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Wirtschaft: Die Versicherer und das schwarze Geld

Die Steuerfahndung ermittelt gegen Kunden von Allianz& Co – die Gesellschaften selbst kommen wohl ungeschoren davon

Berlin – Obwohl die Steuerfahndung derzeit gegen 1700 bis 2000 Kunden von deutschen Lebensversicherern wegen des Verdachts des Steuerbetrugs ermittelt, brauchen die Versicherungsgesellschaften den Staatsanwalt wohl nicht zu fürchten. Davon geht zumindest die Oberfinanzdirektion Düsseldorf (OFD) aus. Experten wie der Herausgeber des „map-Reports“, Manfred Poweleit, halten das für einen Skandal und fordern eingehendere Untersuchungen.

Im Kern der Ermittlungen der Steuerbehörde geht es darum, dass im Ausland geparkte Schwarzgelder über die Konten inländischer Banken in Lebensversicherungspolicen geflossen sein sollen. „Wir sind seit 2002 an der Sache dran und haben nach drei Jahren noch kein einziges Verfahren gegen eine Bank oder eine Versicherungsgesellschaft eröffnet“, sagte OFD-Sprecher Martin Fliedner dem Tagesspiegel am Sonntag. Das sei zwar kein „Freibrief“ für die Unternehmen und deren Mitarbeiter, so Fliedner, doch geht die OFD derzeit nicht davon aus, dass noch ein Ermittlungsverfahren gegen eine Versicherung oder ein Kreditinstitut wegen Beihilfe oder Anstiftung zur Steuerhinterziehung eröffnet wird.

Branchenexperte Poweleit hält das für nicht akzeptabel. So hätten allein im Jahr 2003 die Versicherungen bei Neuabschlüssen 8,3 Milliarden Euro nur über Einmalbeiträge ihrer Kunden eingenommen. Zwar seien sicherlich nicht alle Einmalbeiträge aus Schwarzgeld gezahlt worden, doch müsse die Steuerfahndung hier genauer hinsehen, forderte Poweleit: „Warum fließen acht Milliarden in Versicherungen, die mickrige vier Prozent Zinsen bringen?“ Daher sollte die Steuerfahndung die Versicherungsgesellschaften, die auffällig hohe Einmalbeiträge einsammeln konnten, genauer untersuchen. Dazu gehörten neben dem Branchenprimus Allianz Leben auch die Victoria, die Hamburg-Mannheimer und die R+V-Versicherung. „Die Fahnder sollten sich bei diesen Gesellschaften jeweils die 100 größten Verträge ansehen“, sagte er.

Doch den Steuerfahndern sind die Hände gebunden. „Wir brauchen einen konkreten Anfangsverdacht“, sagt OFDSprecher Fliedner, „und den haben wir nicht.“ Mit Spekulationen komme man nicht weiter. Das weiß Fliedner spätestens seit der Bankenaffäre. Denn obwohl bekannt war, dass viele Banken in den neunziger Jahren Fluchthilfe für deutsches Kapital auf dem Weg nach Luxemburg geleistet hatten, reichte den Richtern diese abstrakte Erkenntnis allein nicht aus, um Durchsuchungen bei den Geldhäusern zu erlauben. Anders als bei den Versicherungen konnten die Ermittler im Geldgewerbe jedoch schnell konkrete Verdachtsmomente zusammentragen. Die Erkenntnisse der Fahnder mündeten schließlich auch in Strafverfahren gegen Bankmitarbeiter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Im Mittelpunkt des Skandals: die Dresdner Bank, deren Chef Jürgen Sarrazin 1997 wegen der Steueraffäre gehen musste.

Auch bei den Versicherungsfällen taucht die Dresdner Bank jetzt wieder auf. Bei einer Betriebsprüfung im September 2002 stieß die Steuerfahndung auf mehrere Bankkunden, die Geld aus dem Ausland in Lebensversicherungspolicen der Konzernschwester Allianz Leben gesteckt hatten. Auffällig: Das Geld floss immer in die so genannten „5+7“-Policen, bei denen die Kunden fünf Jahre lang von einem Bankdepot Beiträge in eine Lebensversicherung einzahlen, die dann sieben Jahre lang beitragsfrei weiterläuft, um dann nach zwölf Jahren ausgezahlt zu werden. Die Vorteile: Nach den zwölf Jahren bleiben die Erträge für Versicherungen, die bis Ende vergangenen Jahres abgeschlossen worden sind, steuerfrei. Und wichtiger noch für Weißwäscher von Schwarzgeld: „Die Steuerhinterziehung ist bei Auszahlung der Versicherung verjährt“, sagt Rechtsanwalt Marco Geuenich von der Sozietät Flick Gocke Schaumburg. Bei einfachen Fällen, die nicht bandenmäßig oder gewerblich betrieben worden sind, tritt bereits nach fünf Jahren die Verjährung ein. In vielen Fällen dürften die Fahnder also zu spät kommen.

Aber selbst wenn die Tat noch nicht verjährt ist, können die Betroffenen noch versuchen, das Schlimmste abzuwenden. Denn die Versicherer warnen ihre Kunden. Wenn Kundendaten an die Steuerfahnder weitergegeben werden, schicken die Gesellschaften ihren Versicherten blaue Briefe. „Wer einen solchen Brief bekommt, sollte schleunigstens zu einem Rechtsanwalt oder Steuerberater gehen und eine Selbstanzeige machen“, rät Geuenich. Konsequenz: Zwar muss man die hinterzogenen Steuern plus sechs Prozent Hinterziehungszinsen pro Jahr zahlen, bleibt aber straffrei. Doch ist eine Selbstanzeige nur so lange möglich, wie die Tat unentdeckt ist. „Ist der Kunde den Steuerfahndern namentlich bekannt und beginnen die Ermittlungen, geht das nicht mehr“, warnt Anwalt Geuenich.

In Berlin sind bislang nur Einzelfälle bekannt geworden, in denen Finanzbeamte auf ihnen verdächtig erscheinende Steuererklärungen gestoßen sind und begonnen haben, Fragen zu stellen. Demnächst wird die OFD Düsseldorf ihren Berliner Kollegen Material zur Verfügung stellen. „Wenn wir Hinweise erhalten, womit zu rechnen ist, werden wir denen nachgehen und ermitteln“, sagte der Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen, Matthias Kolbeck, dem Tagesspiegel.

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