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Wirtschaft: „Die Strompreise werden steigen“

Vattenfall-Chef Lars G. Josefsson über saubere Energie, Emissionshandel und die Zukunft der Bewag

Herr Josefsson, warum sponsert ein schwedisches Unternehmen das Brandenburger Tor und „Die Quadriga“, den Gesellschaftspreis aus Anlass der deutschen Einheit?

Die Bedeutung von Marken wird in den nächsten Jahren stark wachsen. Das Brandenburger Tor und der QuadrigaPreis sind ausgezeichnete Gelegenheiten, uns in Deutschland bekannt zu machen.

Reicht es nicht, für ihre Strommarken Bewag und HEW zu werben?

HEW und Bewag sind starke Marken auf lokal begrenzten Märkten. Vattenfall ist unsere Marke für den europäischen Markt. Wenn man eine Mehrmarken-Strategie wählt, so muss dies auf lange Sicht einen Mehrwert versprechen. In Polen haben wir bei unseren Tochtergesellschaften gerade damit begonnen, auf die Marke Vattenfall zu wechseln.

Die Markennamen Bewag und HEW werden dann auch irgendwann verschwinden?

Das schließe ich nicht aus. Es ist aber auch nichts entschieden.

Stromkonzerne werden für die Klimaschäden verantwortlich gemacht und wegen der Preise kritisiert. Ein deutscher Streit?

Nein, das wird in anderen europäischen Ländern ähnlich gesehen. Es gibt leider keine Energieerzeugung, die nicht auf irgendeine Art in die Natur eingreift. Und Umweltprobleme sind nicht mehr lokal, sondern global. Unsere Branche hat da eine große Verantwortung.

Schimpfen Ihre Kunden in Schweden auch über steigende Strompreise?

Obwohl die Preise im Schnitt unter den deutschen liegen, ist die Stimmungslage doch ganz ähnlich und wohl auch verständlich. In den zurückliegenden beiden Jahren sind die Preise angestiegen und darüber ist niemand glücklich.

Strom in Schweden müsste doch ganz billig sein, weil dort fast nur mit Wasser und Atomkraft produziert wird.

Wir haben mit Finnland, Norwegen und Dänemark einen nordischen Markt. Auf diesem gemeinsamen Markt bilden sich unsere Preise. Wasserkraft ist zwar billig, hat aber einen entscheidenden Haken: Manchmal regnet es viel, manchmal wenig. Die vergangenen zwei Jahre waren sehr trocken, deshalb haben die nordischen Ländern 15 Prozent des Bedarfs aus dem Ausland zukaufen müssen.

Vattenfall gehört dem Staat. Will der Finanzminister Dividende sehen?

Wir haben von unserem Eigner ein klares Ertragsziel bekommen. Ein bestimmter Prozentsatz vom Gewinn wird als Dividende an den Staat abgeführt.

Und niemand fordert Sie wie in Deutschland auf, die Preise zu senken?

Natürlich gibt es solche Forderungen. Dem nachzukommen wäre jedoch ein Bruch mit den Regeln des Marktes.

In Schweden gibt es bereits seit Jahren einen Regulierer für den Energiemarkt. Was hat der bewirkt?

Schwedens Tarife zur Netznutzung sind die niedrigsten in Europa. Das ist nicht unbedingt ein Erfolg des Regulierers. Das Übertragungsnetz gehört zu keinem der Stromkonzerne, sondern wird von einer staatlichen Betreibergesellschaft geführt. Damit gibt es keinen Stromerzeuger, der besondere Eigentümerinteressen beim Übertragungsnetz hätte.

Dann sollten wir in Deutschland unser Netz verstaatlichen?

Das muss jedes Land selbst entscheiden. Aber es hat sicher seinen Vorteil, wenn das Netz praktisch neutral ist. Es ist eine Infrastruktur wie eine Autobahn. Neutralität kann man aber auf unterschiedliche Art erreichen – auch durch Regulierung und behördliche Aufsicht.

Die Konzerne behaupten: Wenn der Regulierer die Preise zu stark drückt, verdienen sie nicht genug Geld für Investitionen.

Die Gefahr besteht. Investitionen müssen sich schließlich rentieren. Dass man in Deutschland mehr in die Versorgungssicherheit gesteckt hat, sieht man beim Vergleich der Ausfallzeiten. Bei uns in Schweden fällt der Strom im Durchschnitt mehr als drei Stunden im Jahr aus, in Deutschland nur eine Viertelstunde.

