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Wirtschaft: Digitale Visionen beflügeln US-Medienkonzerne und Aktionäre

Die größte Fusion der Geschichte beeindruckte nicht nur wegen des Wertes von 180 Milliarden US-Dollar, sie war auch ein Triumph des Internets über konventionelle Medien und galt als Gongschlag zum neuen Jahrtausend: Der Internet-Riese AOL mit 22 Millionen Abonnenten gab am 10. Januar bekannt, den Mediengiganten Time Warner kaufen zu wollen.

Die größte Fusion der Geschichte beeindruckte nicht nur wegen des Wertes von 180 Milliarden US-Dollar, sie war auch ein Triumph des Internets über konventionelle Medien und galt als Gongschlag zum neuen Jahrtausend: Der Internet-Riese AOL mit 22 Millionen Abonnenten gab am 10. Januar bekannt, den Mediengiganten Time Warner kaufen zu wollen. Das Wirtschaftsmagazin Business Week schrieb: "Die Topmanager der neuen Internet-Ökonomie werden das Establishment des 21. Jahrhunderts."

AOL, gerade ein paar Jahre alt, übernahm einen Konzern, der mit 23,4 Milliarden Dollar fünfmal so viel Umsatz und fast siebenmal so viele Beschäftigte hat: Das Showgeschäft geht online. Das hat die Investoren aufgeweckt. Der Standard & Poors Index der Unterhaltungsindustrie hat in diesem Jahr bereits 17,9 Prozent zugelegt, während der breit gefasste Standard & Poors 500 Index 5,6 Prozent verlor. Sowohl bei AOL als auch bei Time Warner hielten sich Investoren nach dem Anfangsrausch jedoch zurück. Den einen war die neue Kombination nicht solide genug. Den anderen wurde sie zu träge: Internet-Investoren fürchten, mit Time Warner würden ihre Wachstumserwartungen enttäuscht. Und sie könnten Recht haben. Der Umsatz der US-Filmindustrie ist im vergangenen Jahr um acht Prozent auf 23,4 Milliarden Dollar gewachsen, das galt als sehr gut. Der AOL-Umsatz hat sich dagegen im vergangenen Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 44 Prozent erhöht.

US-Medien sind Exportschlager

Die USA sind die Topunterhalter der Welt. Mehr als 100 Milliarden Stunden verbringen alle US-Bürger jährlich vor Fernsehern, im Kino, in Unterhaltungsparks, mit Computer- und Videospielen und CD. Deutlich mehr als 100 Milliarden Dollar geben sie dafür aus. Was ihre Medienkonzerne für das eigene Land produzieren, ist gleichzeitig deren Exportschlager. Die Filmproduzenten etwa erwirtschaften die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland. Dabei liegt die Zukunft der Branche zunehmend in der Digitaltechnik und im Internet. Während die kommerziellen Fernsehsender ABC, CBS und NBC seit zwei Jahrzehnten Zuschauer verlieren, verbringen die Amerikaner mehr und mehr Zeit vor dem Computer. Das kostet die konventionellen Medien Werbeeinnahmen, es sei denn, sie klinken sich ein. So hat die Disney Company ihre Internet-Aktivitäten unter der Marke "go.com" gebündelt und unter dem Symbol GO an die Börse gebracht. Im April 1999 haben die beiden größten Musikanbieter der Welt, die zu Seagram gehörende Universal Group und die Bertelsmann-Tochter BMG Entertainment, beschlossen, gemeinsam einen Musikkanal im Internet zu etablieren und CD online zu verkaufen. Fernsehsender weisen auf ihre Web-Seiten hin, im Internet werden Filme besprochen. Gewinner scheint zu sein, wer traditionelle Marken am besten mit den neuen Medien kombiniert.

Spielfilme direkt in den Computer

So liefert Time Warner mit seinen Kabelfernsehnetzen die neuen Verteiler für AOL: 20 Prozent aller US-Kabelhaushalte werden von Time Warner bedient. Das Kabel bietet eine weit bessere Bandbreite als das Telefon. AOL kann so Spielfilme - etwa von Time Warner - in den Computer liefern. Auch außerhalb des Internets bahnen sich Neuerungen an: Die digitale Videodiskette (DVD) wird populär und dürfte eines Tages das Videoband ersetzen. Das Digitalfernsehen wurde 1998 eingeführt und ist ab 2002 bei allen kommerziellen Sendern Pflicht. Digitale Rekorder erlauben es, Fernsehsendungen zu unterbrechen und den Rest später anzusehen. Das interaktive Medienzeitalter ist längst angebrochen. "Die traditionellen Fernsehsender sind dennoch immer noch das beste Werbemedium, wenn ein breites Publikum erreicht werden soll", urteilt Wertpapieranalyst Tom Graves von Standard & Poorís. Das hat auch Viacom-Chef Sumner Redstone erkannt. Im September gab er bekannt, dass sein für Kabelkanäle wie Nickelodeon und MTV bekannter Medienkonzern den kommerziellen Fernseh- und Radiosender CBS übernehmen will.

Bei der Fusionswelle hilft auch, dass die Aufsichtsbehörde FCC die Regeln, wer wie viele Fernsehstationen in einer Region besitzen darf, gelockert hat. "Der einfachste Weg, mit der Komplexität der Branche fertig zu werden, ist, in mehrere große Namen zu investieren", sagt Medienanalyst Christopher Dixon von der Investmentbank Paine Webber. Auch Graves empfiehlt, sich an die großen Konzerne zu halten, weil die für ihre teuren Programme mehr Verbreitung haben und Risiken ausgleichen können: Schließlich wird nur einer von acht Filmen ein Kassenschlager. Mit dem Internet ändern sich für Medienaktienbesitzer die Parameter. "Der Umsatz der Medienkonzerne dürfte schneller wachsen, dafür fallen wegen der hohen Technologieinvestitionen in den nächsten zwei Jahren die Gewinne schwächer aus", erläutert Graves. Seine Topempfehlungen sind Time Warner, Seagram und Disney.

Gertrud Hussla

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