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Wirtschaft: DIW: Waigels Sparkurs bremst Wachstum

BERLIN (mhm/HB).Groß war die Aufregung, nachdem Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Ende Februar die von der Bundesregierung vorgelegten Defizitzahlen für die Teilnahme an der Europäischen Währungs- und Wirtschaftsunion öffentlich in Frage gestellt hatten.

BERLIN (mhm/HB).Groß war die Aufregung, nachdem Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Ende Februar die von der Bundesregierung vorgelegten Defizitzahlen für die Teilnahme an der Europäischen Währungs- und Wirtschaftsunion öffentlich in Frage gestellt hatten.Nicht nur, daß das als regierungskritisch geltende Institut die mit 2,7 Prozent unerwartet niedrigen amtlichen Zahlen in Zweifel zog, erzürnte die Regierung, sondern vor allem die Tatsache, daß dies zwei Tage vor der Landtagswahl in Niedersachsen geschah.Politische Einflußnahme wurde da vermutet und mit der Kürzung öffentlicher Mittel gedroht.

Knapp drei Monate später hat sich die öffentliche Aufregung gelegt - und das DIW, das schon damals einen Prognosefehler eingeräumt hatte, hat noch einmal genau nachgerechnet.Doch es bleibt sich treu.Denn, so heißt es in dem nun vorgelegten Bericht: "Der Rückgang des staatlichen Defizits im Jahre 1997 konnte in diesem Maße nicht vorausgesehen werden." Es seien eine Reihe "einmaliger Maßnahmen" gewesen, die dazu beigetragen hätten, daß die Defizitquote von 3,6 Prozent 1996 auf 2,7 Prozent 1997 gesunken sei.Aber auch die Neuberechnungen des statistischen Bundesamtes hätten "eine gewichtige Rolle" gespielt.Diesen beiden Einflußfaktoren kann nach den Berechnungen des Berliner Instituts ein Beitrag von 16 Mrd.DM zugerechnet werden, mehr als 0,4 Prozent des nominalen Bruttoinlandsproduktes.

Allein durch Neuberechnungen des Statistischen Bundesamtes kamen nach den DIW-Angaben Einsparungen in Höhe von 9 Mrd.DM zustande: 4,5 Mrd.DM entfielen auf die Berechnung staatlicher Transfers in das Ausland, 2,5 Mrd.DM auf die Auflösung von Verwahrkonten für Tilgungs- und Zinseinnahmen aus Forderungen der DDR.Auch der Staatsverbrauch im 1.Halbjahr 1997 sei nachträglich um 2 Mrd.DM korrigiert worden.Dazu seien eine Reihe von Einmalmaßnahmen des Bundes gekommen, wie der Verkauf von Grundstücken des Bundeseisenbahnvermögens für 2 Mrd.DM an die bundeseigene Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft.Der buchhalterische Kniff: Da in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) die TLG als öffentliches Unternehmen zum Unternehmensektor gezählt wird, habe sich das Staatsdefizit um die Verkaufserlöse reduziert.

Weitere Entspannung beim letztjährigen Bundeshaushalt hätten die um 1,9 Mrd.DM verringerten Zuschüsse an die Deutsche Bahn und Darlehensrückzahlung der Daimler-Benz Aerospace (Dasa) in Höhe von 1,4 Mrd.DM erbracht, wobei letztere in der VGR als Vermögensübertragung behandelt worden seien und so das Finanzierungsdefizit vermindert hätten.Begründung hier: Wegen der Erfolgsabhängigkeit der Rückzahlung habe keine Kreditbeziehung zwischen dem Bund und Airbus-Industries vorgelegen, die Verbuchung sei damit rechtens.Der veränderte Rhythmus bei der Auszahlung des Arbeitslosengeldes habe rund 1 Mrd.DM eingespart.Zudem wurde das Finanzierungsdefizit um 700 Mill.DM durch den Verkauf von Rohölreserven und die zeitliche Streckung militärischer Beschaffung verringert.Damit sei reichlich die Hälfte des Defizitrückgangs gegenüber 1996 auf die Neuberechnung durch das Statistische Bundesamt und auf Entlastungen mit Einmalcharakter zurückzuführen.Der andere Teil seien tatsächliche Einsparungen.Auch die Sozialversicherung habe ihren Teil zur Reduzierung des Staatsdefizits beigetragen.Nachdem 1996 hier noch ein Minus von gut 10 Mrd.DM gestanden habe, hätten die Sozialversicherer 1997 in der Abgrenzung der VGR einen Überschuß von 5 Mrd.DM erzielt.

Das DIW weist in seinem Bericht darauf hin, daß die Grenze zwischen "temporären" Maßnahmen und einer "nachhaltig" sparsamen Haushaltsführung fließend sei.Das Institut richtet den Blick aber auch erneut auf die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Anpassungsprozesses, die eine Folge der rigiden Sparpolitik gewesen seien.Auf per saldo 29 Mrd.DM seien die Folgen des strikten Sparkurses 1997 zu beziffern.Das entspreche etwa 0,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.Berücksichtige man noch Multiplikator- und Akzeleratoreffekte, "so hat die staatliche Bremspolitik im vergangenen Jahr einen gesamtwirtschaftlichen Nachfrageverlust von reichlich 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verursacht."

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