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Einen tieferen Blick in die Motorsteuerung verweigern die Hersteller dem Kraftfahrzeugbundesamt und dem Tüv im Rahmen der Abgastests.

© dpa

Diesel-Untersuchungsausschuss: Außer Kontrolle

Die Behörden vertrauten den Autoherstellern bis zum Dieselskandal beinahe blind – das soll sich nun ändern.

Nach dem Dieselskandal bei Volkswagen geraten die Aufsichtsbehörden unter zunehmenden Druck, strengere Kontrollen durchzuführen. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages vernahm am Donnerstag in Berlin unter anderem den Präsidenten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) Ekhard Zinke zu möglichen Versäumnissen. Die EU-Kommission veröffentlichte einen Leitfaden über die in der EU verbotenen Abschalteinrichtungen zur Manipulation von Schadstoffemissionen. Es gehe darum, wie die EU-Länder geltendes Recht besser durchsetzen könnten, sagte EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska.

Das Kraftfahrt-Bundesamt fragte nicht nach

Das KBA, das für die Typgenehmigung von Fahrzeugen zuständig ist, verließ sich bis zum Bekanntwerden des Diesel-Skandals weitgehend auf die technischen Angaben der Hersteller. „Es gab keinerlei Anlass, auch nur einen anfänglichen Zweifel an den vorgelegten Dokumenten und Unterlagen zu haben“, sagte Behördenchef Zinke. „Deshalb hat es auch keine Nachfragen gegeben.“ Zinke will erstmals nach Bekanntwerden des Dieselskandals im September 2015 den Begriff Abschalteinrichtung gehört haben. Auf welchem Weg die Hersteller die vorgeschriebenen Abgaswerte in der Vergangenheit im Prüflabor erzielt hätten, sei nicht untersucht worden. Klaus Pietsch, verantwortlich für Typgenehmigungen beim KBA, erklärte, die dem Verkehrsministerium unterstellte Behörde habe zulässige Einrichtungen zur Abgasregulierung, die die Hersteller zum Schutz des Motors nutzen dürfen, nie näher unter die Lupe genommen. Dies sei auch rechtlich nicht vorgeschrieben. Nach einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2007 sind Abschalteinrichtungen grundsätzlich verboten, wenn sie bei „normalem Fahrzeugbetrieb“ überhöhte Schadstoffemissionen zulassen. Nähere Angaben zu den Einrichtungen müssen die Hersteller in ihren Produktbeschreibungen nicht machen.

EU-Liste definiert "defeat device"

KBA-Chef Zinke wies den Vorwurf zurück, die Behörde habe eine zu große Nähe zur Autoindustrie. Der Umgang sei „professionell, objektiv und neutral“. Eine bekannt gewordene interne E-Mail, die Zinke „mit industriefreundlichen Grüßen“ beendet hatte, sei „bitter ironisch“ gemeint gewesen. Die Formulierung habe „nicht den Funken einer Ernsthaftigkeit“ gehabt. Zinke räumte allerdings ein, er habe nach dem Diesel-Betrug bei Volkswagen, der vor anderthalb Jahren bekannt wurde, „eine Lernkurve durchlaufen“. Vieles stelle sich heute in einem anderen Licht dar. In dem 21-seitigen Dokument, das die EU-Kommission am Donnerstag veröffentlichte, legen die Experten dar, welche technischen Vorrichtungen als Abschalteinrichtung („defeat device“) einzustufen sind und wie sie von den Behörden erkannt werden können. Mit dem Leitfaden hat die Kommission zugleich ein Instrument für mögliche Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedsländer in der Hand, die nicht gegen Schummeleien von Autobauern bei Abgaswerten vorgehen. Gegen Deutschland und drei weitere EU-Länder läuft seit Anfang Dezember ein Verfahren, weil diese Staaten nach Ansicht der EU-Kommission die Vorgaben zur Verhängung von Strafen gegen Autobauer wie VW ignoriert haben sollen.

Ex-TÜV-Chef: Wir sind keine Hackerbude

Der frühere Chef des TÜV Nord, Guido Rettig, sagte vor dem Ausschuss, er habe ebenfalls erstmals im September 2015 von illegalen Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung gehört. „Davor gab es das Thema in unserem Hause nicht.“ Der TÜV Nord hatte viele VW-Modelle für die Typgenehmigung getestet. Rettig zufolge sind den Überwachungsvereinen bislang rechtlich die Hände gebunden, wenn es um Einblicke in die Motorsoftware geht. Die technischen Regeln, nach denen der TÜV Fahrzeuge prüfe, erlaubten dies nicht. „Wir können Software nicht einfach auslesen, dann wären wir eine Hackerbude“, sagte Rettig, der bis Ende 2016 Vorstandschef des TÜV Nord war. Bei den Zugriffsmöglichkeiten gebe es seit Jahren Handlungsbedarf, weil in immer mehr Produkten Software enthalten sei.

Die Autohersteller haben indes nichts dagegen, dass ihre Motorsteuerungssoftware vor dem Zugriff Externer geschützt ist. Dies erläuterte der Hacker Felix Domke. Argumentiert werde mit „Betriebsgeheimnissen“ und „geistigem Eigentum“, sagte Domke. So könnten Manipulationen verschleiert werden. Dem IT-Spezialisten war es gelungen, die illegal veränderte Software von Volkswagen zu entschlüsseln. Der Experte, auf dessen Hilfe auch das KBA zurückgriff, fordert einen besseren Zugang der Kontrolleure zu den Quellcodes. mit rtr

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