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Wirtschaft: Die Steuer-Oasen sind bedroht

Österreich ist zu einem gefährlichen Pflaster geworden für deutsche Anleger, die Wert auf Diskretion legen."Die Fahnder suchen gezielt nach Bankbelegen oder Safeschlüsseln, die Reisende bei sich führen", weiß Karl-Heinz Klein, Chefredakteur des Informationsdienstes "steuertip" in Düsseldorf.

Österreich ist zu einem gefährlichen Pflaster geworden für deutsche Anleger, die Wert auf Diskretion legen."Die Fahnder suchen gezielt nach Bankbelegen oder Safeschlüsseln, die Reisende bei sich führen", weiß Karl-Heinz Klein, Chefredakteur des Informationsdienstes "steuertip" in Düsseldorf."Bei Safeschlüsseln können sie über den Hersteller herausfinden, bei welcher Bank in welchem Land sich das Schließfach befindet." Dabei war Österreich noch vor fünf Jahren eines der bevorzugten Ziele für deutsche Bürger, die ihr Geld diskret anlegen wollten.Im beliebten Urlaubsland konnten sie einen Teil der Reisekasse nebenbei auf anonymen Sparbüchern und Konten deponieren, ohne ihre Namen angeben zu müssen.Beim nächsten Besuch reichten Nummer und Codewort aus, um an das Geld zu gelangen.Doch 1994 - kurz vor dem Abschluß der EU-Beitrittsverhandlungen - schaffte Österreich die anonyme Anlage ab.Seitdem müssen sich ausländische Bankkunden ausweisen, das Land ist um eine Touristenattraktion ärmer.

Auch Konkurrent Luxemburg verliert Anziehungskraft.Zwar ist das Bankgeheimnis dort immer noch vorbildlich geschützt, aber in Deutschland durchsucht die Steuerfahndung mit Hunderten von Beamten ein Kreditinstitut nach dem anderen, um Geldtransfers nach Luxemburg aus den Jahren 1992 und 1993 nachzuspüren."Die konkreten Erfolge sind gering", beobachtet Karl-Heinz Klein vom "steuertip".Doch die Anleger sind verunsichert und halten sich mit Luxemburger Engagements zurück.

Großer Gewinner ist die Schweiz.Sie schöpft den größten Teil der umgeleiteten Fluchtgelder ab und bietet gegenüber den europäischen Alternativen - den Kanalinseln, Gibraltar und Liechtenstein - eine Reihe von Vorteilen: eine jahrzehntelange Erfahrung in der Vermögensverwaltung, sehr gut ausgebildete Banker, die fast alle auch deutsch sprechen, die zentrale Lage, die guten Verkehrsverbindungen, die Attraktivität als Reiseziel und schließlich das legendäre Schweizer Bankgeheimnis.Doch gerade das Bankgeheimnis ist nicht mehr so gut wie sein Ruf.Das Geldgewerbe ist den Eidgenossen zwar immer noch heilig.Aber die Schweiz ist auch empfindlich geworden gegenüber internationalem Druck.Zwei Drittel aller Schweizer Exporte gehen in die Europäische Union, vier Fünftel kommen aus der EU - Schweizer Firmen sind darauf angewiesen, international auftreten zu können.So schafften die Eidgenossen erst kürzlich auch das letzte Schlupfloch ab, durch das Anleger bei Geldgeschäften bislang vollkommen anonym bleiben konnten.Treuhänder, Vermögensverwalter oder Anwälte können nicht mehr für Mandanten ein Konto eröffnen, ohne der Bank die Identität der wirtschaftlich Berechtigten, also der Eigentümer des Geldes, offenzulegen.Seit April diesen Jahres müssen sie sogar - wie die Banken - verdächtig erscheinende Geldgeschäfte ihrer Kunden einer zentralen Kontrollstelle melden.

Die Gesetze gegen Geldwäsche sehen die Rechtshilfe für andere Staaten bei Drogenkriminalität, organisiertem Verbrechen, Korruptions- oder Schmiergeld-Affären vor.Diese Praxis hat das Schweizerische Bundesgericht 1997 ausdrücklich abgesegnet.Der Schutz des Bankgeheimnisses hängt in der Schweiz immer stärker von der Praxis er Gerichte ab.Das gilt auch für legal verdientes, aber unversteuertes Geld.Schweizer Richter geben Rechtshilfeersuchen regelmäßig statt, wenn der deutsche Fiskus einen Anleger des Steuer- oder Abgabebetrugs nach schweizerischem Recht beschuldigt und die vom Bundesgericht verlangten "hinreichenden Verdachtsmomente" vorlegen kann."Das Bankgeheimnis hat in der Schweiz nicht mehr den Rang wie früher anderswo das Beichtgeheimnis", resümiert der Münchner Experte für Auslandsbanken, Klaus Kottke."Es ist durchlöchert wie der Schweizer Käse."

