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Dienstreisen: Für die Firma unterwegs

Für Unternehmen sind Geschäftsreisen eine wichtige Investition – und für viele Mitarbeiter eine Bereicherung. Ein Vertriebsleiter, ein Entwicklungshelfer und eine Journalistin berichten von ihren Erfahrungen.

Unternehmen müssen sparen. Außerdem machen es Videokonferenzen bald überflüssig, sich in den Flieger zu setzen, um irgendwo in der Welt Geschäftsgespräche zu führen – so hieß es Mitte 2011 pessimistisch in der Reisebranche. In diesem Frühjahr sieht die Lage wieder ganz anders aus. „Mitarbeiter sind so oft unterwegs wie nie zuvor“, ist nun in den Schlagzeilen zu lesen. 40 Prozent der deutschen Reisemanager rechnen nach einer Umfrage des Finanzdienstleisters für Geschäftsreisemanagement, Airplus, damit, dass ihre Firmen 2012 die Mitarbeiter wieder häufiger in die Welt schicken, um Kunden aufzusuchen, Märkte und Kulturen zu erkunden und Käufer zu werben.

Doch mit „Business as usual“ ist es dabei nicht getan. Im Ausland läuft oft vieles anders als geplant, interkulturelle Missverständnisse sind vorprogrammiert. Ein Vertriebsleiter, ein Entwicklungshelfer und eine Tagesspiegel-Journalistin erzählen, was sie in der Ferne erlebt haben.

Der Vertriebsleiter

In Ballungszentren wie Riad, Dubai oder Singapur drängt sich der Verkehr. Staus sind die Regel, ein verlässliches Netz an Bussen und Bahnen gibt es oft nicht – obwohl der Bedarf groß ist. Deshalb reist Frank Nagel seit sechs Jahren in die Golfstaaten, nach Asien und in den pazifischen Raum. Der 44-Jährige ist Vertriebsleiter der IVU Traffic Technologies AG und stellt dort potenziellen Kunden IT-Lösungen des Berliner Mittelständlers vor, mit denen sich öffentliche Verkehrssysteme planen lassen. Gerade ist er aus Vietnam zurückgekehrt.

Nagel besucht Kongresse, er hält Vorträge an Universitäten, akquiriert Kunden und verhandelt. „Persönliche Kontakte sind in diesen Regionen besonders wichtig“, sagt er. In der Regel ist er einmal im Monat eine Woche unterwegs. Geht es nach Australien oder Asien sind es oft zwei bis drei.

Kurse für interkulturelles Lernen hat er nie besucht. „In einer Multikultigesellschaft gehört es zur Allgemeinbildung, dass man einen arabischen Geschäftsführer mit einem festen Händedruck eher verschreckt“, sagt der Kreuzberger. Die Manager, denen er begegnet, sind zudem sehr weltgewandt und auf die deutsche Kultur gut vorbereitet. Viel entscheidender als ein vermeintlicher kultureller Fauxpas sei es, dem Gegenüber offen, respektvoll, vorurteilsfrei und selbstbewusst gegenüberzutreten. „Man sollte sich und seinen deutschen Eigenschaften treu bleiben“, rät er. Deutschland stehe für Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, hocheffizientes Arbeiten und Innovationen – und werde dafür geschätzt. „Dabei müssen wir aber aufpassen, nicht überheblich zu wirken und Geschäftspartner mit unserer direkten, zielorientierten Art nicht vor den Kopf zu stoßen“, sagt er. Als bereichernd empfindet Nagel, dass Manager dort oft weit entspannter ihre Geschäfte machen als es hier üblich ist.

Sein Job macht ihm viel Spaß. Er schätzt die neuen Herausforderungen, den Kontakt mit so unterschiedlichen Menschen. Ist er aber länger als eine Woche fort, fehlt ihm die Familie, seine Kinder sind 7 und 12 Jahre alt. Hin und wieder, wenn es sich einrichten lässt, nimmt er sie mit.

Der Entwicklungshelfer

Jörg Yoder war vor dem Außenminister da. Als Guido Westerwelle im Juni 2011 in den Flieger Richtung Lybien stieg, um in Bengasi die Übergangsregierung anzuerkennen, hatte Yoder den Großteil seiner Arbeit bereits erledigt. Fünf Tage haben sie ihm gegeben, um ein kleines Team zusammenzutrommeln und mit einem Sicherheits- und einem Lybienexperten in der Rebellenhochburg am Meer ein Briefing der Lage vor Ort für die deutsche Delegation vorzubereiten.

