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Wirtschaft: Die Rente mit 67 hat Folgen – für Beamte

Auch für Bergleute und Witwen dürfte sich einiges ändern. Was genau, will die Koalition ab der kommenden Woche klären

Berlin - Es war der Überraschungscoup des Jahres: Ende Januar überrumpelte Bundessozialminister Franz Müntefering (SPD) Parteifreunde und Koalitionspolitiker mit der Ankündigung, die Deutschen zwei Jahre länger für die Rente arbeiten zu lassen – und zwar schneller als ursprünglich geplant. Die Empörung über den Alleingang Münteferings war groß: Rentnerlobbyisten gingen auf die Barrikaden, Gewerkschafter und linke SPD-Politiker protestierten gegen die Rente mit 67. Jetzt muss das Ministerium die Rentenpläne umsetzen. Einen Gesetzentwurf wollen Münteferings Fachleute voraussichtlich gegen Ende des Jahres vorlegen. Ab der kommenden Woche wollen die Rentenexperten der Koalitionsfraktionen die offenen Fragen klären, die mit der Reform verbunden sind.

Und das sind viele. Die Rente mit 67 betrifft nämlich nicht nur die Arbeiter und Angestellten. Auch die Beamten werden länger arbeiten müssen. Sämtliche Tarifverträge, in denen festgeschrieben ist, dass das Arbeitsleben mit 65 endet, müssen umgeschrieben werden. Die Riester-Förderung muss um zwei Jahre verlängert werden, fordert der Versicherungsverband GDV. Verbraucher, die eine Lebensversicherung geschlossen haben, müssen sich Gedanken über eine Verlängerung ihrer Policen machen. Und die Deutsche Rentenversicherung muss ausrechnen, was der spätere Renteneintritt für die heutigen Frührenten bedeutet. Sie alle warten auf Vorgaben aus der Politik.

Wenn die Bundesregierung wie geplant zwischen 2012 und 2029 schrittweise die Rente mit 67 einführt, hat das auch Auswirkungen auf die Altersgrenzen in anderen Bereichen – etwa für Witwen und Witwer, für Bergleute oder für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ihrem Job nachgehen können. Sozialminister Müntefering hat sich noch nicht festgelegt, für welche Gruppen die Altersgrenzen angehoben werden sollen.

Erwerbsminderungsrente: Der rentenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Weiß, rechnet damit, dass die Koalition die Altersgrenzen bei der Erwerbsminderungsrente um zwei Jahre anheben wird. „Wir müssen aufpassen, dass keine neue Frühverrentung entsteht“, sagte Weiß dem Tagesspiegel am Sonntag. Derzeit muss ein Erwerbsminderungsrentner Abschläge hinnehmen, wenn er vor dem Alter von 63 Jahren in die Altersrente geht. Für jeden Monat wird ihm die Rente um 0,3 Prozent gekürzt, es sind maximal 10,8 Prozent, wenn er mit 60 Jahren in Rente geht. Die Grenze, ab der ein Erwerbsminderungsrentner ohne Abschläge seine Altersrente beziehen kann, könnte also auf 65 Jahre angehoben werden. Dass die schwarz-rote Koalition für bestimmte Berufsgruppen Ausnahmen von der Rente mit 67 einführen wird (etwa Dachdecker), damit rechnet der CDU-Politiker Weiß nicht. „Das wäre viel zu kompliziert“, sagt er.

Witwenrente: Zurzeit haben Witwen ab dem Alter von 45 Jahren Anspruch auf eine volle Witwenrente. Ob diese Altersgrenze angehoben wird, ist aber äußerst fraglich. Müntefering hatte kürzlich klargestellt, die Regierung plane keine Kürzungen der Witwenrente. Auch in der Union gibt es dagegen Widerstand.

Bergleute: Derzeit dürfen langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute schon mit 60 Jahren in Rente gehen. Auch diese Altersgrenze könnte angehoben werden.

Frührentner: Fraglich ist, ob es bei den bisherigen Rentenabschlägen für Frührentner bleibt. Wer künftig mit 65 statt mit 67 Jahren in Rente geht, müsste einen Abschlag von 7,2 Prozent hinnehmen – vorausgesetzt, die geltende Regelung wird einfach um zwei Jahre nach hinten verschoben.

Beamte: Dass die Rente mit 67 auch wirkungsgleich auf Beamte übertragen wird, davon ist auszugehen – schließlich haben SPD und Union sich darauf bereits im Koalitionsvertrag festgelegt. Der CDU-Rentenexperte Weiß hält es für sinnvoll, die Änderungen möglichst zeitnah einzuführen. „Sonst empfinden die Menschen das als ungerecht“, sagt Weiß.

Tarifverträge: Eine Reihe von Tarifverträgen enthält die Klausel, nach der das Arbeitsverhältnis mit 65 Jahren endet. Wie die Tarifparteien damit umgehen, ist noch offen. Sie könnten die 65 einfach gegen die 67 austauschen, sie könnten aber auch eine schrittweise Staffellösung vereinbaren, sagen Tarifexperten.

Riester-Renten: Heute zahlt der Staat Zulagen oder gewährt Steuervergünstigungen maximal bis zum 65. Lebensjahr. „Die Förderung muss künftig zwei Jahre länger laufen“, fordert Gabriele Hoffman vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Das sei das Mindeste. Da viele Menschen aber auch in Zukunft vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in den Ruhestand gehen werden und die private Vorsorge die Renteneinschnitte kompensieren müsse, sollte der Staat die Zulagen sogar noch aufstocken und den steuerlich absetzbaren Betrag ausweiten, meinen die Versicherer.

Lebensversicherungen: Viele Verbraucher haben ihre Lebensversicherungen so abgeschlossen, dass sie mit dem 65. Lebensjahr fällig werden. Es läge nahe, die Policen einfach um zwei Jahre zu verlängern. Aber Vorsicht: Steuerlich wäre eine solche Vertragsverlängerung als Neuabschluss zu bewerten, warnt Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Konsequenz: Der neue Vertrag unterliegt dem seit Januar 2005 gültigen, neuen Steuerrecht. Kunden müssten die Gewinne aus den Versicherungen dann mindestens zur Hälfte versteuern. Vor 2005 abgeschlossene Altverträge bleiben dagegen unter bestimmten Voraussetzungen komplett steuerfrei.

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