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Die Vneshekonombank (VEB), die zu sowjetischen Zeiten für den Außenhandel und die Devisenbewirtschaftung zuständig war, operiert seit 2007 als staatliche Entwicklungsbank und finanziert mit einem Bilanzvolumen von umgerechnet rund 100 Milliarden Dollar vor allem innovative Industrieunternehmen, Exporte sowie staatliche Infrastrukturprojekte – ähnlich wie die deutsche Staatsbank KfW, mit der sie über zahlreiche Projekte und Kredite im Umfang von 500 Millionen Euro verbunden ist. Foto: promo

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Wirtschaft: „Die Sanktionen des Westens treffen die Mittelschicht“

Seit Juli bekommen Russlands staatliche Banken auf dem westlichen Kapitalmarkt keine langfristigen Kredite mehr. Das "schadet erheblich", sagt Vladimir Dmitriev, Chef der Entwicklungsbank , und warnt: Der Westen strafe die Falschen und destabilisiere auch die ukrainischen Banken.

Sie sind in Deutschland, um Ihre deutschen Geschäftspartner zu treffen. Gibt es da noch viel zu besprechen?

Aber ja, ganz besonders in diesen schwierigen Zeiten. Manche haben sogar Angst, dass ihre russischen Unternehmen verstaatlicht werden. Aber das ist Unsinn, das werden wir ganz sicher nicht tun.

Vermutlich wollen aber viele jetzt schnell raus aus Russland, oder?

Nein, so ist das nicht. Die jetzige Lage schreckt Unternehmer ab, in Russland neue Geschäfte aufzubauen, das stimmt leider. Aber die Unternehmen, die etabliert sind, oft schon seit Jahrzehnten, die werden sich gewiss nicht zurückziehen, warum sollten sie? Volkswagen zum Bespiel hat im Bezirk Kaluga ebenso wie Volvo und andere westliche Konzerne eine Produktion und großes Interesse, das auszubauen. Schließlich treffen ihre Autos auf große Nachfrage.

Fürchten Sie nicht, diese könnte Ihre letzte Reise nach Deutschland sein, weil Sie auch auf die Liste der unerwünschten Personen gesetzt werden?

Ach wissen Sie, ich weiß noch, wie es im Kalten Krieg war. Ich bin auf alle Szenarien vorbereitet.

Die EU und die USA haben jedenfalls ihre Bank schon mit Sanktionen belegt. Darum dürfen Sie keine Kredite mehr auf dem westlichen Kapitalmarkt aufnehmen. Trifft Sie das?

Selbstverständlich, wir können fällig werdende Darlehen in Dollar und Euro nicht mehr verlängern. Aber wir sind eine staatliche Bank. Die Regierung und die Zentralbank werden die nötigen Devisen aus den Reserven bereitstellen. Bis Ende 2015 werden wir Auslandschulden von rund 1,4 Milliarden Dollar zurückzahlen, da müssen sich unsere Kreditgeber keine Sorgen machen.

Auch die deutsche Staatsbank KfW hat die Zusammenarbeit mit Ihrer Bank auf Eis gelegt. Hat das praktische Folgen?

Ja, das bedaure ich sehr. Die KfW war bisher ein sehr wichtiger Partner. Jetzt hat sie eines unserer wichtigsten Projekte eingefroren. Wir wollten gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank einen Fonds mit 720 Millionen Euro auflegen, um damit die Produktion von innovativen Technologien bei kleinen und mittleren Unternehmen zu finanzieren. Das zeigt, wie die Sanktionen die Falschen treffen. Sie sollen die russische Regierung bestrafen, aber sie treffen die normalen Leute. In diesen Unternehmen, die wir fördern wollten, da arbeiten genau die Mittelschichtbürger, die so wichtig sind für eine stabile Demokratie.

Welche Folgen haben die Sanktionen für Russlands Bankensystem insgesamt?

