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Ferdinand Fichtner ist Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

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DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner zu China: „Noch keine Alarmglocken läuten“

DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner im Tagesspiegel-Interview über den erneuten Absturz der Börsen in China und mögliche Folgen für den Rest der Welt.

Herr Fichtner, die chinesische Regierung interveniert seit Tagen, trotzdem geht es an der Börse weiter bergab. Wie schlimm wird es noch?

Das kann man kaum sagen. Die Finanzmärkte haben in China in den vergangenen Jahren extrem stark zugelegt. Bis vor Kurzem war eher der starke Anstieg der Kurse das Problem. Viele haben befürchtet, dass sich da eine Blase aufbaut – so wie auch auf den Immobilienmärkten. Die chinesische Regierung hat bis vor wenigen Wochen versucht, den Anstieg zu dämpfen. Nun geht es in die andere Richtung und wir haben eine harte Landung an den Finanzmärkten.

Wie groß war die Blase?

In welchem Maße der Anstieg der Kurse auf harten wirtschaftlichen Fakten beruht hat und was auf einer Blase, lässt sich nicht sagen. Wir sind jetzt aber wieder auf dem Niveau, bevor es kräftig nach oben ging.

Haben wir die Talsohle erreicht?

Manches spricht dafür, aber sicher kann man nicht sein. Das ist ja eben das Problem bei Blasen: Man kann sie immer erst hinterher erkennen.

Wie gefährlich ist die Entwicklung in China für andere Finanzmärkte? Kann der Funke überspringen?

Wenn das, was wir sehen, nur eine Korrektur auf den chinesischen Finanzmärkten ist, dann sind die Auswirkungen auf die Weltfinanzmärkte überschaubar. Aber wir können noch nicht abschätzen, ob hinter dem Kurssturz auch realwirtschaftliche Probleme stecken. Ob also der Einbruch an den Finanzmärkten darauf zurückzuführen ist, dass es der chinesischen Wirtschaft schlecht geht. Das wäre dann ein echtes Problem für die Weltwirtschaft, weil China für viele Länder ein extrem bedeutender Handelspartner ist, auch für Deutschland.

Was heißt das?

Wenn die chinesische Wirtschaft nicht mehr rund läuft, dämpft das die direkte Nachfrage von chinesischen Abnehmern nach Exportgütern. Und es ist problematisch für Investoren in China, die sich erst einmal zurückhalten und deshalb dann auch keine deutschen Maschinen kaufen. Diese Probleme wären dann deutlich gravierender.

Was glauben Sie? Ist das Problem auf die Finanzmärkte beschränkt oder steckt Chinas Wirtschaft in der Krise?

Das ist schwer zu sagen. Aber es spricht einiges für ersteres. China ist bis zuletzt ganz ordentlich gewachsen. Das Winterhalbjahr war ein bisschen schwach, die Wirtschaft hat aber seitdem angezogen, auch der Arbeitsmarkt hat sich ganz gut entwickelt. Ich würde deshalb jetzt noch nicht alle Alarmglocken läuten. Ich glaube, das Problem ist eher eines der Finanzmärkte.

Wie groß wäre die Gefahr für die deutsche Wirtschaft, wenn die Börsenkrise auf die chinesische Wirtschaft überspringen sollte? China ist einer unser wichtigsten Märkte.

Ja, China ist sehr wichtig für die Produzenten von Investitionsgütern. Es ist eine schnell wachsende Volkswirtschaft, die permanent an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. China wächst mit sieben Prozent im Jahr, Deutschland mit einem bis 1,5 Prozent. Das ist eine ganz andere Dynamik und ein ganz anderer Bedarf an Maschinen und Ausrüstungsgütern. Deutsche Produzenten leben sehr gut davon.

Aber auch die deutsche Autoindustrie ist stark vom China-Geschäft abhängig, eine Schlüsselindustrie.

Ja, das stimmt. Unabhängig von der Frage, wie es der chinesischen Wirtschaft geht, sind schon die Kurseinbrüche an den Börsen schlecht für die deutschen Exporteure. Nehmen Sie die deutsche Automobilindustrie. Für die ist China ein extrem wichtiger Markt. Sie profitiert davon, dass die chinesische Mittelschicht wächst und prosperiert. Die Leute werden wohlhabender und sind heiß darauf, deutsche Oberklasseautos zu kaufen. Deutsche Schlüsselindustrien hängen von China ab. Die Kursstürze sind eine Belastung. Denn die Menschen, die ihr Geld an der Börse angelegt haben, verlieren Vermögen und kaufen dann keine deutschen Autos mehr. Und wenn die chinesischen Unternehmen weniger wert werden, investieren sie weniger.

Das Interview führte Heike Jahberg

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