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Wirtschaft: DIW pocht auf Lohnerhöhungen im Westen

Wirtschaftsforscher: Fehlende Inlandsnachfrage könnte innerhalb Europas zu Spannungen führen / 2,5 Prozent Wachstum 1998 BERLIN (chi).Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sich dafür ausgesprochen, die Strategie der Lohnzurückhaltung in Deutschland aufzugeben, um die Inlandsnachfrage zu beleben ­ allerdings nur im Westen des Landes.

Wirtschaftsforscher: Fehlende Inlandsnachfrage könnte innerhalb Europas zu Spannungen führen / 2,5 Prozent Wachstum 1998 BERLIN (chi).Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sich dafür ausgesprochen, die Strategie der Lohnzurückhaltung in Deutschland aufzugeben, um die Inlandsnachfrage zu beleben ­ allerdings nur im Westen des Landes.Auf Dauer werde die gespaltene Konjunkturentwicklung mit einer lahmenden Binnennachfrage und einem Wachstum, das allein auf Exporterfolgen "zu Lasten anderer" basiere, "fatale Folgen" haben ­ sowohl in Deutschland, als auch im Ausland, warnte DIW-Präsident Lutz Hoffmann bei der Vorlage der Konjunkturprognose des Instituts am Dienstag in Berlin.Die in den letzten Jahren gefahrene Strategie, durch Lohnzurückhaltung, die hinter der Produktivitätsentwicklung zurückbleibe, Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Ländern zu erzielen, lasse sich nicht ungeschoren fortsetzen."Die Löhne müssen sich wieder dem Produktivitätsfortschritt anpassen, sonst schneidet man sich auf Dauer ins eigene Fleisch", sagte Hoffmann. Im Umkehrschluß gilt das auch für den Osten Deutschlands.Hier seien die Löhne ­ anders als im Westen ­ der Produktivitätsentwicklung vorausgeeilt.Dementsprechend fordert das Institut "zumindest eine Lohnpause" im Osten, wobei nach Ansicht des DIW-Konjunkturexperten Heiner Flassbeck eine, die Inflation ausgleichende, nominale Lohnerhöhung von ein bis zwei Prozent verkraftbar wäre.Für den Westen Deutschlands hält Flassbeck dagegen eine "mittlere Linie" mit Lohnzuwächsen von nominal drei bis vier Prozent für sinnvoll. Für die weitere Konjunkturentwicklung macht das Institut wenig Hoffnung.1998 werde es keine durchgreifende Wende zum Besseren geben, die Spaltung zwischen Ost und West zunehmen, die Arbeitslosigkeit weiter steigen ­ und diese Entwicklung könnte "bis weit in das Jahr 1999 hinein anhalten", sagte Flassbeck.Im einzelnen erwartet das Institut für 1998 eine Wachstumsrate von 2,5 Prozent, nach 2,2 Prozent im abgelaufenen Jahr, und bleibt damit hinter den Erwartungen der Bundesregierung von 3 Prozent zurück.Deutlich schlechter sieht die Entwicklung noch in Ostdeutschland aus: Hier rechnet das DIW mit einer Wachstumsrate von lediglich 1,7 (Vorjahr: 1,6) Prozent, womit der Zuwachs zum zweiten Mal in Folge hinter jenem im Westen zurückbleibt.Das gilt nach Aussagen Flassbecks auch für Berlin.Impulse gingen nur vom Export aus, von dem die ostdeutsche Wirtschaft ebenso wie jene in Berlin naturgemäß weniger stark profitieren.Der Export wird seinen Angaben zufolge nach 11 Prozent 1997 in diesem Jahr noch einmal um 9 Prozent zulegen. Dementsprechend düster sind auch die Prognosen für den Arbeitsmarkt.Die Zahl der Arbeitslosen wird nach Einschätzung des Instituts 1998 um 125 000 auf 4,51 Millionen steigen.Dazu wird ausschließlich Ostdeutschland beitragen.Mit insgesamt 1,5 Millionen Arbeitslosen werde hier jeder fünfte Bürger arbeitslos sein.Das DIW erwartet im Osten eine Arbeitslosenquote von 19,9 (Vorjahr: 18,1) Prozent, die damit doppelt so hoch sein wird wie in Westdeutschland mit 9,8 Prozent. Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland müsse wieder ins Gleichgewicht gebracht werden, die Nachfrage im Inland angekurbelt werden, forderte Hoffmann.Ansonsten sei die Gefahr eines wirtschaftlichen Rückschlags groß.Deutschland habe bislang zu einseitig auf niedrige Lohnstückkosten und Exporterfolge gesetzt.Die deutschen Lohnstückkosten seien in den vergangenen zwei Jahren um 3,5 Prozent gesunken, jene der Handelspartner dagegen gestiegen (siehe Grafik).Verwerfungen und Rückschläge seien da nicht auszuschließen, wie sich nun in Südostasien zeige.Hoffmann warnte vor Spannungen innerhalb der Europäischen Währungsunion.Sollte es hier nicht zu Verwerfungen kommen, sei eine Angleichung der Lohnstückkostenentwicklung dringend geboten.Zugleich müsse die Bundesregierung eine Kehrtwende in Richtung einer nachfrageorientierten Politik einleiten: mit verstärkten öffentlichen Investitionen, höheren Ausgaben für Bildung und Forschung sowie einer Steuerreform.Dabei sehen die DIW-Experten Spielraum für eine Nettoentlastung von 15 Mrd.DM.

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