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Wirtschaft: Die Sandwirtschaftler

In Brandenburg, wo die Böden ohnehin trocken sind, leiden die Bauern am schlimmsten unter der Dürre. Ein Besuch in der Prignitz

Jeder Schritt wirbelt Staub auf. Graubraune Wolken, die lange zwischen den Halmen schweben, bevor sie zu Boden sinken. „Gut, dass es windstill ist, sonst würde uns der Sand um die Ohren fliegen“, sagt Ulrich Kieback, ein drahtiger Mittfünfziger, bei dem man nicht recht weiß, ob seine Augen vom Lachen so runzlig geworden sind oder vom dauernden Zusammenkneifen im märkischen Sandwind. Kieback deutet auf die Windkrafträder, die hinter seinen Feldern in den Himmel ragen, wie fast überall hier in der Prignitz, dem nordwestlichsten Zipfel Brandenburgs. Bewegungslos verharren die Rotoren im wolkenlosen Himmel, es sieht aus, als warteten sie auf Wind. So sehnlich, wie die Menschen in der Prignitz auf Regen warten.

Seit mehr als sechs Wochen geht das jetzt so. In ganz Deutschland stöhnen die Landwirte über die anhaltende Dürre. In Brandenburg ist es am schlimmsten, und innerhalb des Bundeslandes gehört die Prignitz zu den am härtesten betroffenen Regionen. Am 23. März hat es hier zum letzten Mal auf die Äcker geregnet, seitdem darbt der Boden, und mit ihm alles, was darin wächst. Dunkelbraune Schlieren durchziehen die Rapsfelder, auch die Getreideäcker schimmern an vielen Stellen bläulich bis schwarz. Bis zu ein Drittel des Ertrags in der Prignitz ist bereits unrettbar verdorrt, und ob der Rest durchkommt, steht in den Sternen. „Vor uns liegen Schicksalstage“, sagt Kieback. „Wenn nicht bald ein richtiger Regen kommt, ist die Katastrophe perfekt.“

2600 Hektar Land bewirtschaftet die Agrargenossenschaft Halenbeck, deren Geschäftsführer Kieback ist. Auf rund einem Viertel wird Roggen angebaut, der in Schwedt zu Bioethanol verarbeitet wird, weitere 900 Hektar liefern Raps für Biodieselanlagen in Hamburg und Falkenhagen. Auf den übrigen Flächen wachsen Gerste, Roggen, Raps und Mais, aus denen die Genossenschaft mit eigenen Silageanlagen Kraftfutter für 500 Rinder produziert. Deren Weideflächen haben Kieback und seine 20 Mitarbeiter zum größten Teil schon abgemäht, weil das Gras zusehends vertrocknete. In langen Reihen liegt das Heu jetzt auf den Feldern, immer wieder unterbrochen von bräunlichen Flecken. Auf den Grasflächen dazwischen dösen Kühe in der Sonne. Kieback sagt, sie fräßen in letzter Zeit lieber im Stall, weil das Weidegras so ausgedünnt sei.

Die Getreidefelder hat Kiebacks Genossenschaft bislang nicht angetastet, im Gegensatz zu anderen Landwirten in der Region, die schon Teile des verdorrten Wintergetreides untergepflügt haben, um mit einer neuen Aussaat ihr Glück zu versuchen. Ohne Not macht das kein Landwirt, denn der Ertrag ist beim Sommergetreide viel geringer. Kieback zeigt auf die verdorrten Halme der Rapsfelder: „Manche der Pflanzen treiben jetzt schon am Stamm neu aus, weil die oberen Triebe kaputt sind“, sagt er. Dadurch entstehe sogenannter Zwiewuchs: „In der Erntezeit stehen dann reife Pflanzen direkt neben solchen, die gerade erst blühen. Die kriegen Sie beim Ernten nicht auseinandersortiert.“

Kopfschüttelnd lässt Kieback den pulvrigen Ackersand durch die Finger gleiten. „Leichte Böden“ sagen die Menschen in der Prignitz, wenn sie über ihre Felder sprechen. Gemeint sind die typischen Sandgründe Brandenburgs, die hier in der Region besonders trocken sind. Je leichter ein Boden, desto schwerer ist er zu bewirtschaften. Schon bei normalem Niederschlag liefert ein Hektar Prignitz- Grund nur etwa fünf Tonnen Getreide im Jahr, deutlich weniger als der deutsche Durchschnittsboden. Und das, obwohl sich die meisten Landwirte in der Gegend ohnehin auf anspruchsloses Getreide wie Gerste und Roggen beschränken. Auf durstigere Pflanzen wie Weizen oder gar Rüben trifft man hier nur selten.

„Auf fünf Weizenaussaaten kommt bei uns vielleicht eine gute Ernte“, sagt Richard Ungnade. „Und wenn sich das Klima weiter so entwickelt, werden wir den Weizen wohl ganz weglassen müssen.“ Der alte Landwirt aus dem Nachbarort Schmolde hat seinen 600-Hektar-Hof längst in die Obhut seiner beiden Söhne gegeben. Zu dritt starren die Ungnades jetzt in den wolkenlosen Himmel, auch bei ihnen ist ein Drittel des Ertrags hin, beim Weizen sind die Schäden am schlimmsten. Umpflügen wollen auch sie nicht, noch immer hoffen sie auf den erlösenden Regenguss, der in der Prignitz für Dienstag angekündigt ist. „Das könnte uns noch retten“, sagt Peter, einer der beiden Söhne. „Aber nur, wenn richtig was runterkommt. Ein kurzer Gewitterguss würde sofort versickern.“

Noch nie habe es eine solche Trockenperiode um diese Jahreszeit gegeben, fügt sein Bruder Ortwin hinzu. Überhaupt komme die Verteilung des Niederschlags zunehmend aus dem Gleichgewicht, auch wenn die Regenmenge übers Jahr verteilt gleich bliebe. Erst seien zwischen Januar und März 40 Prozent des Jahresmittels gefallen, jetzt komme seit Wochen kein Tropfen mehr. Und dass der Raps schon im April voll blühe, sei auch noch nicht vorgekommen. „Die Extreme häufen sich“, sagt der Jungbauer. Zeichen des Klimawandels? Alle drei runzeln nachdenklich die Stirn. „Wenn nächstes Jahr noch mal so was passiert“, sagt Ortwin schließlich, „dann glaub’ ich langsam daran.“

Ullrich Kieback will die Hoffnung trotz allem nicht aufgeben: „Ich sage immer, die Küken werden im Herbst gezählt.“ Ein richtiger Regen könne noch vieles retten. Und dass eine Ernte mal mager ausfalle, daran seien die Leute in der Prignitz gewöhnt. „Viel zu holen war hier noch nie, das sieht man schon an unseren Gutshäusern und Kirchen: Die sind alle eine Nummer kleiner als anderswo.“ Für die Bauern mit den leichtesten Böden aber könne die Lage durchaus existenzbedrohend werden. „Wenn die mal zwei, drei Jahre am Stück wirtschaften müssen wie jetzt, sind die erledigt“, sagt Kieback. Und legt suchend den Kopf in den Nacken. Umsonst. Noch immer keine Wolken.

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