zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Die Niederlande ist ein sicherer Kandidat für die Währungsunion

"Ein Vorbild für den deutschen Bundeskanzler"/Ihre Hausaufgaben hat dieRegierung Kok bereits erledigtVON THOMAS ROSER, AMSTERDAMDie Niederlande Es wird ernst aufdem Weg zur Europäischen Währungsunion.Die wirtschaftlichen Daten diesesJahres entscheiden darüber, welches Land beim Start des Euro im Jahre 1999mit von der Partie sein wird.

"Ein Vorbild für den deutschen Bundeskanzler"/Ihre Hausaufgaben hat dieRegierung Kok bereits erledigtVON THOMAS ROSER, AMSTERDAM

Die Niederlande Es wird ernst aufdem Weg zur Europäischen Währungsunion.Die wirtschaftlichen Daten diesesJahres entscheiden darüber, welches Land beim Start des Euro im Jahre 1999mit von der Partie sein wird.Was aber denken die Bürger? Wie starkidentifiziert man sich mit der Idee Europa? Wie beurteilen unsere Nachbarndie so sehr auf Stabilität bedachten Deutschen? In der neuen Serie "Werist fit für Europa?" zeichnen unsere Auslandskorrespondenten einStimmungsbild. Bevor die Niederlande am1.Januar die EU-Präsidentschaft übernahmen, legte Premier Wim Kok imDezember nochmals ein Bekenntnis zum europäischen Einigungsprozeß ab."Europa ist Teil meines Lebens," bekannte der sonst stets betontdistanzierte Sozialdemokrat.Die Begeisterung für den Integrationsgedankensei bei jüngeren Leuten zwar einer eher pragmatischeren Haltung zu Europagewichen, räumte der Premier ein.Doch die Niederlande verfügten übereinen "gut entwickelten" Kaufmannsgeist.Und daß man wirtschaftlich mitder europäischen Integration nicht schlecht fahre, sei gemeinhinunumstritten.In der Exportnation Niederlande hat im Grunde nie jemand am Sinn derEuropäischen Währungsunion (EWU) gezweifelt.Und die frühzeitigenBemühungen, die Aufnahmekriterien auch zu erfüllen, haben sich bereitsbezahlt gemacht: Das Land gilt nach Luxemburg als einer der sicherstenKandidaten für die Aufnahme in die Währungsunion.Stolz wuchteteFinanzminister Gerrit Zalm im vergangenen September zum Auftakt des neuenparlamentarischen Jahres den Holzkoffer mit dem Haushaltsentwurf für 1997den Photographen entgegen."Wenn sich die Niederlande nicht für dieWährungunion qualifizieren, gelingt das keinem anderen Land," kommentierteer selbstbewußt seinen Etat.Seinen Berechnungen zufolge wird das Defizit1997 von 2,6 auf 2,2 Prozent, die Staatsverschuldung von 78,8 auf 76,2Prozent sinken.Auch die niederländische Presse zweifelt nicht daran, daßden Niederländern die Aufnahme in den Kreis der Euro-Länder auf Anhiebgelingt.Die harten Sparprogramme, die Ländern wie Frankreich undDeutschland noch bevorstehen, hat das Land schon hinter sich.Auch KöniginBeatrix beschwört ihre Landsleute: Die Politik, für die viele Opferbringen mußten, werfe nun ihre Früchte ab.Und: die Währungsunionfördere das Funktionieren des Binnenmarktes - und damit auchBeschäftigung und Wohlfahrt."Europas Zukunft ist unsere Zukunft."In der exportabhängigen Handelsnation verspricht man sich von einereinheitlichen EU-Währung vor allem neue Impulse für den Warenaustausch.Schließlich gehen 80 Prozent der Exporte des Königreichs in dieMitgliedsstaaten der EU.Die harten Sparmaßnahmen, zu denen sich dieeuropäischen Nachbarn zur Erfüllung der EWU-Qualifikationskriterien nachwie vor gezwungen sehen, bleiben den Niederländern allerdings erspart.Zumeinen geben ein kräftiges Wirtschaftswachstum und sinkendeArbeitslosenzahlen Den Haag finanzpolitisch mehr Spielraum.Zum anderenhaben die Niederlande wichtige Sozialreformen bereits Anfang der 90er Jahrein Angriff genommen, die staatlichen Sozialleistungen erheblich reduziert.1990 hatte der damalige christdemokratische Premier Ruud Lubbers die"niederländische Krankheit" diagnostiziert.Über 15 Prozent derErbwerbsbevölkerung kassierte damals eine Invalidenrente, nahezu einViertel des Bruttosozialproduktes ging auf das Konto derBerufsinvalidenversicherung.Das Land lag mit seinen Sozialausgabengemeinsam mit Dänemark an der Spitze in der EU.Kurzerhand wurde dem Landein rigider Sparkurs verordnet, Sozialleistungen wurden gekürzt, dieBedingungen für deren Erhalt verschärft.Inzwischen macht sich Radikalkurbezahlt.Trotz der fortschreitenden Überalterung der Gesellschaft sank dieZahl der Empfänger staatlicher Renten und Sozialleistungen 1995 erstmalswieder.Die Zahl der Kritiker scheint angesichts einer rückläufigenArbeitslosenquote - von zuletzt 7,1 Prozent auf nun 6,7 Prozent - zuverstummen.Außerdem werden die Folgen der Sparpolitik für dieBevölkerung durch eine wieder leicht anziehende Konjunktur gedämpft.Derwirtschaftliche Erfolg scheint den Verfechtern eines Sozialabbaus recht zugeben.Das Wirtschaftswachstum für 1996 wird auf 2,7 Prozent geschätzt -das ist deutlich mehr als in den Nachbarstaaten.Sparmeister Kok ist heutePremier des Landes.Und nicht von ungefähr hat sich die amtierendeDrei-Parteien-Koalition aus Sozialdemokraten, Rechts- und Linksliberaleneiner strikten Ausgaben- und Haushaltsdisziplin unterworfen.Die Angst,daß der starke Gulden durch einen schwachen Euro ersetzt wird, hält sichin Grenzen.Dabei scheint auch eine Rolle zu spielen, daß Wim Duisenberg,der bisherige Präsident der niederländischen Zentralbank, im Juli zumneuen Präsident des Europäischen Währungsinstituts (EWI) gekürt wird.Sofern Frankreich nicht noch einen eigenen Kandidaten durchzudrückenvermag, wird der Niederländer nach Einführung des Euro auch auf denChefsessel der Europäischen Zentralbank rutschen.Derweil wandelt sich dastraditionelle Rollenverständnis.Nicht länger gelten die Deutschen denNiederländern als unangefochtenes wirtschaftliches Vorbild.Die altenRollen scheinen sich umzukehren.Die Inflationsrate liegt mit unter zweiProzent ähnlich niedrig wie in Deutschland."Alles läuft besser, als beimAntritt des Kabinetts 1994 vorhergesagt," kommentiert die niederländischePresse den Etatentwurf für 1997.Die Niederlande, ist man überzeugt,seien bereits "ein Vorbild für den deutschen Kanzler".ENDSPURT - dieNiederländer wissen, was sie können.Im Europäischen Währungsclub sindsie mit von der Partie.

THOMAS ROSER[AMSTERDAM]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false