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Wirtschaft: Die wilden Bademäntel

Verrückt nach den Wilden Kerlen : Mit Büchern, Filmen und Fanartikeln verdienen ihre Erfinder Millionen

Berlin - Linda ist ein wilder Kerl – durch und durch. Die Sechsjährige schläft in orange-schwarzer Wilde-Kerle-Bettwäsche, geht im T-Shirt mit dem Monsterlogo zur Schule und spielt nachmittags Fußball mit dem Wilde-Kerle-Lederball. „Die Wilden Kerle sind cool“, sagt das Mädchen. „So wie ich.“

Cool zu sein, ist nicht billig. Hundert Euro kommen locker zusammen, wenn man sich in der Warenwelt der Wilden Kerle bewegt. 40 Euro für den Kapuzenpulli, 20 Euro für das T-Shirt, das läppert sich. Trotzdem gibt es heute kein Kaufhaus mehr ohne Wilde-Kerle-Produkte. Auf einen zweistelligen Millionenbetrag schätzt Ursula Birck von der Lizenzvermarktungsfirma Dreamotion den Umsatz, den allein der Einzelhandel mit den Wilden Kerlen macht.

Unter den Sechs- bis 16-Jährigen sind die Wilden Kerle derzeit mega-in. 13 Bücher gibt es mit Geschichten rund um die Münchner Fußballmannschaft, die allerlei Abenteuer bestehen muss, am Ende aber immer wieder zueinander findet – getreu ihrem Schlachtruf „Alles ist gut, solange du wild bist“.

Die Geschichten hat Joachim Masannek geschrieben. Die Idee zum Fußballstoff haben ihm seine Söhne Leon und Marlon geliefert. Denn die Wilden Kerle gibt es wirklich. Sie trainieren in München-Grünwald, als Kinder waren auch Leon und Marlon dabei.

Heute haben sie anderes zu tun, zum Beispiel schauspielern. Die Masannek-Söhne treten in den Wilde-Kerle- Filmen auf. Denn nicht nur in den Buchhandlungen, auch an der Kinokasse sind DWK – „Die wilden Kerle“ – ein absoluter Renner. Seit gut zwei Wochen läuft der vierte Teil „Die Wilden Kerle und die Silberlichten“. Bereits am Startwochenende strömten 650 000 meist minderjährige Zuschauer in die Filmtheater – „DWK 4“ steht seitdem auf dem ersten Platz der Kino-Charts. Im Frühling wird es eine neue, auf dem Film basierende Merchandising-Linie geben, die nicht mehr das alte Monstergesicht, sondern den Schriftzug „Wild“ in den Vordergrund stellt.

„Hi, ich bin ein Megafan“, schreibt Sally567 im Wilde-Fußball-Kerle-Chat. Ihre Idole sind Jimi Blue Ochsenknecht und sein Bruder Wilson Gonzales. Die Kinder des Schauspielers Uwe Ochsenknecht sind die Stars der WildeKerle-Filme. Bravo legt Poster der Mädchenschwärme bei. Bei Kino-PR-Touren ist die Hölle los. „Wo die Jungs auftreten, ist es so wie früher bei den Beatles“, sagt Masannek.

Der Erfolg zahlt sich auch kommerziell aus. Gerade einmal zwölf Lizenznehmer gab es vor zwei Jahren, heute sind es 36 Firmen, die ihre T-Shirts, Fahrräder, Papierkörbe oder Bademäntel mit den Wilde-Kerle-Logos aufwerten wollen. „Statt 19 Euro können sie für ihre Schuhe dann locker 29 Euro verlangen“, sagt Joachim Knödler.

Knödler arbeitet bei der Münchner Firma Copyright Promotions. Copyright ist eine Lizenzagentur. Gemeinsam mit Dreamotion betreuen sie die Lizenznehmer und jene, die es werden wollen. Und das werden immer mehr, berichtet Knödler: „Wir können uns vor Lizenzanfragen nicht retten.“

Die „Wilden Kerle“ haben ihre Erfinder reich gemacht. Eigentümer der Markenrechte sind Joachim Masannek und Joachim Birck, der Illustrator der Bücher. 1,1 Millionen Euro seien allein im Jahr 2005 an Tantiemen in Deutschland zusammengekommen, sagt Masannek. 2006 dürften das eher noch mehr geworden sein. Denn im März vergangenen Jahres lockte der dritte Film „Die Wilden Kerle 3 - Die Attacke der Biestigen Biester“ rund 2,1 Millionen Zuschauer in die Kinos.

Ulrike Dick wünscht sich ein neues Buch. Sie ist Sprecherin des Baumhaus-Verlages, in dem die WildeKerle-Bücher erscheinen. Knapp 1,9 Millionen Bücher hat der Frankfurter Verlag inzwischen verkauft, doch jetzt stockt der Nachschub. Seit über einem Jahr warten Fans und Verleger auf den mehrfach angekündigten 14. Band, bislang vergeblich. Der sollte eigentlich vom „dicken Michi“ handeln, dem Underdog und ewigen Gegenspieler der Wilden Kerle. Doch dann tauchte im dritten DWK-Film ein neuer Wilder Kerl auf, der kleine Nerv. Der soll die Sechsjährigen bei der Stange halten, denen die anderen Schauspieler langsam zu alt werden. Sollte es einen 14. Band geben, wird er sich um Nerv drehen. „Ich habe schon zehn bis zwölf Seiten geschrieben“, sagt Masannek.

Doch ob dieses Buch jemals vollendet wird, steht in den Sternen. Denn Masannek sitzt bereits am Drehbuch des fünften DWK-Films. Während Knödler von den Filmen und einer Verbreiterung der Merchandising-Zielgruppe schwärmt, sehen die Weggefährten der frühen Jahre die Entwicklung mit Sorge. „Von dem ursprünglichen Flair ist nichts mehr geblieben“, sagt Ursula Birck. Je älter die Schauspieler werden, je abgedrehter die Filmsujets, desto weniger habe all das mit den eigentlichen Wilden Kerlen zu tun. Das findet auch Linda. Der neue Film sei doof, meint die Kleine: „Da geht es doch nur um Liebe und nicht um Fußball.“

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