zum Hauptinhalt

Wirtschaft: „Die Zeiten werden besser“

Neuer Handwerkspräsident sieht Ende der Krise, aber fordert Reformen – etwa bei der Mehrwertsteuer

Herr Kentzler, geht die Krise des Handwerks in diesem Jahr weiter?

Nein, ich denke, die Talsohle ist erreicht. Ich habe die Hoffnung, dass wir unter dem Strich 2005 keine Betriebe und Beschäftigten mehr verlieren werden.

Was macht sie so optimistisch? Das Handwerk hat seit Mitte der 90er Jahre Hunderttausende Stellen abgebaut, und die Konjunktur bleibt mäßig.

Eine ganze Reihe von Indizien spricht dafür, dass die Zeiten besser werden. Es gibt zahlreiche Neugründungen, etwa bei uns im Ruhrgebiet. Zudem steigen die Lehrlingszahlen, das zeigt, dass die Meister wieder zuversichtlicher in die Zukunft blicken. Die Binnennachfrage kommt allmählich in Schwung, davon wird das Handwerk rasch profitieren.

Wenn das Handwerk wieder zulegt, wird es dann auch mehr ausbilden?

Wir werden hoffentlich so viele Lehrlinge ausbilden wie im vergangenen Jahr. Wir stehen zu unserer Verantwortung. Das haben wir ja im Ausbildungspakt zugesichert. Schwierig wird es allerdings, den in den vergangenen Jahren bereits Unversorgten eine Perspektive zu geben.

Was sollte die Regierung 2005 tun, damit der von Ihnen angekündigte Aufschwung auch anhält?

Wir brauchen Sozialreformen. Der Faktor Arbeit muss entlastet werden. Und wir brauchen weitere Entlastung bei den Steuern. Viel wäre schon gewonnen, wenn wir erst zu dem Zeitpunkt die Mehrwertsteuer an den Staat abführen müssten, zu dem der Kunde seine Rechnungen bei uns bezahlt. Im Übrigen gehört die Gewerbesteuer abgeschafft. Ihre Integration in die Einkommen- und Körperschaftsteuer ist zentrale Voraussetzung für eine grundlegende Steuerreform.

Wie soll der Staat das finanzieren?

Durch Subventionsabbau, am besten wie vorgeschlagen per Rasenmähermethode.

Dann müsste auch die Eigenheimzulage wegfallen.

Wir müssen sie anders konditionieren. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Der Staat muss uns aber das eingesparte Geld in Form von Steuersenkungen zurückgeben. Da gibt es noch eine Menge Spielraum.

Zuletzt war das Klima zwischen Handwerk und der Bundesregierung sehr kühl. Macht Rot-Grün eine Politik für kleine Betriebe und den Mittelstand?

Nein, wir haben schon Kritikpunkte. Die neuen Ein-Euro-Jobs zum Beispiel sind fatal für uns. Die Politik hat zwar versichert, dass die Ein-Euro-Jobs keine reguläre Beschäftigung verdrängen dürfen. Ich bin allerdings skeptisch. Ähnlich ist es mit den Ich-AGs. Nur mit hohen Subventionen sind diese Existenzen lebensfähig. Und diese Subventionen schaden dem Arbeitsmarkt.

Wie sehen Sie Frau Merkel?

Sie ist die gewählte Vorsitzende einer großen, staatstragenden Partei. Ihre Reformkonzepte weisen den richtigen Weg.

Ist die Union derzeit regierungsfähig?

Natürlich, genauso wie die SPD.

Der Kanzler hat seine Agenda 2010 umgesetzt. Was muss jetzt geschehen?

Um echte Veränderungen zu bekommen, müssen wir mutiger werden. Und wir brauchen langfristige Konzepte. Für unsere Betriebe geht es nicht um kleine Prozentpunkte, beispielsweise bei den Krankenkosten. Es gibt viel gewichtigere Brocken. Im Übrigen haben wir kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Die Politiker dürfen nicht immer auf die nächste Landtagswahl schielen.

Zum Beispiel?

Bei der Unfallversicherung müssen die Beschäftigten mehr Eigenverantwortung übernehmen. Auch mit den Gewerkschaften müssen wir reden, damit es Entlastung gibt bei den Arbeitskosten. Opel ist ein gutes Beispiel. Ein anderes Thema ist der Kündigungsschutz. Dieser darf nicht schon für Betriebe mit zehn Mitarbeitern gelten. Die Schwelle muss angehoben werden auf 20 Mitarbeiter und mehr.

Demnächst gelten für die Banken strengere Kreditvergabe-Richtlinien nach dem Basel-II-Abkommen. Wird es für Ihre Betriebe schwieriger, sich Geld zu besorgen?

Vermutlich – aber das haben wir auch selbst in der Hand. Wir müssen deutlich machen, dass es sich für die Banken lohnt, uns mit Kapital auszustatten.

Um weiter Kredite zu bekommen, müssen die Handwerksbetriebe ihre Bücher offen legen. Wird das nicht ein Kulturschock?

Nein, eher ein heilsamer Schock. Denn Basel II ist auch eine Chance für die Betriebe. Sie müssen die betriebswirtschaftliche Lage ihrer Firma darstellen und mehr über Steuerbelastung lernen. Dann gibt ihnen die Bank auch eher Kredit.

Sie besitzen keinen Meisterbrief, sind aber Handwerkspräsident. Hat sich der Titel des Handwerksmeisters überlebt?

Nein. Meister sind nötig, damit die Qualität stimmt, etwa beim Bau eines Hauses. Es gibt zwar Normen und Vorschriften, die reichen aber nicht aus. Nur der Meisterbrief versichert dem Kunden, dass der Handwerker die nötigen Fähigkeiten hat.

Bei Ihnen reicht offenbar eine Klempnerlehre, um als Handwerker und Unternehmer erfolgreich zu sein.

Zusätzlich bin ich Diplom-Ingenieur für Maschinenbau geworden – das ist der Meisterausbildung ganz ähnlich. Und wir haben in der Firma mehrere Meister angestellt, ohne die ginge es gar nicht.

Ihr Sohn, der das Unternehmen übernehmen soll, ist auch kein Meister.

Stimmt, er ist Controlling-Experte. Aber ich werde ihn hoffentlich noch dazu bewegen können, seine Meisterprüfung nachzuholen.

Was kostet heute eine Handwerkerstunde?

Im Schnitt etwa 45 bis 48 Euro.

Ist sie das wert?

Wenn Sie die Firma Kentzler holen, auf jeden Fall.

Das Gespräch führten Carsten Brönstrup, Moritz Döbler und Ursula Weidenfeld.

-

Zur Startseite