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Wirtschaft: „Die Strompreise müssen steigen“

Werner Brinker, Präsident des Kraftwerksverbandes VDEW, über Wettbewerb in der Energiebranche und die Zukunft der Kernenergie nach der Bundestagswahl

Herr Brinker, die Strompreise steigen wieder. Stoppen die Stromversorger den Wettbewerb, bevor er überhaupt angefangen hat?

Wir haben die Preise nicht allein in der Hand. Die Versorger haben nur Einfluss auf Produktions- und Verteilungskosten. Hinzu kommen Steuern und Abgaben des Staates. Drei Gesetze treiben die Strompreise ganz wesentlich in die Höhe: Die Ökosteuer, das Gesetz zur Förderung der Kraft-Wärme- Kopplung und nicht zuletzt das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das zusammen genommen führt dazu, dass Preisreduktionen der Stromversorger aufgezehrt worden sind. Allein in diesem Jahr stiegen die zusätzlichen staatlichen Belastungen um rund zehn, im kommenden Jahr dürften es nochmals etwa fünf Prozent sein.

Gewerbekunden, also Kunden mit Sonderverträgen, sollen Zuschläge im zweistelligen Prozentbereich angekündigt worden sein. Das kann dann aber nicht der Steuereffekt sein?

Solche Steigerungen mag es geben. Mit der Liberalisierung des Marktes in Deutschland vor vier Jahren sind Mehrjahresverträge abgeschlossen worden, die nun auslaufen. Da kann es zu solchen Sprüngen kommen.

Die Kunden haben also nichts mehr vom Wettbewerb auf dem Strommarkt?

Wenn die geplante Erhöhung der Ökosteuer Anfang 2003 greift, erreichen wir in der Tat wieder das alte Preisniveau. Steuern und Abgaben machen inzwischen 41 Prozent der Stromrechnung eines Privatkunden aus. Ohne diese vom Staat verordneten Belastungen liegen die Strompreise heute um 20 Prozent unter denen des Jahres 1999.

Die Konjunktur lahmt, der Energieverbrauch auch. Normalerweise sinken dann die Preise. Warum steigen die Strompreise?

Sie können Strom nicht mit Konsumgütern vergleichen. Da funktioniert der Preismechanismus so. Die Stromwirtschaft muss einen Kraftwerkspark vorhalten, um jederzeit einen steigenden Strombedarf decken zu können. Denken Sie nur an die großen Unterschiede im Stromverbrauch tagsüber und nachts oder im Winter und Sommer. Strom können Sie nicht auf Halde produzieren. Damit haben wir hohe Fixkosten. Ganz abgesehen davon, dass wir unsere Verteilnetze selbst finanzieren müssen. Etwa die Hälfte des Branchenumsatzes entfällt darauf.

Ein kurzes Resümee: War die Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland ein Erfolg?

Nach einem dramatischen Preisverfall sind wir zu einer Konsolidierung im Markt gekommen. Aber die Preise reichen jetzt nicht mehr aus, um neue Kraftwerke zu bauen. Wir leben zur Zeit mit alten, weitgehend abgeschriebenen Kraftwerken. Nur so sind die heutigen Preise kalkulierbar.

Strom wird also noch teurer?

Irgendwann müssen wir neue Kraftwerke bauen und finanzieren. Es wird aber keine dramatischen Preissteigerungen geben, da alte Kraftwerke nur Zug um Zug vom Netz gehen. Auf jeden Fall müssen die Strompreise weiter leicht angehoben werden, um diese Investitionen finanzieren zu können.

Muss Deutschland mit seiner engen Einbindung in die EU überhaupt noch seinen gesamten Strombedarf selbst produzieren?

Das hängt davon ab, welche Ansprüche wir an die Stromproduktion stellen. Wenn wir – wie es die Regierung tut – immer wieder Umweltschutz einfordern, muss man darauf achten, woher der Strom kommt. Es ist eben ein großer Unterschied, ob Strom aus Ländern mit Kohlekraftwerken ohne Rauchgasreinigung importiert wird oder ob die Produktion den Standards in Deutschland genügt. Diese Frage muss die Politik beantworten.

Am 22. September wird gewählt. Stellt sich die Stromwirtschaft im Falle eines Regierungswechsels auf eine neue Energiepolitik ein?

Nein. Zur Zeit sehe ich keine radikale Änderung des Kurses – unabhängig von den künftigen politischen Mehrheiten.

Es gibt Spekulationen, der Ausstieg aus der Kernenergie könnte gekippt werden.

An Spekulationen will ich mich nicht beteiligen. Nur so viel: Das Thema Kernenergie diskutieren wir seit 27 Jahren. Der Ausstieg ist 2025 absehbar. Und ich traue mich nicht, eine Prognose über die Energiepolitik oder die Richtung der gesellschaftlichen Debatte in den nächsten 20 Jahren zu wagen. Wichtig bleibt ein ausgewogener Energiemix: Wir brauchen die Option, alle Energieträger wie Kohle, Gas, Kernenergie oder Wind, Wasser und Sonne nutzen zu können. Die Energiepolitik muss ein Gleichgewicht herstellen zwischen vier grundlegenden Zielen: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und soziale Ausgewogenheit.

Die Fragen stellte Dieter Fockenbrock.

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