Sie schaden erheblich, das ist kein Geheimnis. Das Finanzministerium schätzt, dass unsere Wirtschaft dadurch 40 Milliarden Dollar im Jahr verliert. Die fünf staatlichen Banken, die sich jetzt nicht mehr im Ausland refinanzieren können, sind wichtige Kreditgeber für die russische Wirtschaft. Und leider kann unser eigener Kapitalmarkt die externe Finanzierung nicht ersetzen. Allerdings sind wir nicht die einzigen Verlierer. Nach dem Sanktionsbeschluss der EU sind die deutschen Exporte nach Russland um 26 Prozent gefallen. Das Sanktionsschwert hat eben zwei Schneiden und schadet letztlich allen. Das sehe ich wie Henry Kissinger, der kürzlich gewarnt hat, dass die Eskalation der Sanktionen der ganzen Weltwirtschaft schaden könnte.

Sie haben gemeinsam mit den anderen vier Staatsbanken beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Sanktionen eingereicht. Glauben Sie wirklich, die Richter werden sich gegen die Regierungen stellen?

Ja, weil die genannten Gründe für die Sanktionen auf uns gar nicht zutreffen. Im Beschluss heißt es, es sollen Institutionen bestraft werden, die in den Konflikt in der Ukraine verwickelt sind. Aber weder wir noch die anderen Banken haben irgendetwas damit zu tun. Im Gegenteil, wir haben eine Tochterbank dort und wir unterstützen die ukrainische Wirtschaft.

Die Sanktionen gefährden auch das ukrainische Bankensystem

Ihre Bank ist aber Teil des russischen Staates, dessen Regierung den Bürgerkrieg anheizt.

Einige iranische Institutionen, die in Luxemburg erfolgreich geklagt haben, sind auch staatlich, etwa die iranische Zentralbank. Aber weil es keinen Nachweis für deren Verwicklung in illegale Geschäfte gab, haben die EU-Richter die Sanktion gegen sie aufgehoben.

Präsident Putin sagte im deutschen Fernsehen, die Sanktionen würden letztlich auch die Ukraine treffen, weil ukrainische Banken 25 Milliarden Euro Schulden in Russland haben, die womöglich fällig gestellt werden müssen. Wird das so kommen?

Es gibt diesen Zusammenhang. Die Tochterbanken russischer Konzerne haben in der Ukraine einen großen Marktanteil und haben nun auch den Zugang zum westlichen Kapitalmarkt verloren. Den würden sie aber dringend brauchen. Die Lage in der Ukraine ist katastrophal. Das Bruttoinlandsprodukt ist um sieben Prozent gefallen, die Industrieproduktion sogar um 16 Prozent, vier Fünftel aller Kredite werden nicht pünktlich bedient. Darum benötigen alle Banken, und eben auch die in russischer Hand, neues Kapital. Wenn sie das nicht bekommen können, weil auch ihre Eigentümer nicht genug haben, gefährdet das das ganze ukrainische Bankensystem.

 Vladimir Dmitriev, 61, ist seit 2004 Chef der staatlichen Vneshekonombank (VEB), der er seit 1997 angehört. Der promovierte Ökonom war zuvor im Außen- und Finanzministerium tätig.
Vladimir Dmitriev, 61, ist seit 2004 Chef der staatlichen Vneshekonombank (VEB), der er seit 1997 angehört. Der promovierte Ökonom war zuvor im Außen- und Finanzministerium tätig.

© Promo

Wie ist das bei Ihrer eigenen Bank in Kiew, der Prominvest?

Auch wir verlieren dort Geld. Trotzdem halten wir daran fest. Wir haben professionelle Beziehungen zur ukrainischen Zentralbank, deren Chefin versprochen hat, russische Banken genauso zu behandeln wie alle anderen.

Russland und die Ukraine liegen de facto im Krieg, aber Ihre Geschäfte laufen einfach weiter?