Jedes dritte Kraftwerk in Europa muss in den nächsten zwei Jahrzehnten wegen Veralterung ersetzt werden. In Deutschland sollen in etwa 15 Jahren außerdem alle Atomkraftwerke stillgelegt sein. Wie stellen wir in Zukunft unseren Strom her?

Vor allem mit Erdgas und Kohle.

Erdgaskraftwerke produzieren sehr teuer.

Das ist der große Nachteil von Gas. Hinzu kommt, dass die Europäer sich damit auch abhängiger machen von Lieferungen aus Russland. Das ist keine gute Strategie.

Von den erneuerbaren Energien Wind, Sonne und Biomasse halten Sie nichts?

Die werden große Steigerungsraten vorweisen, aber von einem sehr niedrigen Niveau. Ich gehe davon aus, dass regenerative Energien in den nächsten 15 Jahren nicht mehr als zehn Prozent des Stromverbrauchs bestreiten werden. Biomasse wird dabei übrigens eine wachsende Rolle spielen. Das Potenzial ist viel größer als bei Wind.

Umweltminister Jürgen Trittin glaubt, dass im Jahr 2020 bereits 20 Prozent des deutschen Stromverbrauchs mit regenerativer Energie gedeckt wird.

Ein sehr ambitioniertes Ziel. Technisch wäre das kein Problem, finanziell schon. Die Förderung von Windmühlen oder Solarkraftwerken verschlingt Milliarden.

Was macht Vattenfall mit seinen Kernkraftwerken?

Wir betreiben Kernkraftwerke nur so lange, wie es nach der jeweiligen Gesetzeslage akzeptiert ist. Ob Kernenergie auch künftig zur Stromerzeugung genutzt wird, darüber muss jedes Land entscheiden. Ich stelle ein Umdenken hin zur Kernenergie überall in Europa fest, nur nicht in Deutschland und Schweden. Wenn die Frage des Klimawandels stärker bewusst wird, dann wird man sich fragen, ob wir mit Kernkraftwerken nicht auch einen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase leisten können.

Ab 2005 startet der Handel mit Emissionsrechten. Welche Folgen hat das für die Strompreise?

Die werden steigen. Das ist ja auch der Sinn der Sache. Wer viel Kohlendioxid produziert, muss auch viel dafür zahlen.

Für die Stromkonzerne ist der Emissionshandel doch ein großzügiges Geschenk vom Staat. Vattenfall zum Beispiel bekommt Zertifikate kostenlos zugeteilt, die nach aktuellem Kurs etwa 670 Millionen Euro wert sind. Die könnten Sie verkaufen.

Das ist kein Geschenk. Ziel des Handels mit solchen Zertifikaten ist es, den CO2-Ausstoß zu verringern. Und das kostet Geld. Wer Strom ohne Emissionen erzeugt, der verdient auch mehr als die anderen. Der Reiz dieses Systems liegt darin, dass es die Kosten für die CO2-Reduktion so niedrig wie möglich hält. Davon profitiert der Verbraucher.

Kritiker argumentieren, mit dem Emissionshandel würden auf Grund steigender Kosten Industriebetriebe aus Europa abziehen, weil wichtige Staaten wie die USA oder China sich nicht daran beteiligen.

Diese Befürchtungen sind berechtigt. Aber irgendjemand muss doch die Vorreiterrolle zum Schutz des Klimas übernehmen. Ich hoffe deshalb sehr, dass sich bald alle Staaten anschließen.

Mit Ihrer Berliner Tochtergesellschaft Vattenfall Europe machen Sie inzwischen mehr Umsatz in Deutschland als in Schweden, Sie haben Beteiligungen in Polen, wollen in Dänemark zukaufen. Was könnte Sie in Deutschland noch interessieren?

Zum Beispiel regionale Versorgungsunternehmen.In den letzten Jahren waren mehrere Stadtwerke im Angebot.

Sie haben nicht zugegriffen.

Weil es zu teuer war.

Bewag und HEW waren auch zu teuer?

Nein. Wir hatten Glück. Sie können Bewag und HEW allerdings nicht mit kleinen Stadtwerken vergleichen.

Wird es eine neue Übernahmewelle in der Branche geben?

Es brodelt wieder. Wenn der Markt in Europa 2007 vollständig liberalisiert ist und die Kunden die freie Wahl ihres Lieferanten haben, dann wird es zu einer zweiten Übernahmewelle kommen.

Das Gespräch führte Dieter Fockenbrock.

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