zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Disney lernt europäische Sitten und Gebräuche

Eine Überraschung erwartet die Besucher des neuen Walt Disney Studios Parks im französischen Marne-la-Vallée bereits, wenn sie die Straßenbahn über das Gelände nehmen: Anstelle von Hollywood-Stars wie Bruce Willis stammen die Stimmen der virtuellen Reiseleiter von europäischen Darstellern wie Englands Jeremy Irons oder der Italienerin Isabella Rossellini, die in ihren Muttersprachen sprechen.Anläßlich der Eröffnung von Disneyland Paris vor zehn Jahren ist Disney wegen der Ignoranz europäischer Befindlichkeiten in scharfe Kritik geraten.

Eine Überraschung erwartet die Besucher des neuen Walt Disney Studios Parks im französischen Marne-la-Vallée bereits, wenn sie die Straßenbahn über das Gelände nehmen: Anstelle von Hollywood-Stars wie Bruce Willis stammen die Stimmen der virtuellen Reiseleiter von europäischen Darstellern wie Englands Jeremy Irons oder der Italienerin Isabella Rossellini, die in ihren Muttersprachen sprechen.

Anläßlich der Eröffnung von Disneyland Paris vor zehn Jahren ist Disney wegen der Ignoranz europäischer Befindlichkeiten in scharfe Kritik geraten. Nun will der Unterhaltungskonzern beweisen, dass er seine Lektion gelernt hat. Der 610 Millionen Euro teure Studio Park öffnte am Wochenende unmittelbar neben dem Disneyland Park. Er beschränkt sich nicht auf die Filmgeschichte Hollywoods, sondern will vor allem die europäischen Beiträge zum Kino hervorheben. Eigentümer des neuen Komplexes ist Euro Disney SCA, an der die kalifornische Walt Disney Co. einen Anteil von 39,1 Prozent hält.

Ihr erstes Projekt war die 1992 ursprünglich unter dem Namen Euro Disney und später in Disneyland Park umbenannte Anlage, die noch Jahre später als finanzielles Fiasko galt. Seinerzeit warf man Disney vor, den Park lediglich als "Außenposten des amerikanischen Kulturimperialismus" zu betreiben; ohne Rücksicht auf lokale Besonderheiten. Selbst auf so grundlegende Bräuche, wie Wein zu den Speisen anzubieten, war man nicht eingestellt. Und nachdem Disney und Investoren sich den Bau des Parks umgerechnet 4,46 Milliarden Euro kosten ließen, mussten sie in der Rezessionsphase eröffnen, die dem Golfkrieg gefolgt war.

"Zu Beginn dachten wir, es würde ausreichen, einfach Disney zu sein", sagt der Vorstandsvorsitzende von Euro Disney Jay Rasulo. "Heute wissen wir, dass die Kultur und die Reisegewohnheiten unserer Gäste respektiert werden müssen." Disney reagierte, stellte Dekoration und Speisekarten um und setzte alles daran, die Kritiker zu besänftigen. Dem Park half dies auf die Beine: Heute ist Disneyland Paris der größte Touristenmagnet in Europa.

Mit dem zweiten Park, der die Besucher einen zusätzlichen Tag in der Anlage halten soll, will man hieran anknüpfen. Disney hofft, die Besucherzahlen von jährlich 12,3 Millionen auf 17 Millionen steigern zu können. Der neue Komplex kombiniert Disneys typische Unterhaltungsprodukte mit Kultur und Geschichte des europäischen Films. "Der Walt Disney Studio Park ist eine Mischung aus Disney-Themenpark und Inhalten von Kino und Fernsehen, die starke Bezüge zu Europa haben", sagt Jay Rasulo. Der Grundriss der Anlage folgt dem Aufbau eines alten Studiokomplexes in Hollywood und einige der Vorführungen entstammen den Disney-MGM Studios in Orlando, Florida, dem ersten Park dieser Art. Doch spätestens die Aufmachung erinnert den Besucher daran, dass er sich keineswegs in den USA befindet: So wird die Geschichte des Zeichentricks anhand von Filmbeispielen aus sechs europäischen Ländern erklärt. Auch die Stunt-Vorführungen finden nicht vor Kulissen von San Fransisco, sondern in einem Straßenmodell von St. Tropez statt.

Der Schweizer Architekt Francois Confino hat Disney bei den Planungen der Anlage beraten. Zunächst war er sich nicht sicher, ob Disney für Vorschläge, den Park europäischer zu machen, offen sein würde. Tatsächlich aber folgte der Konzern vielen dieser Anregungen: Den französischen Filmklassiker "Les Enfants de Paradies" aus dem Jahr 1940 stellte man zum Beispiel in den Mittelpunkt von Cine-Magique, einem Rückblick auf die Filmgeschichte. Auch Paul Pressler, Direktor des Bereichs Themenparks, betont Disneys Lernfähigkeit: "Alle Restaurants und Imbiss-Stände haben jetzt überdachte Sitzgelegenheiten", sagt er in Anspielung auf die Pannen bei der Eröffnung des ersten Parks. Damals boten die offenen Sitzbereiche keinen Schutz vor dem widrigem Wetter, unter dem die Besucher über weite Strecken des Jahres zu leiden haben. Selbst die Speisekarten haben wenig mit den ursprünglichen Angeboten des Disneyland Parks gemein: Weil man seinerzeit nur französische Würstchen anbot, zog sich Disney den Groll der englischen, deutschen und italienischen Gäste zu. "Heute tragen wird den Unterschieden der europäischen Esskulturen Rechnung", sagt Pressler.

Auch sonst greift Disney auf Erfahrungen zurück, die man bei der erfolgreichen Neugestaltung von Disneyland Paris gewonnen hatte: Die Werbung für den neuen Freizeitpark wird weniger im Fernsehen und in Zeitungen gemacht. Erfolgversprechender ist es, die Reiseveranstalter anzusprechen, die einen Großteil des Marktes für Kurzreisen kontrollieren. Auch dies musste Disney erst schmerzhaft lernen, nachdem man die Tourenveranstalter bei der Vermarktung zunächst übergangen hatte.

Eine unglückliche Gemeinsamkeit mit der Eröffnung des ersten Parks bleibt allerdings: Ihr Debüt fällt mitten in eine Zeit des wirtschaftlichen Abschwungs, der auch die Reisebranche getroffen hat.

Paolo Prada, Bruce Orwall

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false