zu den Rennern an den Börsen. Seit die angekündigte Fusion des bedeutenden polnischen Bankhauses Bank Handlowy mit ihrem heimischen Konkurrenten, der von der deutschen Commerzbank kontrollierten BRE Bank am Widerstand des polnischen Staates zu scheitern droht, wird Bank Handlowy intensiv von der US-amerikanischen Citigroup umworben. Auch in Ungarn ziehen seit Jahresanfang die Aktien der OTP-Bank den Börsenindex in die Höhe.

Gute Positionen erzielen auf allen drei Börsen jedoch ebenfalls die Kommunikationstechnologien. In Ungarn wuchsen die Aktien der dortigen Telekom Matav seit Jahresanfang um 17 Prozent. Die geplante Umbildung der Tarifgruppen nach dem EU-Vorbild soll dem Unternehmen dieses Jahr zu einem Gewinnplus von 30 Prozent verhelfen. Auch die Papiere des polnischen Operators TPSA zogen nach. Derzeit ist TSPA stark im Angebot des Internet-Zugangs.

Für positive Überraschung sorgten kürzlich die Aktien der größten polnischen Internet-Gesellschaft Wirtualna Polska. In Prag gehören auf diesem Gebiet außer der Telekom-Gesellschaft "Cesky Telecom" die Aktien von "Ceske Radiokomunikace" (vgl. nebenstehender Beitrag) nach wie vor zu den "Blue Chips".

Ludmila Rakusan

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