zum Hauptinhalt

Discounter: Urlaub mit Aldi und Lidl

Billig-Supermärkte sind besonders kreativ bei der Eröffnung neuer Geschäftsfelder. Neuester Coup ist der Verkauf von Reisen. Zwischen Saftkartons und Konserven schnell noch den Sommerurlaub buchen - Aldi und Co. machen es möglich.

Frankfurt - Schnell beim Wochenendeinkauf bei Aldi und Lidl noch die Reiseprospekte in den Wagen gesteckt - und bald kann es losgehen. Die Discounter-Manie hat nach dem Einzelhandel auch die Reisebranche erwischt. Bei Aldi Süd übertreffen die Buchungszahlen alle Erwartungen - der Discounter sieht sich in seinem Konzept bestätigt. Doch was billig aussieht, muss es noch lange nicht sein. Und für die Reisekonzerne Tui und Thomas Cook stellt sich die Frage, ob sie sich mit ihren Angeboten bei den Lebensmittel-Discountern nicht selbst schaden.

Schon seit Dezember verkauft Discounter Lidl Reisen von Paneuropa. Anfang Januar zog Aldi mit Urlaubsangeboten von Berge & Meer nach. Hinter den Namen der Veranstalter stecken die Großen der Branche: Paneuropa ist ein Joint Venture von Europas Branchenzweitem Thomas Cook (Neckermann Reisen) und dessen Mutterkonzern KarstadtQuelle. Die Westerwälder Berge & Meer Touristik ist die Direktvertriebs-Tochter des Marktführers TUI, dem 75 Prozent der Anteile gehören.

Nicht die volle Produktvielfalt

"In den Aldi-Angeboten wird nie Tui drin sein, sondern immer nur "Berge & Meer"", betont Tui-Sprecher Robin Zimmermann angesichts der Frage, ob der Hannoveraner Konzern jetzt auf Billig setze. Und Ralph Michaelsen, bei Thomas Cook verantwortlich für den Direktvertrieb, sagte der Mitarbeiterzeitung seines Hauses, die Discounter-Reisen seien eigens zusammengestellt "und bieten eben nicht die volle Produktvielfalt". Tatsächlich hat auch Aldi derzeit nur fünf Reisen pro Monat im Programm. Doch die könnten sehr wohl vom Branchenführer selbst stammen, schätzt Karl Born, Professor für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Wernigerode und ehemaliger Tui-Vorstand: "Tui-Reisen kommen über einen kleinen Umweg, damit es der Kunde möglichst nicht merkt, in den Direktvertrieb."

Und das verkauft sich offenbar äußerst gut. "Das Geschäft mit Aldi hat alle unsere Erwartungen weit übertroffen", sagt Berge & Meer-Geschäftsführer Reiner Meutsch. Der Buchungsmonat Januar sei "überdurchschnittlich positiv verlaufen". Gleiches gelte für den Februar. Genaue Zahlen bleiben Meutschs und Aldis Geheimnis. Aldi Süd verrät immerhin, dass das Angebot eine "hohe Akzeptanz gefunden" habe. Laut einem Bericht des "Focus" hat Aldi im Januar mehr als 32.000 Buchungen im Wert von über zwölf Millionen Euro verzeichnet. Die Reisen nach Mauritius, in die USA und eine Mittelmeer-Kreuzfahrt seien in Kürze ausgebucht gewesen.

Neuer Vertriebsweg

Finden die Deutschen "Geiz" also auch im Urlaub "geil"? "Reisen, wie Aldi sie anbietet, kann man anderswo meist vergleichsweise günstig buchen", sagt Martina Noß, Tourismusexpertin der NordLB. Berge & Meer machten mit den Angeboten sicherlich keine Verluste. Noß erwartet daher auch nicht, dass sich die Konzerne mit ihrer Discounter-Strategie schaden. "Wenn Aldi oder Lidl an den Reisen mitverdienen, ist das ähnlich wie bei den Reisebüros. Diese erhalten für ihre Vermittlung auch Provisionen", sagt sie. Der Absatz über die Discounter sei "einfach ein neuer Vertriebsweg, der in den Trend der Zeit passt". Schließlich hat schon die Deutsche Bahn auf ähnlichem Weg Tickets zum Schnäppchenpreis unters Volk gebracht.

Zudem stehen die größten deutschen Discounter und ihre Partner aus der Reisebranche mit ihrer Strategie nicht alleine. Der Rewe-Konzern verkauft über seine Discounter-Tochter Penny Reisen der Rewe-eigenen Reisemarken wie DerTour. Die Tengelmann-Tochter Plus ist schon seit 2004 im Reisegeschäft aktiv und hat jederzeit zig Angebote im Programm, "die man so und zu diesem Preis woanders nicht buchen kann", wie eine Sprecherin versichert. Jeden Monat erscheint ein neuer Reise-Prospekt. Der Lidl-Partner Paneuropa ist bei Plus dabei genauso präsent wie beim Kaffeeröster Tchibo, der auf seiner Website zudem Reisen des Aldi-Partners Berge & Meer anbietet.

Marketing-Gag ohne Risiko

Für die Discounter seien die Reisen vor allem ein Marketing-Gag ohne Verlustrisiko, meint Touristik-Professor Born. Mit Hilfe der Touristik könnten sie zudem ihre Umsätze ausbauen - was im hart umkämpften Lebensmittel-Einzelhandel kaum noch möglich sei. Noch spielen die Discounter in Deutschland nur eine kleine Rolle im Touristikgeschäft. In Österreich ist das schon anders: Die dortige Aldi-Tochter Hofer hat sich zum drittgrößten Veranstalter nach Tui und der Thomas-Cook-Marke Neckermann Reisen gemausert.

Branchenexperte Born sieht den Trend zum Discount-Reisen kritisch: "Wenn die Preise sinken, darf ich als Reiseveranstalter dem nicht nur nachgeben, sondern muss neue Angebote mit höheren Gewinnmargen entwickeln." Nur mit Zuwächsen bei Billig-Reisen könnten Tui und Thomas Cook ihre Gewinne nicht sichern. NordLB-Analystin Noß hat gar keine Befürchtungen, dass Aldi & Co. die Touristikriesen das Fürchten lehren könnten. "Die Discounter schließen eine Lücke im Vertriebsnetz", schätzt sie. Und so neu ist diese Vermarktungsstrategie dann eben auch nicht. (Von Steffen Weyer, dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false