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Wirtschaft: "Die Steuerpläne verfehlen alle Ziele"BMW-Vorstand Teltschik über die Koalition, neue Arbeitsplätze und die schwierige Autokonjunktur

TAGESSPIEGEL: BMW investiert auf der ganzen Welt.Sie bauen eine Fabrik in Thailand, haben die Markenrechte an Rolls-Royce in England erworben.

TAGESSPIEGEL: BMW investiert auf der ganzen Welt.Sie bauen eine Fabrik in Thailand, haben die Markenrechte an Rolls-Royce in England erworben.Was müßte passieren, damit sie mehr in Deutschland investieren?

TELTSCHIK: BMW hat im vergangenen Jahr 3,5 Mrd.DM investiert, davon zwei Mrd.DM in Deutschland - und das, obwohl wir 80 Prozent unserer Produktion exportieren.Wir haben gar keinen Nachholbedarf, mehr in Deutschland zu investieren.

TAGESSPIEGEL: Was halten Sie von den Steuerplänen der neuen Bundesregierung?

TELTSCHIK: Wir sind sehr enttäuscht.Ich bezweifle, daß man sie überhaupt eine Reform nennen sollte.Eine Steuerreform müßte drei Ziele erfüllen: Sie müßte Unternehmen entlasten, Bürger entlasten und das Steuersystem vereinfachen.Die Bundesregierung verfehlt alle drei Ziele.

TAGESSPIEGEL: Wieviel zahlen Sie drauf?

TELTSCHIK: Die Belastung für BMW steigt deutlich an.Wir sind dabei, das genau auszurechnen.Aber fest steht ohnehin noch nichts.Die Bundesregierung bessert derzeit ständig nach.

TAGESSPIEGEL: Was heißt das für Ihre Planungen?

TELTSCHIK: Die großen Unternehmen wie BMW planen langfristig.Da kommt es nicht auf die Tagespolitik an.Es trifft vor allem die kleinen und mittelständischen Betriebe, die 95 Prozent unserer Wirtschaft ausmachen.Diese planen kurzfristiger, und da werden Sie erleben, daß sie zunächst abwarten und Investitionen verschieben.So werden wir in Deutschland keine neuen Arbeitsplätze schaffen.

TAGESSPIEGEL: Haben Sie Angst vor der Ökosteuer?

TELTSCHIK: Die Automobil-Industrie war nie grundsätzlich gegen eine Ökosteuer.Allerdings darf die Gesamtbelastung der Unternehmen nicht steigen, denn sonst leidet die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.Von der nun vorgeschlagenen Energiesteuer halte ich nichts.Sie wird das gesteckte Ziel, den Energieverbrauch zurückzuführen, nicht erreichen.Daß die Regierung gerade die energieintensiven Unternehmen ausnehmen will, widerspricht jeder Logik.

TAGESSPIEGEL: Wann bieten Sie endlich sparsamere Autos an?

TELTSCHIK: Der Prozeß ist schon längst im Gange.Die Motoren werden immer genügsamer, ihr Verbrauch hat sich seit 1990 um rund 20 Prozent reduziert.Allerdings darf man die wirtschaftliche Vernunft nicht außer Acht lassen.Beispiel Drei-Liter-Auto: Das ist eine schöne Forderung.Aber so ein Auto verkauft sich nicht.Denn der Konsument will in erster Linie ein bequemes, sicheres und gut ausgestattetes Auto haben - auch wenn es mehr verbraucht.Deswegen ist ein sparsames Auto kein Verkaufsrenner.Es wiegt nämlich weniger, und das bedeutet: Es hat weniger Komfort und weniger Sicherheit.Damit verdient kein Unternehmen Geld.Und wenn ein Unternehmen kein Geld verdient, dann geht es Pleite.

TAGESSPIEGEL: Was kann ein Politiker vom Ex-Politiker und Manager Teltschik lernen?

TELTSCHIK: Jeder Politiker muß lernen, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen am Standort Deutschland erfolgreich ist, Gewinne erwirtschaftet und Steuern zahlt, Arbeitsplätze sichert und schafft.

TAGESSPIEGEL: In drei Wochen beginnt das Bündnis für Arbeit.Gehören Unternehmen an den Tisch im Kanzleramt?

TELTSCHIK: Wie wollen Sie die Auswahl treffen? Sie können nicht alle einladen.Ich halte es für richtig, daß die Vertreter der Verbände am Tisch sitzen.

TAGESSPIEGEL: Auch wenn immer wieder gesagt wird, daß die Verbände keine Arbeitsplätze versprechen können?

TELTSCHIK: Das können auch die Unternehmen nicht.Denn ein Unternehmen schafft nur Arbeitsplätze, wenn die Nachfrage steigt.Sobald wir mehr Autos verkaufen, müssen wir mehr produzieren, und dafür brauchen wir mehr Mitarbeiter.Aber wir wissen nicht, wie sehr die Nachfrage steigt.

TAGESSPIEGEL: Wie lange hält die Auto-Konjunktur noch?

TELTSCHIK: Wir haben keine großen Erwartungen.In Deutschland geht das Wachstum zurück.Wir stehen in Europa vor gesättigten Märkten, und die großen Wachstumsmärkte in Asien stecken in einer Krise.Weltweit gibt es Überkapazitäten.Die Situation für die deutsche Automobilindustrie ist schwieriger als im vorigen Jahr.Das müssen auch die Gewerkschaften wissen: Die dürfen keine zu hohen Forderungen stellen.

TAGESSPIEGEL: Der Markt führt Unternehmen zusammen - mit DaimlerChrysler ist ein Weltkonzern entstanden.Sie kooperieren enger mit VW.Warum fusionieren Sie nicht?

TELTSCHIK: Kooperationen haben sich bewährt.Die Entwicklungs-Chefs der deutschen Hersteller arbeiten zusammen, so haben sie gemeinsam den Airbag entwickelt.Darüber hinaus liefern wir Volkswagen für Rolls-Royce zu.Mehr gibt es nicht .".".

TAGESSPIEGEL: .".".und ist nicht geplant?

TELTSCHIK: Nein.

TAGESSPIEGEL: Eine andere Spekulation sieht sie mit Fiat zusammengehen.

TELTSCHIK: Es gibt keine Absicht, mit Fiat zu kooperieren.Beides sind Unternehmen, die mehrheitlich im Eigentum von Familien sind.

TAGESSPIEGEL: Das könnte eine Fusion vereinfachen.

TELTSCHIK: Oder auch schwieriger machen.Wir haben gegenwärtig keine Absicht, neue Kooperationen einzugehen.

HORST TELTSCHIK (58) war Berater von Kanzler Helmut Kohl und ist seit 1993 BMW-Vorstand für "Wirtschaft und Politik".Mit ihm sprach Jobst-Hinrich Wiskow.

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