Aus diesem Grund gewinnen die Kanalinseln, Gibraltar und Liechtenstein an Attraktivität.Über Trusts oder Stiftungen können die Anleger der Bank gegenüber vollkommen anonym bleiben.Diese Vertraulichkeit hat aber ihren Preis: Die jährlichen Gebühren betragen meist 0,5 bis ein Prozent, mindestens aber etwa 10 000 DM.Bei einem Vermögen von einer halben Mill.DM - dem Minimum für solche Lösungen - sind als laufende Kosten schnell zwei Prozent im Jahr fällig, zusätzlich zu Spesen oder Gebühren für die eigentliche Geldanlage.

Die deutschen Geldinstitute haben sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingestellt.Auf den Kanalinseln Jersey und Guernsey sind die Deutsche Bank (über die Tochter Morgan Grenfell), die Dresdner Bank (über Kleinwort Benson), die BHF-Bank (über Charterhouse) und Merck Finck vertreten, in Gibraltar ist es die Commerzbank (über Hispano Commerz Gibraltar).In Liechtenstein dominieren die fünf heimischen Banken, aber manche deutsche Institute können Kontakte zu liechtensteinischen Treuhändern vermitteln.Ein Schatten fällt auf die Kanalinseln, seit Labour in London regiert.Die Gepflogenheiten der Briten zur Bekämpfung der Geldwäsche haben die Kanalinseln bereits übernehmen müssen.Jetzt will Großbritannien auch die Anpassung der Rechtshilfe an die Londoner Praxis erreichen.Selbst eine Quellensteuer auf Zinsen ist in den nächsten Jahren nicht völlig auszuschließen.Luxemburg verlangt, daß eine solche Abgabe im gesamten Einflußbereich der EU gilt.Also auch auf den Kanalinseln.

Eine solche Gefahr besteht in Liechtenstein nicht.Johann Adam II., Fürst von und zu Liechtenstein, hält nichts von solchen Abgaben an die Obrigkeit."Nur wenn Fürst und Volk ausgetauscht werden, wird es eine Quellensteuer oder eine Steuer auf Kapitaleinkünfte in Liechtenstein geben", verkündet das Staatsoberhaupt entschieden.Auch ein stärkeres Entgegenkommen bei der Rechtshilfe ist unwahrscheinlich: "Natürlich haben wir heute Steuerfluchtgelder.Das ist auch gut so.Denn schließlich gibt es Steueroasen nur, weil es Steuerwüsten gibt."

Viele deutsche Anleger werden dieses Steuerparadies allerdings kaum betreten können, da sie nur über 100 000 oder 200 000 DM verfügen, die sie als Rücklage für den Ruhestand diskret verwaltet wissen wollen.Für eine Stiftung in Liechtenstein ist das zuwenig.Für einen Trust auf den Kanalinseln oder Gibraltar auch.Ihnen bleiben nur Österreich, Luxemburg oder die Schweiz, die alle keine völlige Anoymität bieten.Die größere Gefahr droht allerdings auf deutscher Seite.Mitgeführte oder zu Hause deponierte Bank-Unterlagen oder auch geschiedene Ehepartner sind erstklassige Quellen für die Steuerfahnder.

In Österreich sind die Chancen der Beamten, bei einem Rechtshilfegesuch Erfolg zu haben, wesentlich höher als in der Schweiz oder in Luxemburg.Im Vergleich mit den Eidgenossen schneidet das Großherzogtum erstaunlich gut ab.Mit 250 000 DM ist ein Anleger in Luxemburg bereits ein guter Kunde und bekommt Gebühren erlassen.Selbst wer keine 100 000 DM mitbringt, fliegt bei der Deutschen Bank Luxemburg nicht aus dem Haus, sondern wird an die konzerneigene Fondsgesellschaft DBIM verwiesen, die bereits ab 10 000 DM Konten in ihren Fonds eröffnet.Nur eine EU-weite Steuer auf Zinserträge für Ausländer könnte Luxemburg das Comeback als Fluchthafen verderben.Doch dann reist das Geld weiter in die nächste Steueroase.

U.BUCHHOLTZ, W.LUDWIG (DM)

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