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Wirtschaft: Die Telekom übt sich in der Chaos-Strategie

Die Verunsicherung der Kunden schadet vor allem den privaten Konkurrenten / Doch Branchenexperten sind skeptischVON TOM WEINGÄRTNER BONN.Telekom-Chef Ron Sommer kann zufrieden sein.

Die Verunsicherung der Kunden schadet vor allem den privaten Konkurrenten / Doch Branchenexperten sind skeptischVON TOM WEINGÄRTNER

BONN.Telekom-Chef Ron Sommer kann zufrieden sein.Den Auftakt des Wettbewerbs erleben die Deutschen nicht als Aufbruch ins Zeitalter der freien Wahl, sondern als Chaos mit neuen Risiken.Selbst Verbraucherschützer raten derzeit davon ab, zur privaten Konkurrenz zu wechseln.Für sie geriet das Ende des Monopols zu einem Fiasko.Zwar mußte die Telekom ihre Pläne, wechselwillige Kunden zur Kasse zu bitten, vorerst - und wahrscheinlich auch endgültig - begraben.Am kommenden Montag will die Regulierungsbehörde den Versuch einer Einigung zwischen den Kontrahenten wagen.Doch eines ist sicher: Jeder Tag, an dem der Wettbewerb noch nicht funktioniert, ist für die Telekom ein gewonnener Tag. Bereits im Vorfeld der Liberalisierung hatten sich die Telekom-Manager nach Kräften bemüht, Sand ins Getriebe der Konkurrenz zu schütten.Monatelang verstrickten sie diese in Verhandlungen über technische Einzelheiten beim gesetzlich vorgeschriebenen Zusammenschluß der Netze.Selbst nach der Entscheidung des Regulierers, daß sich die Telekom mit 2,7 Pfennig pro Minute zufrieden geben muß, haben die Wettbewerber keine Sicherheit, daß es dabei bleibt.Denn die Telekom hat die Entscheidung vor Gericht angefochten, und bis zu einer endgültigen Entscheidung können noch Jahre vergehen.Den Coup mit den Wechselgebühren fädelte Sommer ebenso sorgfältig ein.Bereits am 16.Dezember hatten Regulierungsbehörde und Private ohne Not den Grundsatz akzeptiert, daß die Telekom die Kosten eines Kundenwechsels an die "Verursacher" weiterreichen darf, und ihr damit die Grundlage für die Gebührenforderung geliefert.Auch beim fehlenden Gebührenimpuls, der den Privaten vorerst den Zugang zu Großkunden wie Hotels und Krankenhäusern versperrt, lief die Konkurrenz dem Ex-Monopolisten ins offene Messer. Mit ihrer Chaos-Strategie können die Telekom-Manager den Wettbewerb letztlich nicht verhindern, aber Zeit gewinnen, die sie dringend brauchen.Denn auf den Ansturm der Konkurrenz ist die Telekom nur unzureichend vorbereitet.Größtes Handicap ist nach wie vor die Kundenfreundlichkeit.Zwei Jahre hat Ron Sommer gebraucht, um seinen Leuten den Satz einzuschärfen: "Danke für ihren Anruf bei der Deutschen Telekom." Aber auch mit der Führung hapert es.Eifersucht und Spartendenken sind an der Tagesordnung.Teamgeist findet man nur bei den Radlern des T-Konzerns.Die Zufriedenheit der Kunden schwindet seit Jahren, und die jüngsten Gebührenpläne sind kaum geeignet, das Erscheinungsbild der Telekom zu verbessern.Sein Imageproblem versucht der Ex-Monopolist mit flotten Sprüchen zu beheben und das kostet Geld.Im letzten Jahr flossen rund 200 Mill.DM in die Werbung.Das ist auch bei einem Konzernumsatz von 63 Mrd.DM kein Pappenstiel, zumal die Telekom nicht überall blendend verdient.Das Kabelfernsehen ist weiter ein Verlustgeschäft, auf dem Markt für Endgeräte bringt es die Telekom nur noch auf bescheidene 20 Prozent.Dort, wo bereits in der Vergangenheit Wettbewerb herrschte, tut sich der Ex-Monopolist schwer.So etwa im Mobilfunkgeschäft, wo der Fernmelderiese deutlich weniger als die private Konkurrenz verdient.Kein Wunder, daß bereits spekuliert wird, die Telekom habe 1997 einen deutlichen Gewinneinbruch erlitten.Statt der erwarteten 5,5 Mrd.DM sollen nur 4 Mrd.DM verdient worden sein. Dabei ist die Telekom grundsätzlich ein starkes Unternehmen.Sie verfügt über ein modernes Netz.Ihre Verschuldung hat sie deutlich zurückgeführt.Bis auf weiteres wird nur sie alle Produkte und Dienstleistungen der Branche im Angebot haben und damit auch vom Wachstum ihrer Konkurrenten profitieren.Unter den Analysten ist freilich umstritten, wie weit diese Stärken tragen, wenn die Telekom demnächst in ihrem Brot-und-Butter-Geschäft, dem Telefondienst, deutlich weniger einnimmt.Die neuen Tarife, die am 1.März in Kraft treten, liegen um durchschnittlich 4,5 Prozent unter den heutigen.Dabei, vermutet Hans Peter Neuroth vom Bankhaus Sal.Oppenheim, werde es aber nicht bleiben, wenn die Konkurrenten dies, wie angekündigt, noch deutlich unterbieten.Skeptisch beurteilt man auch bei der SMH-Bank die Chancen der Telekom.Schon im nächsten Jahr werde der Wettbewerb in voller Schärfe entbrennen und die Gewinnmargen praktisch halbieren.Dagegen erwartet man bei der Deutschen Bank nicht "daß sich über Nacht eine vollkommen neue Marktstruktur" ergibt.Auch Christoph Tenhagen vom Bankhaus Hermann Lampe ist zuversichtlich.Die Telekom könne ihre Kosten noch erheblich senken, nicht nur im Personalbereich.In den nächsten Jahren komme sie auch mit weniger Investitionen aus, so daß die Abschreibungen zurückgehen.Einig sind sich die Analysten freilich darin, daß die technische Überlegenheit der Telekom an Bedeutung verlieren wird.Im Wettbewerb hat die Nase vorn, wer es versteht, die Kunden an sich zu binden.Daß sie dazu in der Lage ist, muß die Telekom in den nächsten Monaten unter Beweis stellen.

TOM WEINGÄRTNER

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