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Wirtschaft: Die Stadt feiert

Monatelang haben diese Berliner geschuftet, jetzt erst fällt der Stress von ihnen ab. Ohne sie wäre das Fest nur halb so schön. Eine Auswahl

ZUM GUCKEN

In Berlin vertreibt die Firma „Tannen-Paradies“ seit mehr als 30 Jahren Weihnachtsbäume in fast jeder Größe. Ihr Steckenpferd: Bäume mit zwölf Metern Höhe und mehr: „Fast alle Bäume dieser Größe in Berlin sind von uns“, sagt Geschäftsführer Burkhard Brand. Die meisten Bäume kommen aus Dänemark: „Da gedeihen sie am besten“, meint er. Außerdem macht die Firma auch Weihnachtsdekoration und vertreibt ihr eigenes Baumständersystem „Easyfix“. „Das ist inzwischen schon zu unserem zweitwichtigsten Standbein geworden“, sagt Brand. 70 Prozent aller Kunden kauften ihren Baum in den letzten zehn Tagen vor dem Fest. Damit dann auch alles reibungslos abläuft, haben Brand und seine Kollegen viele Monate Arbeit hinter sich. Mitte Juni bereits beginnen die Preisverhandlungen. Im Herbst wird festgelegt, welche Ware zu welchem Händler kommt. Ab November fahren dann die großen Kranwagen mit der „Tannen-Paradies“-Aufschrift durch Berlin und stellen die Zwölf-Meter-Bäume an prominenten Plätzen auf – bis es schließlich im Verkauf für Privathaushalte in die heiße Phase geht. Nicht verkaufte Bäume werden verkompostiert oder landen als Futtermittel im Zoo oder dem Tierpark. Aber auch nach dem Fest kehrt bei den Baumhändlern keine Ruhe ein: „Den ganzen Januar über bauen wir die Verkaufsstände ab und machen die Buchhaltung“, berichtet Brand. Gemeinsam mit allen Franchise-Unternehmen vertreibt das Tannen-Paradies jedes Jahr etwa 60 000 Bäume. mbr

ZUM STAUNEN 

Frank Knorre bezeichnet sich selbst als „Oberweihnachtsmann“. Seit fast 30 Jahren ist er um die Weihnachtszeit immer mit Rauschebart und rotem Gewand unterwegs. Er übernimmt private Bescherungen genauso wie Auftritte auf Weihnachtsmärkten oder Firmenfeiern. Angefangen als studentischer Leihweihnachtsmann, hat sich Frank Knorre als „Weihnachtsmann von Berlin“ vor einigen Jahren selbstständig gemacht und vermittelt – neben sich selbst – einen Stamm von etwa 80 Weihnachtsmännern, -frauen und Engeln. Er selbst hat dennoch nie daran gedacht aufzuhören: „Ich genieße die Zeit einfach zu sehr“, sagt er. 20 bis 30 Minuten dauert eine Bescherung bei ihm: „Ein Weihnachtsmann erscheint nur kurz und muss dann schnell weiter.“ Mit den Arbeitsvorbereitungen geht es bei Frank Knorre schon Anfang Oktober los. Da verschickt er die ersten Briefe an Kunden und akquiriert Weihnachtsmänner, damit in der Adventszeit auch genug himmlische Vertreter unterwegs sind. Spätestens vom Sankt-Nikolaus-Tag an häufen sich die Aufträge und am heutigen Heiligabend ist der Terminkalender prall gefüllt. Nach den Feiertagen hat Frank Knorre immerhin bis zum 29. Dezember frei. Dann geht es zurück ins normale Jahresgeschäft: „Ich habe einen kleinen Laden, da repariere ich hauptsächlich Fahrräder. Nur vom Weihnachtsmann-Dasein kann man kein ganzes Jahr lang leben.“ mbr

ZUM NASCHEN

Ins Schokoladenhaus von Fassbender & Rausch am Gendarmenmarkt drängen im Dezember so viele Menschen, dass zeitweise ein Türsteher für Ordnung sorgen muss. Bis zu 30 Prozent Gäste zusätzlich versucht Chocolatier George Helwig dann glücklich zu machen – mit frisch angefertigten Pralinen, Trüffeln oder Trinkschokolade. „Unsere Kunden fühlen sich bei uns besonders in der Weihnachtszeit an ihre Kindheit erinnert“, meint der 36-jährige Angestellte. Das liege vor allem an der großen Auswahl an Schokolade und an der aufwendigen Deko. Dazu gehört in diesem Jahr etwa ein riesiger Schokoladen-Marzipan-Engel und der vermutlich größte Schokoladenpralinenmann der Welt, der aus nahezu 20 000 kleinen goldglänzenden Weihnachtsmännern besteht. Dass alles perfekt gestaltet ist, wird lange geplant, sagt Helwig. Aber anders als im regulären Einzelhandel legt man bei Fassbender & Rausch Wert darauf, dass der Weihnachtsverkauf nicht schon kurz nach den Sommerferien beginnt, sondern mit dem ersten Advent erst richtig losgeht. „Dafür mögen uns unsere Gäste. Dass wir ein Haus sind, das Weihnachten traditionell darstellt. Gepflegt und nostalgisch“, wirbt Firmenchef Jürgen Rausch. Wie sein Angestellter Helwig und die anderen rund 55 Mitarbeiter im Schokoladenhaus hat Rausch in den vergangenen Wochen kurze Nächte und lange Arbeitstage gehabt. Nach Heiligabend aber fällt der größte Stress von ihnen ab. „Der Januar ist der Monat im Jahr, in dem die Leute am wenigsten Pralinen und Schokolade essen.“ ysh

