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Wirtschaft: „Die Opec nimmt keine Rücksicht auf deutsche Ferien“

Der Chef von BP-Deutschland, Wilhelm Bonse-Geuking, über steigende Öl- und Benzinpreise und das deutsche Chaos beim Emissionshandel

Herr BonseGeuking, die Benzinpreise nähern sich den Höchstständen vom vergangenen Jahr. Wieso zocken Sie die Autofahrer ab?

Im letzten Jahr hatten wir an 80 Tagen Preisbewegungen nach oben und an 220 Tagen Preisbewegungen nach unten. Allein statistisch gesehen haben wir also rund 1,5 Preiserhöhungen pro Woche, die in der Folge über mehrere Tage wieder abbröckeln. Es ist eine extrem selektive Wahrnehmung, wenn man uns vorwirft, gezielt zu Ostern oder zum Beginn der Ferien erhöhten wir die Preise. Meinen Sie, die Opec hätte ihre Förderkürzung für Anfang April mit Rücksicht auf die deutschen Osterferien beschlossen? Wir haben im ersten Quartal an den Tankstellen kein gutes Geschäft gemacht.

Wie schlecht war es?

Wir sind mit unseren Ergebnissen deutlich unter Plan. Die Preise für Rohöl sind gestiegen. Verstärkt wurde der Trend noch durch den wieder etwas schwächeren Euro, weil Öl in Dollar abgerechnet wird. An den Tankstellen haben wir aber die Preise nicht im gleichen Maß erhöhen können.

Warum ziehen Sie sich dann nicht aus dem Tankstellengeschäft zurück?

Das letzte Jahr war nicht schlecht. Außerdem produzieren wir in unseren Raffinerien nicht nur Benzin. Wir beliefern auch die Flughäfen und verkaufen daneben Schmierstoffe, Heizöl oder Rohbenzin für die Chemie. Insgesamt läuft unser Geschäft in Deutschland sehr zufriedenstellend.

Aber Sie könnten sich doch auf die profitableren Teile konzentrieren …

Bitte nicht missverstehen: Das Tankstellengeschäft ist nicht so gut wie geplant. Aber es ist nicht schlecht. Außerdem: Tankstellen verkaufen ja nicht nur Benzin. Mit unseren Shops machen wir ein gutes Geschäft. Kraft- und Schmierstoffe stehen nur noch für 21 Prozent der Erträge der Stationen.

Wozu brauchen Sie dann noch die Zapfsäule?

Das Auto zieht die Kunden an und ist nötig, um das Shop-Geschäft rentabel zu betreiben. Außerdem brauchen wir die Tankstellen, um die jährlich 18 Millionen Tonnen Treibstoff zu vermarkten, die wir produzieren.

Was geschieht mit dem Benzinpreis, wenn der Euro weiter sinkt?

Keiner kann den Wechselkurs voraussagen. Aber wenn der Euro sinkt und dadurch die Einstandspreise für unsere Produkte teurer werden, würde es zu einer Preiserhöhung an den Tankstellen führen. Bloß ist der Euro nicht der einzige Faktor. An der New Yorker Börse ist der Anteil von Ölverträgen, die rein spekulativ oder zur Absicherung vor weiter steigenden Kursen gekauft werden, auf einem historischen Höchststand. Wenn der Rohölpreis – aus welchem Grund auch immer – schwächer wird, werden diese Kontrakte losgeschlagen. Und das wird den Ölpreis zusätzlich senken.

Aber Öl wird doch immer knapper …

In der Tat, wenn man sich die Ölbestände in der OECD, also den wichtigen Industriestaaten der Welt, anschaut, dann liegen sie heute unter dem langjährigen Mittel. Und man muss sich natürlich fragen, wieso der Ölpreis stabil hoch bleibt trotz der Überproduktion der Opec, die mehr fördert als offiziell vereinbart. Das kann nur bedeuten, dass der Verbrauch außerhalb der OECD doch höher ist als gedacht. Hier geht es vor allem um China, das mit zweistelligen Wachstumsraten läuft.

Das heißt: Öl bleibt noch lange teuer?

Nicht unbedingt. Zum einen gehen wir davon aus, dass es keinen Grund dafür gibt, dass die Preise noch stark steigen. Zum Zweiten, sollte es aus den Krisenherden Naher Osten und in gewisser Weise auch Venezuela keine unliebsamen Überraschungen geben, dann sprechen alle Fakten eher für einen schwächeren Ölprei s – nicht innerhalb der nächsten drei, vier Wochen, aber während der kommenden drei, vier Jahre .

Wie schwach?

20 bis 25 Dollar je Barrel à 159 Liter. Aber die BP geht in ihren Planungen nicht mehr davon aus, dass der Preis im längerfristigen Durchschnitt auf unter 20 Dollar fallen wird.

Derzeit liegt der Ölpreis bei über 30 Dollar pro Barrel. Was wird aus Ihren schönen Gewinnen, wenn der Preis auf 20 Dollar sinkt? Verdienen Sie dann noch was?

Ja. Neue Vorkommen zu finden und die Förderung zu starten, ist heute noch für umgerechnet vier bis fünf Dollar je Barrel möglich.

Nun hat Ihr Konkurrent Shell vor kurzem den Wert seiner Ölreserven um 20 Prozent abwerten müssen. Steht Ihnen das Gleiche bevor?

