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Hartmut Mehdorn will bei Air Berlin sparen.

© dapd

Die neue Air Berlin: Mehdorn will Strecken streichen und Flugzeuge verkaufen

Der neue Air-Berlin-Vorstandschef Hartmut Mehdorn will pro Jahr 200 Millionen Euro einsparen. "Natürliche Fluktuation" soll dabei helfen, Personal abzubauen.

Berlin - Hartmut Mehdorn ist bei Air Berlin angekommen. Mit den Vorständen ist er immerhin schon per du. Auch sei er „positiv angetan und überrascht über die Motivation, das Engagement und das Fachwissen der Führungsmannschaft“, wie er am Mittwoch sagte. Es klang, als sei er von der Deutschen Bahn, der er fast zehn Jahre lang vorstand, anderes gewohnt. Das war es aber schon mit den Freundlichkeiten. Im Weiteren nannte Mehdorn gemeinsam mit „dem Ulf“ (Finanzvorstand Hüttmeyer) erste Details zum neuen Sparprogramm. Die dürften in einigen Abteilungen und vor allem bei Provinzflughäfen Besorgnis auslösen.

Zunächst knüpfte Mehdorn aber an eine Tradition an, die schon sein Vorgänger Joachim Hunold mehr gepflegt hatte als andere Manager: Er verwies auf andere Schuldige. „Wenn der durchschnittliche Bürger die Zeitung aufschlägt, wird ihm das Fürchten gelehrt. Da kann man verstehen, dass er nicht heute schon seinen Osterurlaub bucht“, analysierte Mehdorn. Mussten 2010 Schneestürme und Vulkane, später die Umstürze in Ägypten und Tunesien als Begründung dafür herhalten, dass Air Berlin entgegen aller Ankündigungen Verluste einfliegt, ist es nun die verbreitete Angst vor einem Euro-Kollaps und einem konjunkturellen Abschwung generell.

Mehdorn verwies in dem Kontext auf die Konkurrenten Air France-KLM und Lufthansa. Letztere Airline hatte am Dienstag über schlechte Buchungszahlen im August berichtet, und daher die Gewinnprognose gesenkt.

Dauerthema bei allen in Deutschland aktiven Fluggesellschaften ist zudem die Anfang des Jahres eingeführte Luftverkehrssteuer. Die Kosten dafür bezifferte Mehdorn auf 170 Millionen Euro im laufenden Jahr. Die Botschaft: Gäbe es diese Abgabe nicht, wäre Air Berlin in diesem Jahr erstmals seit Jahren profitabel. „Die Steuer kam zur Unzeit und bringt uns in eine schwierige Situation“, hielt er fest.

Sein konkretes Ziel für das kommende Jahr ist es nun, Sparmaßnahmen umzusetzen, die das jährliche Betriebsergebnis (Ebit) um 200 Millionen Euro verbessern sollen. Dazu hat der Vorstand 33 Arbeitsgruppen eingerichtet. Je eine Gruppe befasst sich derzeit mit den Ticketpreisen, dem Marketing, den Treibstoffkosten oder einer Vereinfachung der IT-Struktur. Andere beschäftigen sich mit dem Essen an Bord oder der Beschaffung von Ersatzteilen. „Wir sind dabei, jeden Stein umzudrehen“, sagte Mehdorn. Der Prozess sei aber noch längst nicht abgeschlossen. In diesem Jahr wird Air Berlin daher wohl noch eine rote Null schreiben.

Zwar sollen alle Bereiche nach Potenzialen suchen. Mehdorn stellte aber klar, dass die Gesellschaft weder beim Kunden, beim Service „und schon gar nicht bei der Sicherheit“ sparen werde. Das dürfte dafür sprechen, dass in den Wartungsbetrieben und Callcentern des Unternehmens vorerst eher nicht mit Stellenstreichungen zu rechnen ist. Bei der Verwaltung in Berlin aber suche man mit Hochdruck nach Doppelstrukturen, hieß es. Auch werde Personal an kleineren Standorten, die Air Berlin aus dem Flugplan streicht, nicht gebraucht. Der Flughafen Erfurt wurde genannt, andere Standorte sollen folgen. Konkrete Zahlen zum Personal nannte Mehdorn nicht, zu betriebsbedingten Kündigungen solle es nicht kommen. Er setze auf die „natürliche Fluktuation“, sagt er.

Der ehemalige Bahnsanierer hat auch bereits das Geschäftsmodell grundsätzlich infrage gestellt, ist aber zu der Überzeugung gelangt, dass Air Berlin eigentlich ganz gut positioniert ist. Das Unternehmen verschickte dazu an Investoren und die Presse eine Grafik mit einer schematischen Darstellung der Branche in Form eines Dreiecks: An einem Punkt sind die klassischen Gesellschaften wie Lufthansa, die vollen Service für alle Kundengruppen anbieten, eingetragen. Am zweiten stehen Billigflieger wie Ryanair oder Easyjet, die für Leistungen Zusatzkosten verlangen und keine Drehkreuze für Umsteiger betreiben, sondern meist isolierte Städteverbindungen. An der dritten Ecke stehen Touristik- und Charterfluggesellschaften, die ebenfalls wenig Service bieten, aber sehr flexibel auf saisonale Schwankungen reagieren können.

Die Air Berlin, die einst ein Billigfliegerimage hatte, sieht sich heute auf dem Schenkel zwischen „Full Service“ und „Touristik“, erklärte Finanzchef Hüttmeyer, „wir werden uns nicht auf die Premium-Geschäftskunden konzentrieren, aber trotzdem viel Service gegen Geld anbieten.“ Zugleich wolle man den deutschen Touristikmarkt, dem er ein Volumen von 50 Milliarden Euro im Jahr zuschrieb, nicht aus den Augen verlieren. Eine Idee, Air Berlin in zwei Flotten und Marken aufzuteilen, um so beide Segmente zu bedienen, hat der Vorstand ebenfalls verworfen.

Air Berlin hat zugleich eine Verhaltensänderung bei den Kunden registriert, auf die man stärker reagieren will. Heute würden Reisende weniger im Reisebüro oder am Ticketschalter buchen, sondern verstärkt bekannte Vergleichsportale wie Opodo oder Expedia im Internet nutzen. Auf diese technikaffine Klientel wolle man sich einstellen und an bequemeren Buchungssystemen und Check-in-Verfahren arbeiten. Schon im kommenden Jahr will Air Berlin erreichen, dass 60 Prozent der Fluggäste sich weitgehend elektronisch selbst einchecken. Dafür könne dann der ein oder andere Schalter geschlossen werden, hieß es.

Schnelle Sparerfolge verspricht sich Air Berlin von einer Verkleinerung der Flotte um zehn Prozent von derzeit 170 Flugzeugen auf 152 im Sommer 2012. Weil Flugpläne aber besser getaktet werden sollen, wird die Flugleistung nur um vier Prozent sinken.

Trotz allem: Wachsen will Air Berlin auch – vor allem an den vier Drehkreuzen in Berlin, Düsseldorf, Wien und Palma de Mallorca. Air Berlin will auch stärker als bisher davon profitieren, dass Berlin bei Touristenzahlen immer neue Rekorde erzielt. Auch der neue Flughafen werde helfen. „Allerdings wird es hier sehr darauf ankommen, dass die nächtlichen Flugzeitbeschränkungen nicht so restriktiv gehandhabt werden“, sagte er. Anwohner im Südosten der Hauptstadt fordern einen Flugstopp zwischen 22 und 6 Uhr.

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