Die Industrie in beiden Ländern ist eng verbunden, vor allem im Maschinenbau und der Luft- und Raumfahrt. Das haben wir über Prominvest finanziert. Jetzt ist es viel schwieriger, aber wir bemühen uns. Mich persönlich schmerzt das alles sehr. Meine Frau ist Ukrainerin und wir haben jedes Jahr mit den Kindern Ferien in unserm Landhaus bei Charkiw gemacht. Aber jetzt trauen wir uns mehr dorthin, weil wir uns nicht sicher fühlen.

Werden die Sanktionen auch Russland in die Rezession stürzen?

Das größere Problem ist die schlechte Weltkonjunktur und der Fall des Ölpreises von 110 auf 80 Dollar pro Fass. Allein das kostet uns 100 Milliarden Dollar im Jahr. Die Sanktionen machen es nur schlimmer, vor allem weil die ausländischen Investitionen ausbleiben. Wir erwarten daher einen Rückgang des Wachstums auf 0,3 Prozent in diesem Jahr und vielleicht eine Stagnation im nächsten. Doch ich bin sicher, dass die Regierung alles tun wird, um eine Rezession zu verhindern, vor allem durch Investitionen in die Infrastruktur.

500 Milliarden Dollar Auslandsschulden

Wer soll das bezahlen?

Das Geld kommt aus dem Staatshaushalt und von der Zentralbank. Die hat sich bisher zurückgehalten, aber sie wird nun den Banken zusätzliches Geld bereitstellen, um solche Investitionen zu finanzieren.

Also eine Art „Quantitative Easing“, wie es auch die amerikanische Notenbank betrieben hat?

Das können Sie so nennen, aber bei uns wird es in die reale Wirtschaft fließen, nicht auf den Aktienmarkt.

Auch der Wert des Rubels ist um 40 Prozent abgestürzt. Wie erklären Sie sich das?

Der Rubelkurs folgt dem Ölpreis, das war schon immer so.

Liegt es nicht vor allem daran, dass die Reichen ihre Rubel verkaufen und ihre Vermögen ins Ausland schaffen? Seit März sind schon 128 Milliarden Dollar abgeflossen.

Das ist ganz normal. Unternehmen und Händler, die Importe bezahlen müssen, sichern sich ab und kaufen deshalb Dollar und andere Währungen, die sie bei ausländischen Banken deponieren.

Wenn die Kapitalflucht eskaliert, wird die Regierung dann Kapitalverkehrskontrollen verhängen?

Welche Kapitalflucht? Das sind übliche Zahlungsflüsse. Russland hat sich einem liberalen Finanzsystem verschrieben, und das wird auch so bleiben.

Müssen Sie nicht fürchten, dass die Ratingagenturen Russland und damit auch Ihre Bank herabstufen?

Ach, sollen sie doch! Diese Drohungen sind haltlos. Russland hat seit vielen Jahren einen Haushaltsüberschuss und große Reserven. Würden sie unsere Kreditwürdigkeit herabstufen, dann würden die Agenturen nur belegen, dass ihre Urteile keine wissenschaftliche Grundlage haben. Dann müssten wir ernsthaft Alternativen für das Rating finden, vielleicht zusammen mit China.

Russische Firmen haben 500 Milliarden Dollar Auslandschulden, davon stehen 130 Milliarden Dollar bis Ende 2015 zur Rückzahlung an. Werden Sie das noch bezahlen können, wenn Sie keine neuen Kredite bekommen?

Unsere Gold- und Währungsreserven liegen bei 400 Milliarden Dollar, also könnte man darauf zurückgreifen. Aber viele Unternehmen können auch ohne Staatshilfe ihre Kredite im Ausland bedienen, weil sie eigenes Auslandsvermögen haben oder Inlandsguthaben umtauschen können. Unsere westlichen Partner sollten sich allerdings im Klaren sein, dass die Kredite unter den Regeln offener Kapitalmärkte aufgenommen wurden. Wenn diese Regeln nun gebrochen werden, dann könnten Kreditnehmer auch höhere Gewalt reklamieren. Dazu sollten wir es nicht kommen lassen.

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