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Der Aktienkurs im Keller: Auf solche Negativ-Entwicklungen wetten Spekulanten in den USA.

© dpa

Draghi gegen Chicago: US-Spekulanten wetten auf Euro-Crash

Bei einem Euro-Crash wären die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen für Europa und die Welt desaströs. Profitieren dürfte davon kaum jemand - außer einige Spekulanten in den USA, die auf das Aus der Gemeinschaftswährung wetten.

Mario Draghi hat die Märkte verzaubert. Aber die Angst vor einem Zerfall der europäischen Währung hat der EZB-Präsident noch nicht vertrieben. Seine Ankündigung, „alles Notwendige“ für den Euro tun zu wollen – nicht sofort, aber bald –, hat den Kurs der Währung in den Keller rutschen (Donnerstag) und dann in die Luft gehen lassen (Freitag).

Die Nervosität auf dem Devisenmarkt spielt dabei Draghis mächtigen Gegenspielern in die Hände, die an der amerikanischen Terminbörse zu finden sind: Hedgefonds und Spekulanten aus dem Nicht- Euro-Raum wetten hier mit Milliardensummen auf den Kollaps der Gemeinschaftswährung. An der Chicago Mercantile Exchange (CME), der weltweit wichtigsten Terminbörse, sichern sich die professionellen Anleger gegen Wechselkursschwankungen ab. Dabei setzen sie seit Monaten eine Menge Geld darauf, dass das Krisenmanagement in Frankfurt am Main und Brüssel scheitert. „Die Wetten gegen den Euro laufen seit einem Dreivierteljahr auf hohem Niveau“, sagt Claudia Windt von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Von „extremen Werten“ spricht Jörg Scherer, Analyst bei HSBC Trinkaus & Burkhardt.

Genau beziffern lässt sich das Volumen zwar nicht. Aber es geht um Milliarden, die in der Lage wären, den Euro in die Knie zu zwingen. Nach zuletzt verfügbaren CME-Angaben, die die Engagements der Anleger auf einen steigenden und fallenden Euro-Kurs miteinander verrechnen, stehen unter dem Strich 155 000 Kontrakte. Ein außergewöhnlich hoher Wert, der zeigt: Per saldo geben die Profis dem Euro derzeit keine Chance.

Anleger in europäischen Rentenfonds teilen diesen Pessimismus: Allein im ersten Halbjahr zogen sie rund vier Milliarden Euro ab. Gleichzeitig sammelten Rentenfonds, die auf US-Anleihen setzen, mehr als vier Milliarden Euro ein. „Der Trend war auch im Juli stabil“, sagt ein Sprecher des Fondsverbandes BVI.

Zunehmend nervös. Seit einem Dreivierteljahr gehen Spekulanten an der Terminbörse Chicago in Stellung – bisher ist ihre Rechnung aber nicht aufgegangen.
Zunehmend nervös. Seit einem Dreivierteljahr gehen Spekulanten an der Terminbörse Chicago in Stellung – bisher ist ihre Rechnung aber nicht aufgegangen.

© AFP

Doch mit diesem Kalkül könnten sowohl die Spekulanten als auch die Fondsanleger danebenliegen. Bei Marktbeobachtern setzt sich die Meinung durch, dass die EZB glaubwürdiger als bisher die Anti-Euro-Fraktion zurückdrängen könnte. „Aus Euphorie über Draghis Ankündigung wurde zunächst Ernüchterung. Aber der starke Euro am Freitag zeigt: Es ist richtig, was die Europäische Zentralbank macht“, sagt Jan Gengel, Volkswirt und Portfoliomanager bei der Weberbank. Die EZB habe ihre Bereitschaft signalisiert, auf dem Anleihemarkt zu intervenieren, aber sie wolle dabei den Rettungsschirm ESM einbeziehen, der den Schuldenländern nur unter strengen Auflagen Hilfe leistet. „Damit hat sie den Ländern keine Freikarte ausgestellt“, sagt Gengel. Er schließt nicht aus, dass der Euro in den kommenden Wochen zulegt.

„Steigt der Euro, würden viele Spekulanten am US-Terminmarkt auf dem falschen Fuß erwischt“, sagt Claudia Windt. Die Heleba-Expertin rechnet genau damit: Von aktuell 1,23 Dollar werde der Euro bis auf 1,40 Dollar im ersten Quartal 2013 steigen. Ein Szenario, das die Spekulanten, die auf fallende Kurse wetten, zunehmend nervöser macht. Denn ihre Rechnungen sind ohnehin schon zu lange offen, weil ein Euro-Crash nicht eingetreten ist. Hedgefonds, die irgendwann Kasse machen müssten, seien bei steigenden Kursen zu Euro-Käufen gezwungen – was wie ein zusätzlicher Turbo auf den Wechselkurs wirke, sagt Claudia Windt. „Der Showdown wird im September stattfinden, wenn das Bundesverfassungsgericht grünes Licht gegeben hat.“ Das Bundesverfassungsgericht will am 12. September verkünden, ob der neue Rettungsschirm ESM mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Investoren rechnen damit, dass unmittelbar nach einem positiven Urteil aus Karlsruhe die EZB wieder Anleihen kauft.

Am Freitag fielen die Renditen spanischer Staatsanleihen unter die kritische Marke von sieben Prozent, italienische Papiere rentierten noch mit etwas mehr als sechs Prozent. Der Druck der Investoren auf die Schuldenstaaten lässt also nach. Banken, Versicherungen und Pensionsfonds hatten zuletzt von den Emittenten in Madrid und Rom ruinöse Renditen erzwungen. Dass auch die Chicagoer Spekulanten dabei mitgemischt haben, hält Helaba-Expertin Windt für eine Verschwörungstheorie. „Renditen in die Höhe treiben und gleichzeitig gegen den Euro wetten – das hätte sich wohl bis zur Bankenaufsicht herumgesprochen.“

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