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Wirtschaft: Die Stehaufmänner des Jahres

Wie die Helden der New Economy zurückfanden

Berlin - Plötzlich war er wieder da. Jahrelang hatte man vom ehemaligen Telekom-Chef so gut wie nichts gehört und schon gar nichts gesehen. Am 22. Oktober saß Ron Sommer dann in der wahrscheinlich wichtigsten Talkshow des deutschen Fernsehens und plauderte über die Globalisierung. Ein harmloser Ex-Manager, der sich mit dem TV-Auftritt noch was zur Rente hinzuverdient? Keine drei Tage später taucht Sommers Name wieder auf. Der russische Technologiekonzern AFK Sistema wolle bei der Deutschen Telekom einsteigen, heißt es in Gerüchten. Der Berater der Russen heißt Ron Sommer.

Der einst wichtigste Mann der damals boomenden Telekommunikationsbranche ist zurück im Geschäft. Er berät nicht nur AFK Sistema, auch der amerikanische Finanzinvestor Blackstone weiß Sommers Dienste als Ratgeber zu schätzen. Im April stieg Blackstone mit 4,5 Prozent bei der Deutschen Telekom ein.

Sommers Comeback auf der Bühne der deutschen Wirtschaft war nicht das einzige eines ehemaligen Stars der New Economy im zu Ende gehenden Jahr. Schillernde Figuren wie Michael Kölmel oder Karl Matthäus Schmidt, die Ende der 90er Jahre mit ihren Firmen Kinowelt und Consors zu Helden der neuen, leichten Börsenwelt geworden waren, meldeten sich 2006 zurück. Schmidt hatte einst mit dem Online-Broker Consors die klassische Bankenlandschaft durcheinandergewirbelt und war dafür im Börsenjahr 2000 zum Unternehmer des Jahres gekürt worden. 4,5 Milliarden Euro waren die Aktien des Unternehmens zeitweise wert. Rund ein Zehntel zahlte die französische Großbank BNP Paribas 2002 dafür. Um Schmidt wurde es still. Im Sommer 2006 präsentierte er dann in Berlin sein neues Projekt: Mit der Quirin Bank will der heute 37-Jährige die private Vermögensverwaltung umkrempeln. Der Name stammt von einem antiken Kriegsgott und soll Schmidts Angriffslust demonstrieren.

Noch spektakulärer war die Rückkehr von Michael Kölmel. Er katapultierte sich praktisch aus dem Untersuchungsgefängnis in die größte Show des Jahres: die Fußball-WM. Mit seinem Filmimperium um die Firma Kinowelt war er 2001 pleite gegangen. Wegen Betrugs und Insolvenzverschleppung wurde er zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. 2006 stand Kölmel lachend auf der Bühne des Filmpalasts am Potsdamer Platz bei der Premiere des erfolgreichsten deutschen Dokumentarfilms aller Zeiten. „Deutschland – ein Sommermärchen“, der Film zur Weltmeisterschaft, ist Kölmels Film. Er hatte sich frühzeitig die Rechte gesichert. Sein Geschäft läuft wieder. Der Bayer ist Herr über ein Kino-Imperium von mehr als 20 Firmen und Beteiligungen.

Dass sich die gefallenen Helden ausgerechnet das Jahr 2006 für ihre Rückkehr ausgesucht haben, mag Zufall sein. Die Bedingungen hätten allerdings kaum besser sein können. Es war ein Jahr der Euphorie – dafür sorgte nicht nur die WM, auch die anspringende Konjunktur und die sinkende Arbeitslosigkeit hoben die Stimmung. An der Börse machten satte Kurssteigerungen die Enttäuschungen der New Economy und die Wut auf deren einstige Lieblinge vergessen. Nach Jahren der Zurückhaltung legten die Privatanleger langsam ihre Angst ab.

Davon profitierte auch Thomas Middelhoff. 2002 vom Firmenpatriarchen Reinhard Mohn aus Gütersloh vertrieben, hatte sich der einstige Vorstandschef von Bertelsmann bereits drei Jahre später zurückgemeldet – als Sanierer beim angeschlagenen Handelskonzern Karstadt-Quelle. 2006 sollte sein Jahr werden. Und zum großen Teil erfüllte er die von ihm selbst hoch gesteckten Erwartungen. Ende März überraschte er mit einem Immobilien-Deal, der Karstadt-Quelle mit einem Schlag schuldenfrei machte. In der vergangenen Woche brachte er die vollständige Übernahme des Reiseveranstalters Thomas Cook in trockene Tücher. Trotz einiger Rückschläge wegen des schleppenden Versandhandelsgeschäfts legte der Aktienkurs um rund 60 Prozent zu. Middelhoff hat auch im nächsten Jahr die größten Chancen, in aller Munde zu sein.

Stefan Kaiser

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