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Zuspruch vom Star. Wolf-Dietrich Molzow sieht sich als Duogynon-Geschädigten. Nina Hagen kam, um ihn und seine Leidensgenossen zu unterstützen. Foto: dapd

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Dougynon-Prozess: Verjährt, aber nicht vergessen

Bayer muss seine Unterlagen zum umstrittenen Hormonpräparat Duogynon nicht offenlegen. Doch der Kläger will in Berufung gehen.

Berlin - Enttäuschte Blicke verfolgen den Richter, als er am Dienstag im Berliner Landgericht mit monotoner Stimme das Urteil im Dougynon-Prozess verliest: „Die Klage wird abgewiesen“, erklärt er. Ein Auskunftsanspruch des Klägers gegenüber Bayer bestehe wegen der Verjährung der Schadenersatzansprüche nicht mehr. André Sommer ist dieser Kläger, der vor Gericht durchsetzen wollte, dass er alle Unterlagen von Bayer zum umstrittenen Hormonpräparat Duogynon einsehen darf, und der nun eine juristische Niederlage erlitten hat.

Der 34-Jährige Grundschullehrer, der mit schweren Missbildungen am Unterleib zur Welt kam, macht den Pharmakonzern für sein Leid verantwortlich. Weil sich seine Blase bei der Geburt außerhalb des Körpers befand, musste Sommer zwölf Operationen über sich ergehen lassen und lebt heute mit einem künstlichen Blasenausgang. Das alles, sagt Sommer, weil seine Mutter 1975 das Mittel Duogynon von Schering eingenommen hatte, um zu prüfen, ob sie schwanger war. Deshalb hat er den Pharmakonzern Bayer verklagt, der Schering und damit auch die Verantwortung für Duogynon übernommen hatte. Jahrelang wurde das Mittel als Schwangerschaftstest verwendet, bis es 1980 in Deutschland vom Markt genommen wurde. Auch andere Frauen, die Duogynon zwischen Ende der 50er und Ende der 70er Jahre einnahmen, brachten Kinder mit Behinderungen zur Welt.

Zur Urteilsverkündung kam Sommer nicht, dafür nahmen andere Geschädigte teil, die ihre Missbildungen auf Duogynon zurückführen. Auch die Sängerin Nina Hagen kam, um Sommer zu unterstützen. Der Richter argumentierte, dass sämtliche Schadenersatzansprüche 2005, also 30 Jahre nach der Einnahme von Duogynon durch die Mutter, verjährt seien. Deshalb habe Sommer auch keinen Anspruch mehr auf Auskunft über das Mittel. Das Interesse sei „menschlich verständlich“, aber nach dem Gesetz nicht durchsetzbar. Bayer begrüßte das Urteil: „Das bestätigt unsere Rechtsauffassung“, sagte ein Sprecher. Der Konzern bestreitet weiter, dass Duogynon für die Behinderungen verantwortlich ist. „Es gibt keinen nachweislichen Zusammenhang zwischen den Missbildungen und der Einnahme“, sagte der Sprecher.

Sommers Anwalt Jörg Heynemann will nun vor dem Kammergericht in Berufung gehen. Er argumentiert mit der gefährlichen Wirkung der Arznei, die bis heute Probleme verursache. „Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2010 kommt es bei der Verjährung auf den Eintritt des letzten Schadens an.“ Sommer müsse noch heute wegen seiner Behinderung behandelt werden. Mit Sommer hoffen noch andere: 280 mutmaßliche deutsche Geschädigte haben sich bei Heynemann gemeldet. Insgesamt geht der Berliner Rechtsanwalt von mehr als 1000 Fällen in Deutschland aus. Jahel Mielke

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