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Diplomatie: Heikle Mahnungen vor laufenden Kameras

Die Beziehungen zwischen Deutschland und China sind mittlerweile tragfähig genug, um Differenzen auszuhalten.

Von Hans Monath

Berlin - Kaum war das Thema Menschenrechte aufgerufen, als der Gast aus China plötzlich massive Verständnisprobleme signalisierte. Kanzlerin Angela Merkel kam auf der Pressekonferenz zum Abschluss der Regierungskonsultationen gerade auf die Freilassung des Künstlers Ai Weiwei und des Bürgerrechtlers Hu Jia in China zu sprechen, da blickte Ministerpräsident Wen Jiabao hilfesuchend um sich und nestelte hilfesuchend an seinem Kopfhörer herum, als ob genau in diesem Moment entweder die Technik oder die Dolmetscherin versagt hätte.

Gleich mehrfach musste Merkel ihre Zusammenfassung zum Rechtsstaatsdialog und zum chinesischen Vorgehen gegen Regimekritiker unterbrechen. „Erfreut haben wir die Freilassung zur Kenntnis genommen...“, sagte sie und stockte. „Okay?“, fragte sie gleich zwei Mal, als sich Wen Jiabao ein neues Headset übergestülpt hatte. Erst dann wollte die Kanzlerin in ihrem Text fortfahren und ein faires Verfahren für Ai Weiwei fordern.

Ob die Kommunikationsstörung eine neue Raffinesse chinesischer Diplomatie darstellt oder nur einem defekten Kabel im Kanzleramt geschuldet war, blieb am Dienstag ungeklärt. Deutlich macht die Episode aber, dass öffentliche Mahnungen wegen chinesicher Defizite im Umgang mit Menschenrechten immer noch ein heikles Unterfangen sind. Auch wenn die Deutschen das Thema hinter verschlossenen Türen ansprachen, sollen sich die Mienen der chinesischen Gäste merklich verfinstert haben. Doch die Bundesregierung ist überzeugt, dass die gute Qualität der Beziehungen inzwischen eine Debatte über solche gravierenden Differenzen zulässt, wenn dabei beide Seiten ihr Gesicht wahren können.

Die Gastgeber schauen nicht nur auf die ökonomische Potenz Chinas, sondern wollen mit dem Schwellenland auch bei der Lösung globaler Probleme wie Klimawandel und bei der Eindämmung weltpolitischer Krisen zusammenarbeiten. Dazu gehören aus deutscher Sicht aktuell etwa die Aufrechterhaltung des Drucks im Atomstreit mit dem Iran, der Versuch einer Befriedung Libyens oder eine geschlossene Haltung gegenüber der syrischen Regierung, die ihre eigene Bevölkerung massakriert. Im UN-Sicherheitsrat aber verweigert sich China sogar einer Syrien-Resolution, die unterhalb der Schwelle von Sanktionen bleibt und das Regime lediglich verbal verurteilt. In Berlin warnte Wen Jiabao im Hinblick auf Nordafrika vor einer „Intervention von außen“ und bekräftigte das Dogma der Nichteinmischung in „innere Angelegenheiten“.

Wie viel beide Partner trennt, machte am Dienstag auch die Meldung vom Besuch des sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir in Peking deutlich. Er wird wegen Kriegsverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht. China erkennt den Strafgerichtshof nicht an, von dem Deutschland sich große Wirkung verspricht. Der Besuch solle die „traditionelle Freundschaft zwischen China und dem Sudan“ fördern, erklärte das Außenministerium in Peking. Damit dürfte die Hoffnung schwinden, dass sich China kooperativ verhält, wenn der UN-Sicherheitsrat im Juli die Sudan-Krise aufruft.

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