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Wirtschaft: Dosen-Pfand: Der Widerstand wächst

Es gibt wieder Streit um die Einführung eines Zwangspfandes auf Flaschen und Getränkedosen. Am Mittwoch forderten die Ernährungsindustrie und der Handel die Bundesregierung mit einem Gegenkonzept auf, die geplante Einführung des Pfandes am 1.

Es gibt wieder Streit um die Einführung eines Zwangspfandes auf Flaschen und Getränkedosen. Am Mittwoch forderten die Ernährungsindustrie und der Handel die Bundesregierung mit einem Gegenkonzept auf, die geplante Einführung des Pfandes am 1. Januar 2002 noch zu stoppen. Experten sagen indes voraus, dass die Pläne der Regierung bis dahin ohnehin nicht umsetzbar sind. Der Grund: Der politische Widerstand wächst. Zwar beharrt Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) darauf, eine entsprechende Novelle der geltenden Verpackungsverordnung noch "in den kommenden Wochen" im Bundeskabinett zu verabschieden. Doch danach muss die Verordnung noch den Bundesrat passieren und von der EU-Kommission notifiziert werden.

Allein die Zustimmung des Bundesrates ist unsicher. Nachdem vereinzelt CDU-regierte Länder Widerstand angekündigt hatten, bekannte sich am vergangenen Wochenende auch das rot-grün-regierte Nordrhein-Westfalen gegen das Pfand.

Die größte Hürde stellt nach Ansicht der deutschen Wirtschaft allerdings die EU-Kommission dar. Bereits Ende März hatte die Kommission beschlossen, gegen das bestehende deutsche Recht Klage beim Europäischen Gerichtshof zu erheben. Ihr Argument: Wenn ausländische Hersteller von Mineralwasser durch eine in Deutschland bestehende Pflicht zu einer 72-prozentigen Mehrwegquote gezwungen werden, ihre Plasteflaschen über sehr große Entfernungen zurück zu transportieren, dann sei dies ein Handelshemmnis.

"Mit dem Zwangspfand wird die Handelsbarriere noch höher", sagte ein Sprecher des Bonner Verbandes der deutschen Getränkeindustrie und des Handels AGVU dem Tagesspiegel. Man rechne deshalb damit, dass Trittin, selbst wenn die geplante Gesetzesnovelle den Bundesrat passieren sollte, letztlich an Brüssel scheitern werde. Das von Trittin anvisierte Ziel der Pfanderhebung von Januar an 2002 sei ohnehin nicht mehr realistisch. Kein einziger Händler werde in Automaten oder ein Clearingsystem investieren, wenn es keine Rechtssicherheit gibt. Und diese Sicherheit sei vor Jahresablauf kaum gegeben, sagte der AGVU-Sprecher.

Die Vertreter der deutschen Handels- und Getränkeindustrie haben deshalb auch einen letzten Versuch unternommen, das Zwangspfand zu verhindern. Die Handelsverbände boten Trittin am Mittwoch eine Selbstverpflichtung an. Demnach will die Wirtschaft jährlich 23 Milliarden Liter Getränke in "ökologisch vorteilhaften" Verpackungen auf den Markt bringen. "Ein Zwangspfand hieße, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen" beharrte Hermann Franzen, Präsident der Bundesvereinigung der Handelsverbände. Eine ökologische Lenkungswirkung sei so nicht zu erreichen. "Ein Pfand gibt Verbrauchern die Absolution, Einwegdosen zu benutzen", ergänzte Peter Traumann von der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie.

Auch der Deutsche Brauerbund macht sich für Alternativen stark. "Es ist sinnvoller, Mehrwegflaschen zu fördern", sagte Hauptgeschäftsführer Peter Hahn dem Tagesspiegel. Die Bierbrauer schlagen vor, den Mehrwertsteuersatz für wiederverwertbare Flaschen zu halbieren und Investitionen in Mehrwegsysteme finanziell zu fördern.

Das Bundesumweltministerium zeigt sich von den Vorschlägen indes unbeeindruckt. Die Pläne seien ein "untauglicher Versuch, nicht erledigte Hausaufgaben in letzter Minute zusammenzustückeln", sagte Staatssekretär Rainer Baake. "Das Pfand ist da ein viel effektiveres Mittel, Müll zu vermeiden", meint auch Trittins Sprecherin Frauke Stamer. Das Angebot der Industrie, 250 Millionen Mark jährlich für Umweltkampagnen und Müllsammlung bereit zu stellen, bezeichnete sie als "leeres Versprechen".

asi, ide

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