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Wirtschaft: DIW: In Berlin gibt es über 160 000 Billigjobs

Wirtschaftssenator Elmar Pieroth bewertet umstrittene abgabenfreie 610-DM-Jobs positiv / Heftige Kritik von Gewerkschaftsseite BERLIN (kö).Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt die Zahl der geringfügig Beschäftigten in Berlin auf mindestens 160 000 Menschen.

Wirtschaftssenator Elmar Pieroth bewertet umstrittene abgabenfreie 610-DM-Jobs positiv / Heftige Kritik von Gewerkschaftsseite

BERLIN (kö).Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt die Zahl der geringfügig Beschäftigten in Berlin auf mindestens 160 000 Menschen."Das entspricht in etwa den Zahlen für das gesamte Bundesgebiet - die liegen bei rund 5,38 Millionen - aber Berlin ist eine Studenten-Stadt, und deswegen liegen wir wohl etwas über dem Bundesdurchschnitt", erklärte Gert Wagner vom DIW gegenüber dem Tagesspiegel.Die seit langem umstrittenen, weil sozialversicherungsfreien 610-DM-Jobs werden abgesehen von Hausfrauen vor allem von Studenten ausgeübt. Beate Moser, die Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, beziffert die Anzahl der 610-DM-Jobs (Ost: 520 DM) in Berlin dagegen auf lediglich 55 000, und beruft sich dabei auf den amtlichen Mikrozensus."Diese offizielle Zahl ist viel zu niedrig, weil sie nicht die vielen Leute erfaßt, die den 610 DM-Job als Nebenerwerbstätigkeit ausüben", kritisiert Wagner."Nicht-amtliche Erhebungen fragen aus dem Grund auch immer nach einem Nebenerwerb, der regelmäßig oder gelegentlich ausgeübt wird." Nach Auffassung des DIW sei es zudem unverständlich, daß der Mikrozenzus nur in einem einzigen Monat pro Jahr von dem zuständigen Landesamt für Statistik erhoben wird.Somit könne er keinerlei saisonale Schwankungen erfassen.Die seien aber gerade bei den geringfügig Beschäftigten von großer Bedeutung. Laut Analysen des Institutes für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik in Köln ist der Großteil (67 Prozent) der geringfügig Beschäftigten im Bereich des privaten Dienstleistungssektors tätig.Knapp ein Viertel arbeiten in Privathaushalten.Andere wichtige Branchen sind der Einzelhandel (13,6 Prozent), das Gastgewerbe (12,7 Prozent) und die Verlagszustelldienste (7,4 Prozent).Wirtschaftssenator Elmar Pieroth steht den umstrittenen Billigjobs positiv gegenüber: "In vielen Fällen schaffen die 610-DM-Jobs genau die Flexibilität, die der Arbeitsmarkt für Vollzeitbeschäftigte nicht hat: Arbeitsplätze an Wochenenden, zu später Stunde oder bei Spitzenzeiten", schreibt Pieroth in einer aktuellen Stellungnahme.Pieroth wendet sich gegen das Argument, die Arbeitgeber wollten sich mit Hilfe dieser Jobs von ihrer Sozialpflicht drücken.Auch bei den 610-DM-Jobs würden die Unternehmer eine pauschale Lohnsteuer zahlen, und die liege mit 22 Prozent sogar leicht über der Abgabenquote von 21 Prozent."Damit ist der 610-DM-Job tatsächlich ein 745-DM-Job", so der Senator. Jüngst hatte die Bonner Opposition vergeblich versucht, den Umfang der Billigjobs einzuschränken, bzw.sie beitragspflichtig zu machen.Der Vorsitzende der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, Roland Issen, hatte Bundeskanzler Helmut Kohl erst gestern noch einmal aufgefordert, "in dieser Frage endlich ein Machtwort zu sprechen".Die "Inflationierung der beitragsfreien Billigjobs" höhlt nach Meinung des Gewerkschafters das deutsche Rentenversicherungssystem aus.Kritik kommt auch von Arbeitgeberseite: Die Hamburger Gebäudereiniger fordern gar die konsequente Abschaffung der 610-DM-Jobs.Der Obermeister der Landesinnung der Gebäudereiniger Hamburg, Manfred Wolff, erklärte ebenfalls am gestrigen Mittwoch, diese Arbeitsverhältnisse verzerrten den Wettbewerb.Wolff zufolge sei keine Wettbewerbsgleichheit gegeben, wenn ein Anbieter einen Auftrag mit sozialversicherten Mitarbeitern kalkuliere, der Konkurrent jedoch mit geringfügig Beschäftigten.

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