BP bilanziert seit vielen Jahren sehr konservativ. Und auch für die Schätzungen der Weltreserven sehe ich keinen Grund zur Abwertung. Im Übrigen findet BP immer noch mehr neue Ölvorkommen als gefördert wird. In den letzten fünf Jahren war es durchschnittlich ein Fünftel mehr. Das heißt, unsere Reserven wachsen jedes Jahr, obwohl wir Öl fördern.

Und – wird das auch so bleiben?

Auch in den nächsten Jahren kommen dank des hohen Ölpreises erhebliche neue Mengen auf den Markt. 2005 wird zum Beispiel die Pipeline vom Kaspischen Meer über die Türkei ans Mittelmeer fertig mit einer Kapazität von einer Million Barrel pro Tag – dem halben Tagesverbrauch von Deutschland. Und im Golf von Mexiko haben wir drei große Tiefseebohrtürme, die ebenfalls innerhalb der nächsten anderthalb Jahre mit der Produktion beginnen. Auch vor Westafrika werden Tiefseeregionen erschlossen. Da kommt einiges in Gang.

Auch in Deutschland kommt einiges in Gang. Was bedeutet die jüngste Einigung zum Emissionshandel für Sie?

Was uns Sorge macht – und nicht nur in Bezug auf die Raffinerien – ist, dass wir durch die spezifisch deutschen Maßnahmen beim Umweltschutz unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa weiter beeinträchtigen. BP hat sich immer für den Emissionshandel eingesetzt. Aber das, was das Bundesumweltministerium unter Jürgen Trittin da entwickelt hatte, geht nicht.

Wieso?

Der Topf, aus dem die Emissionszertifikate zugeteilt würden, sollte unter anderem über die Maßen knapp gehalten werden, was die Zertifikate nur teurer gemacht hätte. Der Handel soll aber den Umweltschutz besonders kostengünstig machen. Im Übrigen: Wir begeben uns auf absolutes Neuland.

Aber doch nicht für Sie. BP hat doch konzernintern den Emissionshandel bereits ausprobiert.

Es gibt aber noch keinen weltweiten Emissionshandel. Die Datenbasis, auf der alles aufbaut, ist sehr wacklig. Als in Deutschland die Daten zur Jahreswende erhoben wurden, gab es jede Menge Chaos und Missverständnisse. Ich will keinen Zweifel an dem ernsthaften und ehrlichen Bemühen des Ministeriums lassen, hier eine vernünftige Zahlenbasis zu schaffen. Aber es sagt selbst, sie ist nicht perfekt.

Woran liegt das?

Das Ministerium, die Länder und die Unternehmen mussten unter einem immensen Zeitdruck arbeiten. Das musste zu Fehlinterpretationen und -meldungen führen. Wir hätten sehr viel früher mit den Verhandlungen beginnen sollen. Die EU hat ihren Entschluss im Dezember 2002 gefasst. Und die erste Verhandlung in Deutschland war im September 2003. Da sind neun Monate vergangen, ohne dass wir zwischen Regierung und Industrie Gespräche führen konnten.

Wer ist schuld?

Die Interpretation überlasse ich anderen. Tatsache ist aber, dass die Bundesregierung bis zum Dezember 2002 versucht hat, den Emissionshandel zu verhindern. Und ein kluges Wirtschaften bedeutet, dass ich nicht nur einen Plan A habe, sondern auch einen Plan B.

Wird das Kompromiss-Paket noch einmal aufgeschnürt?

Es gibt jetzt einen zweiten Prozess zur Datenerhebung im Juni. Vor dem Hintergrund muss der Kompromiss zwischen Wolfgang Clement und Trittin überprüft werden. Dabei gibt es eine massive Ungleichbehandlung. Prozessbedingte Emissionen, die bei der Produktion technisch nicht zu vermeiden sind, werden bei einigen voll angerechnet – bei der Raffinerieindustrie nicht. Wenn jedoch eine Bundesregierung einen nationalen Allokationsplan festsetzt, dann müssen dessen Grundsätze für alle gleichermaßen gelten – und nicht nur für die vor allem in Nordrhein-Westfalen ansässige Industrie.

Was ist aus Ihrem Plan geworden, sich auf dem deutschen Gasmarkt verstärkt zu engagieren?

Wir haben mit Mühe ein paar Kunden gewonnen. Und wir haben – allein durch unser Angebot – dafür gesorgt, dass mehr als hundert Unternehmen von ihren bisherigen Lieferanten bis zu 30 Prozent niedrigere Preise berechnet werden. Mit diesem Preiswettbewerb habe ich kein Problem. Problematisch ist aber, dass wir den großen Anbietern mehr für die Durchleitung von unserem Gas zahlen müssen, als diese sich intern selber berechnen. Wir sind schon aktiv. Aber es gibt nicht genügend Wettbewerb.

Wie könnte der Wettbewerb besser werden?

Die Hürden, die sich uns in den Weg stellen, wenn wir einen Kunden beliefern wollen und die Lieferkette über drei, vier Unternehmen organisieren müssen, sind zu hoch. Die Organisation ist meist so zeitaufwändig, dass der Kunde dann schon wieder weg ist. Die Gaspreise in Deutschland könnten deutlich sinken, wenn man endlich einen wirklichen Wettbewerb hätte. Besonders die Mittelständler, Stadtwerke und Endkunden könnten davon profitieren. Aber der zukünftige Regulator darf mit Aufgaben nicht überfrachtet werden. Das ist zu befürchten, wenn ich mir einige Vorschläge von Trittin anschaue. Der Regulator hat vor allem eine Aufgabe: auf fairen Wettbewerb zu achten.

Das Gespräch führte Bernd Hops.

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