ZUM SCHAUEN

Anett Gesse trägt jedes Jahr dazu bei, dass die ganze Stadt spätestens im Dezember in Nussknackerstimmung verfällt: Schon vor Wochen hat die Schauwerbegestalterin damit begonnen, Berliner Schaufenster auf Weihnachten zu trimmen. Die Auftraggeber kommen aus den unterschiedlichsten Sparten: Juweliere, Optiker, Autohäuser oder Modeboutiquen. Dekoriert wird zwar das ganze Jahr, aber vor Weihnachten gibt es für sie besonders viel zu tun. „Es gibt zwei Sorten von Kunden“, erzählt die Geschäftsführerin der Charisma Dekorationen GmbH. „Die einen wollen traditionellen Weihnachtsschmuck mit Tannenbaum, Rot und Gold. Die anderen sind nicht besonders versessen auf Weihnachten, kommen aber trotzdem nicht drumherum. Die setzen dann auf moderne Accessoires und eine nicht so rustikale Weihnachtsdeko.“ Zu Anett Gesses modernem Arsenal gehören zum Beispiel Fliegenpilze oder kleine Bambis. „Im Trend liegen dieses Jahr auch mit Glitzer überzogene Weihnachtsmänner“, sagt die 34-Jährige. Vieles bezieht sie von Deko-Großhändlern. Zu ihrem Job gehört es aber auch, über Trödelmärkte zu ziehen und besondere Accessoires zu erstehen. „Zum Beispiel einen alten Schlitten, ein paar Holzski oder ein Hirschgeweih. Die geben jedem Arrangement eine besondere Note.“ Da sie ihr Unternehmen bereits seit 16 Jahren betreibt, hat sich so einiges angesammelt. Neben dem 100-Quadratmeter-Büro musste sie zusätzliche Lagerflächen anmieten. Vier festangestellte Mitarbeiter beschäftigt sie, plus Freie bei Bedarf. Von einer Wirtschaftskrise spürt sie nichts. „Die meisten meiner Kunden haben dieses Jahr gute Umsätze gemacht und sind auch bereit, Geld für Dekoration auszugeben. Wir haben mehr zu tun als sonst“, sagt sie. Daher freut sie sich schon auf die kleine Weihnachtsauszeit, die sie sich gönnen will. Mit der Familie unter einem großen Baum – „eher traditionell klassisch geschmückt“. avi

ZUM HÄNGEN

Ideen für die Weihnachtsdekoration zu Hause suchen viele Kunden seit jeher in der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM). „Manchmal bauen unsere Kunden ganze Tischdekorationen nach“, sagt Markus Roessiger, Leiter der Manufakturgalerie in der Wegelystraße in Charlottenburg. „Wir geben uns aber auch jedes Jahr unglaublich viel Mühe mit der Gestaltung.“ Doch um sich inspirieren zu lassen, dafür allein kommen die Kunden nicht, sagt er. In erster Linie seien die meisten von ihnen auf der Suche nach einem „lange haltenden Wert“, den sie verschenken könnten. Der Renner im diesjährigen Weihnachtsgeschäft sind Roessiger zufolge der Schneemann aus Porzellan und Christbaumkugeln mit Berliner Motiven, etwa dem Brandenburger Tor oder dem Stadtschloss. Dass die Handarbeit aus der Wegelystraße etwas mehr kosten mag als im Kaufhaus, spiele für die Kunden eine weniger entscheidende Rolle. Eher im Gegenteil: In der Krise setzten die Leute wieder verstärkt auf wertvolle Geschenke, meint der 41-Jährige. Im Dezember habe sich die Kundenzahl nahezu verdreifacht. „Dafür müssen unsere Kunden in Kauf nehmen, dass sie sich auch mal einen Verkäufer bei der Beratung teilen müssen“, lacht Roessiger. Im Januar dürfte es wieder anders sein. Dann wird es ruhiger und Roessiger und seine insgesamt rund 180 Kollegen in Berlin dürfen auch wieder Urlaub nehmen. ysh

ZUM SCHLEMMEN

Dass die Gans pünktlich auf dem Festtagsteller liegt, hat man neben dem Koch auch dem Schlachter zu verdanken. Dithmarscher Geflügel ist der einzige Gänseschlachtbetrieb in der Berliner Umgebung. Auf dem Hof im brandenburgischen Seddin werden allerdings nur die wenigsten Gänse produziert. „Mehr als 80 Prozent der Tiere kommen aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen“, sagt Geschäftsführer Karl-Heinz Heller. Er bekommt die Tiere von Vertragsmästern geliefert, die das Federvieh von Frühjahr bis Spätherbst mästen. Erst im November, zum Sankt-Martins-Tag, geht es in die heiße Phase. Von zunächst etwa 1600 Schlachttieren steigert sich die Zahl innerhalb weniger Wochen auf 2500 pro Tag. Mitte Dezember ist dann der Höhepunkt erreicht: „Da fängt der Arbeitstag morgens um fünf Uhr an und endet abends um 20 Uhr“, sagt Heller. Bei so vielen Gänsen ist ihm selbst der Appetit noch nicht vergangen: „Auch bei uns kommt zum Fest eine Weihnachtsgans auf den Tisch.“ Vom 28. Dezember bis Anfang Januar herrscht im Dithmarscher Betrieb besinnliche Ruhe. Danach geht es für Heller nahtlos weiter: „Bis Ostern sind wir dann mit Enten, Puten und Hähnchen gut ausgelastet“. mbr

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