Yoder arbeitet für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Eschborn bei Frankurt am Main. Er koordiniert ein spezialisiertes Team, das, je nach Auftrag, in unterschiedlicher Zusammensetzung in bis zu 48 Stunden in alle Welt geschickt wird. Überschwemmungskatastrophe in Pakistan, Erdbeben in Haiti, Flüchtlingskatastrophe im Kongo – Yoders Job ist es, die Lage zu erkunden. „Ich gebe erste Empfehlungen, leite Maßnahmen ein, bereite Ausschreibungen für das Personal vor, das langfristig vor Ort eingesetzt wird“, erklärt der 41-Jährige. Bei seiner Vorbereitung greift er auf ein dichtes Netz an Experten der GIZ zurück. Die Gesellschaft, die zu hundert Prozent dem Bund gehört, ist in mehr als 130 Ländern weltweit aktiv.

„Im Ausland bin ich immer Gast“, erklärt er seine interkulturelle Strategie. Dort agiert er rücksichtsvoll, versucht, unvoreingenommen mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Der direkte Blick in die Augen, der freundliche Handschlag zur Begrüßung, damit schafft er eine erste Nähe. „Man braucht zudem viel Empathie, um sowohl den somalischen Flüchtling im Lager von Dadaab als auch den Gouverneur der Region zu verstehen“, sagt Yoder. Wirklich gefährlich sei es bisher nie gewesen. Die Militärbande, die ihn in der zentralafrikanischen Republik in ihre Gewehrmündungen sehen ließ, zählt nicht. „Wenn man die geforderten 200 Dollar zahlt, kommt man aus der Notsituation sofort frei“, sagt er. Seine Einsätze dauern ein bis drei Wochen. Vier Monate im Jahr oder länger hält er sich irgendwo in der Welt auf. Mit seiner Beziehung und den Freunden lasse sich das vereinbaren. War er länger im Einsatz, kann er das mit Freizeit ausgleichen. Noch ist Yoder nicht müde von seinem Job. Irgendwann aber will er wieder sesshaft werden. In Deutschland.

Eine Erkundung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag

Die Tagesspiegel-Journalistin

„Was wollen Sie denn in Den Haag?“ Erstaunt, fast abschätzig klang die Frage eines Kollegen, der nicht verstand, dass ich im Sommer 2001 endlich den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) erkunden wollte. „In dem Tribunal hockt diese Carla del Ponte und wartet auf Milosevic, der sowieso nie kommt“, schüttelt der Kollege den Kopf.

Dabei war damals schon einiges los am ICTY. Es war eine weltweit einmalige Riesenbehörde mit fast tausend Mitarbeitern aus mehr als 48 Staaten, viele Prozesse gegen Kriegsverbrecher aus der Region des ehemaligen Jugoslawien liefen bereits. Das sollte man doch den Lesern beschreiben. Kurz und gut: Man ließ mich reisen. Nach intensiven Tagen der Recherche war Ende Juni mein Spesenbudget erschöpft. Kurz zuvor war es noch zum ersehnten Interview mit einer beeindruckenden Richterin gekommen. „Wenn ich Sie wäre“, riet die passionierte, amerikanische Lady, „würde ich ein paar Tage länger bleiben“. Da seien die Schlussplädoyers im Fall Radislav Krstic an der Reihe, einem der Haupttäter des Massakers von Srebrenica.

Genug jetzt, hörte ich von der Zeitung. Ich buchte auf eigene Kosten ein billiges Zimmer nah am Den Haager Hauptbahnhof. Kaum etwas in der Welt der Gegenwart schien mir erschütternder, als die Plädoyers der Staatsanwälte im Fall Krstic. Dann geschah noch etwas anderes, Unglaubliches. Ob die Richterin das geahnt hatte?

Die Nachricht kam spät abends am 28. Juni. Das Tribunalgebäude war fast leer, als eine serbische Kollegin verkündete: „Milosevic ist auf dem Weg nach Haag!“ Stunden später standen Hunderte vor der Haftanstalt des nahe Den Haag gelegenen Scheveningen, als der Helikopter mit dem am 1. April in Serbien verhafteten ehemaligen Staatschef und Massenmörder an Bord auf dem Innenhof landete.

An dem Tag wurde Geschichte gemacht. Das Ende der „Kultur der Straffreiheit“ für Potentaten, Diktatoren, Tyrannen war näher gerückt. Dass ich davon etwas erfahren und berichten konnte, dafür bin ich dankbar, der Richterin, meiner Zeitung, vor allem der internationalen Justiz. cf

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